# taz.de -- Pro und Contra zum Recht auf Homeoffice: Revolution oder Isolation? | |
> Am Plan des Bundesarbeitsministers, ein Recht auf 24 Tage Heimarbeit im | |
> Jahr einzuführen, scheiden sich die Geister. Liegt alles Heil im | |
> Homeoffce? | |
Bild: Vor- oder Nachteile? Homeoffice ist in Deutschland umstritten | |
Arbeitsminister Hubertus Heil plant ein Recht auf mindestens 24 Tage | |
Heimarbeit im Jahr. Liegt also alles Heil im Homeoffice? | |
## Ja, | |
das [1][Heil liegt unbedingt im Homeoffice]. Besser gesagt, im Recht auf | |
Homeoffice. Eine Pflicht, quasi ein vom Arbeitgeber verordneter Hausarrest, | |
steht ohnehin nicht zur Debatte. Das Recht, wenigstens ein paar Tage im | |
Monat von zu Hause, unterwegs oder sonst wo zu arbeiten, ist vor allem ein | |
Meilenstein in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie – oder | |
Privatleben. | |
Klar, unter Corona, bei geschlossenen Kitas und Homeschooling, war das | |
Arbeiten von zu Hause – vor allem für Frauen – nur eine Doppelbelastung. | |
Unter Normalbedingungen, wenn die Kinder tagsüber betreut werden, | |
verschafft es den Eltern enorm Luft: Statt zwei Wegen, den zur Kita und den | |
zum eigenen Arbeitsplatz, legt man nur noch einen zurück, in der eigenen | |
Mittagspause lassen sich lässig das Abendessen vorbereiten und nebenbei | |
mindestens zwei Maschinen Wäsche waschen – alles Dinge, die sonst von der | |
kostbaren Zeit mit den Kindern abgehen, wenn alle [2][erst abgehetzt und | |
erschöpft abends nach Hause kommen]. Das mit der kostbaren Zeit gilt | |
natürlich auch für Kinderlose, auch die haben ja abends ein Privatleben. | |
Gerade in den Ballungsräumen, den Großstädten, sind die Wege lang und | |
nervenaufreibend – und die Mieten steigen überall seit Jahren. Wer nicht | |
noch längere Wege in die Peripherie auf sich nehmen will, zahlt die halt | |
zähneknirschend. Mit einer Normalisierung des mobilen Arbeitens könnten | |
mehr Menschen – so sie es wollen – in günstigere Wohnungen am Stadtrand | |
oder gar ganz aufs Land ziehen. | |
Für wichtige Meetings, kreative Prozesse oder was sonst noch Anwesenheit | |
erfordert, kann man dann ja immer noch ins Büro. Fairer- oder unfairerweise | |
muss man sagen, dass ohnehin höchstens die Hälfte aller Jobs | |
homeofficetauglich sind. Pfleger, Friseure, Bäcker und alle, die sonst noch | |
vor Ort sein müssen, würden aber immerhin von weniger Berufsverkehr, | |
möglicherweise einem entspannteren Mietmarkt und im Zweifel von einem | |
weniger erschöpften Partner profitieren. | |
Ariane Lemme | |
## Nein, | |
im Homeoffice liegen [3][zu viele Nachteile]. Es gibt ein deutsches Wort | |
für „Homeoffice“. Es heißt „Telearbeit“. Homeoffice klingt zeitgemä�… | |
der Möglichkeit, auf Mallorca oder auf den Kanaren am Strand zu joggen, | |
bevor man ein paar Daten aus dem Airbnb-Apartement mit Meerblick schickt – | |
also nach dem neoliberalen Traum der digitalen Mittelschicht. „Telearbeit“ | |
ist dagegen technischer, bürokratischer, mit leichtem Siebziger-Touch. Noch | |
deutscher klingt „Fernarbeit“. Dabei ist die Arbeit gar nicht fern, sondern | |
so nahe, dass die Grenze zwischen Beruf und Privatem, zwischen Arbeit und | |
Nichtarbeit noch weiter verschwimmt. | |
Die Fernarbeit ist gleichzeitig ein Privileg. Höchstens 50 Prozent der | |
arbeitenden Bevölkerung könnte auf Fernarbeit umstellen, denn der Müll kann | |
