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# taz.de -- Gemeinderatswahlen in Wien: Die rote Marke setzt sich durch
> Die Gemeinderatswahl in der österreichischen Hauptstadt zeigt: Wer auf
> das Gemeinwohl setzt, kann sich durchaus gegen rechte Populisten
> durchsetzen.
Bild: Hat das „rote Wien“ erfolgreich verteidigt: Bürgermeister Michael Lu…
Das rote Wien ist eine Marke, die auch heute noch zieht, das zeigte sich am
Sonntag [1][bei den Gemeinderatswahlen in Österreichs Bundeshauptstadt].
Bezahlbares Wohnen in Gemeindewohnungen, deren Anteil weltweit einzigartig
ist, ein funktionierender öffentlicher Verkehr mit moderaten Tarifen und
das regelmäßig verliehene Prädikat als lebenswerte Stadt sprechen nicht für
einen radikalen Wechsel.
Bürgermeister Michael Ludwig, dem die Popularität und der lockere Schmäh
seines Vorgängers Michael Häupl abgehen, hat nicht zuletzt von der hohen
Lebensqualität in Wien profitiert. Die von den rechten Parteien
herbeigeredete Angst vor Ausländerkriminalität und Islamisierung entspricht
nicht der Wahrnehmung der meisten Wienerinnen und Wiener. Dass auch der
kleine Regierungspartner zulegen konnte, ist weniger der aktionistischen
Vizebürgermeisterin Birgit Hebein zu verdanken als vielmehr dem weltweiten
Klima-Trend.
Auf den zweiten Blick zeigt sich für die Sozialdemokraten aber ein weniger
rosiges Bild. Sie haben zwar in Prozentpunkten und Mandaten zugelegt, in
absoluten Stimmen aber verloren, weil die Wahlbeteiligung mit rund 62
Prozent deutlich unter der von 2015 (75 Prozent) lag. Und angesichts der
Implosion der FPÖ, die von über 30 auf unter 8 Prozent abstürzte, sind zwei
Prozentpunkte plus ein bescheidener Zugewinn.
Denn das Wachstum der Rechten in den vergangenen Jahrzehnten ist nur durch
eine Wanderbewegung des Proletariats von links nach rechts zu erklären. Die
stolze Arbeiterklasse, die einst das Rote Wien ausmachte, in Bibliotheken
und Volkshochschulen das Hirn und in Arbeitersportvereinen den Körper
trainierte, ist längst Geschichte.
## Ludwigs Basis nicht in rot-grünen intellektuellen Zirkeln
Zwar ist die Integration von Wirtschaftsmigranten und Asylberechtigten
vergleichsweise gut gelungen. Es gibt, verglichen mit Metropolen wie Paris,
London oder auch Brüssel, kaum Ghettobildung. Trotzdem dominieren im
Gemeindebau Neid und Verlustängste, die von den Rechtsparteien geschickt
geschürt werden. Trotz des [2][Debakels der FPÖ] hat sich der Stimmenanteil
der teilweise extremen Rechten nur marginal verändert.
Von den zuletzt 30 Prozent der FPÖ sind 10 Prozentpunkte an die ÖVP
gegangen, die längst nicht mehr die bürgerlich-urbane Partei aus dem
letzten Jahrhundert ist, sondern unter Sebastian Kurz und seinem Wiener
Statthalter Gernot Blümel zur neokonservativen Partei mutierte, die mit
großem Erfolg Themen und Parolen der FPÖ übernommen hat. 3,6 Prozent konnte
Ex-FPÖ-Chef HC Strache für sich begeistern und 8 blieben den Blauen treu.
Der Rest hat sich ins Lager der Nichtwähler verabschiedet, dürfte aber in
Zukunft von einem geschickten Demagogen wieder mobilisiert werden können.
Was Wien in den letzten Jahren so lebenswert gemacht hat, die aktive
Kulturszene, die Schaffung von verkehrsberuhigten Begegnungszonen, die
Wiederbelegung der kommunalen Bautätigkeit zur Erhaltung bezahlbarer
Mieten, ist [3][hauptsächlich von den Grünen ausgegangen], die in den
attraktiven inneren Bezirken kulturell dominieren, in den äußeren
Flächenbezirken, wo die nächste U-Bahn-Station fern ist, aber als
Autohasser und Parkplatzvernichter wahrgenommen werden.
Bürgermeister Ludwig hat seine Basis vor allem dort, wo die Wechselwähler
sich zwischen Rot und Blau entscheiden, und nicht in den rot-grünen
intellektuellen Zirkeln. Mit einer erstarkten ÖVP ist ihm außerdem ein
neuer Gegner erwachsen, der jede offene Flanke schonungslos nutzen wird.
Ludwig kann für seine künftige Rathauskoalition zwischen drei möglichen
Partnern wählen: den Grünen, der ÖVP und den liberalen Neos. Man darf also
gespannt sein, wie rot sich Wien künftig entwickeln wird.
12 Oct 2020
## LINKS
[1] /Landtags--und-Gemeinderatswahl-in-Wien/!5719384
[2] /Wahlen-in-Wien/!5716246
[3] /Koalition-in-Oesterreich/!5711570
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
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