nicht digital abgeholt und alte Menschen können nicht digital gepflegt | |
werden. Sie werden sich weiterhin dem Sozialen aussetzen müssen. Erinnern | |
wir uns: Den Schub ins Digitale, den Verweis ins Homeoffice haben wir der | |
Pandemie zu verdanken. In der Pandemie ist das Soziale eine Gefahr. | |
Angedacht ist das neue „Mobile-Arbeit-Gesetz“ jedoch auch für die Zeit nach | |
Corona, so sie jemals kommen sollte. Eine gute Idee ist die Manifestierung | |
der Fernarbeit indes nicht. Denn sie ist eben das nicht: sozial. | |
Homeoffice kann Eltern, besonders alleinerziehende, entlasten, kann | |
Büromieten senken, und als Kollateralnutzen der Umwelt dienen, wird aber | |
auch zu einer weiteren Kontrolle des Privaten führen, zu einer weiteren | |
Ausdehnung von Arbeit (wer zu Hause arbeitet, meldet sich beispielsweise | |
auch weniger krank), zur weiteren Privatisierung der Unkosten, zu einer | |
verstärkten Isolierung, zu noch mehr Vereinzelung. Ausschluss von | |
innerbetrieblichen Prozessen und Entscheidungen wäre ebenfalls zu nennen. | |
Nicht alles lässt sich digital via Zoom lösen. | |
Und ja, noch ist Corona, und Corona verstärkt die Prozesse, die eh schon | |
laufen. Nach #staythefuckathome sollte gerade deswegen dereinst | |
#returntooffice stehen. | |
René Hamann | |
6 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Finanzcasino-aufgrund-von-Corona/!5715875 | |
[2] /Weniger-arbeiten-dank-Corona/!5715980 | |
[3] /Homeoffice-in-der-Coronapandemie/!5716423 | |
## AUTOREN | |
Ariane Lemme | |
René Hamann | |
## TAGS | |
Homeoffice | |
Vereinbarkeit | |
Care-Arbeit | |
Arbeit | |
Hubertus Heil | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Homeoffice | |
Kolumne Sie zahlt | |
Homeoffice | |
Arbeit | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Homeoffice | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Folgen von Corona für die Arbeitswelt: Heimarbeit als Elitemodell | |
In der Pandemie boomt die Heimarbeit. Doch der Trend zum Homeoffice könnte | |
Ungleichheiten in den Arbeits- und Lebensbedingungen verstärken. | |
Gesetzentwurf zum Homeoffice: Möglichkeit statt Pflicht | |
Aus der Union gibt es ein Eckpunktepapier zu mobiler Arbeit. Es ist ein | |
Gegenentwurf zu den Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). | |
Weniger arbeiten dank Corona: Eine neue Vollzeit | |
Eine 40-Stunden-Woche bedeutet für viele: Dauerstress. Dabei bringt viel | |
arbeiten nicht unbedingt viel. Jetzt ist ein guter Moment für etwas Neues. | |
Homeoffice in den Niederlanden: Schöne neue Thuiswerk-Welt | |
Schon vor der Pandemie war Arbeiten von zu Hause in den Niederlanden | |
verbreiteter als anderswo. Das liegt auch an kulturellen Besonderheiten. | |
Gesetzentwurf für Recht auf Homeoffice: Leere Bürotürme | |
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will ein Recht auf 24 Tage Homeoffice | |
im Jahr. Die Union protestiert. | |
Finanzcasino aufgrund von Corona: Wenn Büros leer stehen | |
Dank Corona kommt das Homeoffice in Mode. Städter können aufs Land ziehen, | |
Firmen ihre Büros verkleinern. Bei Immobilienfonds ändert sich alles. | |
Homeoffice in der Coronapandemie: Arbeitgeber fürchten Folgen | |
In der Coronapandemie ist es beliebt und vernünftig, zu Hause zu arbeiten. | |
Doch schon jetzt wird darum gerungen, wie es danach weitergeht. |