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# taz.de -- Lob und Kritik für Polizeigesetz: Noch besser abrüsten
> Der Anwaltsverein lobt das rot-rot-grüne Polizeigesetz in Berlin. Und
> fordert dennoch Nachbesserungen bei Racial Profiling und
> Kennzeichnungspflicht.
Bild: Gekennzeichnete Polizisten: Kennzeichnungspflicht läuft bei kurzen Speic…
Berlin taz | Nach einer Anhörung im Innenausschuss zum neuen
[1][Polizeigesetz in Berlin] will die rot-rot-grüne Koalition noch einmal
Nachbesserungen vornehmen. Verschiedene Expert:innen hatten das
rot-rot-grüne Polizeigesetz im Abgeordnetenhaus am Montag gelobt und
kritisiert.
Erwartungsgemäß gab es von Polizeiseite wie etwa der Gewerkschaft der
Polizei Kritik daran, dass der Senat der Polizei zu wenig neue Befugnisse
einräume und zudem die kriminalistische Arbeit erschwere. Insgesamt gebe es
viel zu wenig Handlungsspielraum für die Polizei, so der Tenor von
konservativer Seite. Der [2][Bund der Kriminalbeamten] hatte bereits im
Vorfeld kritisiert, dass es schwerer werde, Menschenhandel und
Zwangsprostitution zu bekämpfen, wenn Kontrollmöglichkeiten in Bordellen
beschränkt würden.
Lob gab es hingegen vom Deutschen Anwaltsverein und einer Journalistin von
Netzpolitik.org: Beide waren zufrieden damit, dass Berlin sich nicht am
bundesweiten Wettrüsten um das schärfste Polizeigesetz beteiligt – hatten
aber auch ihrerseits noch verfängliche Detailkritik. So sieht der
rot-rot-grüne Entwurf vor, dass die durch die Kennzeichnungspflicht
gespeicherten Daten über Polizist:innen wie bisher nach nur drei Monaten
wieder gelöscht werden sollen – bis dahin hätten Betroffene von
unverhältnismäßiger Polizeigewalt häufig noch nicht einmal Akteneinsicht,
wie Lea Voigt vom Anwaltsverein kritisierte.
Viele Verfahren gegen Polizist:innen liefen mit einer kurzen Speicherfrist
ins Leere und die Kennzeichnungspflicht bleibe wirkungslos. Erforderlich
sei eine Speicherung von mindestens drei Jahren, sagte Voigt: „Ich habe
selber in Berlin erlebt, dass Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt
wurden, weil eine Zuordnung nicht mehr möglich war.“ Der Eingriff in die
informelle Selbstbestimmung sei indes überschaubar, weil die Daten nur auf
den Polizeidiensstellen vorlägen.
## Racial Profiling dokumentieren
Des Weiteren sollten in kriminalitätsbelasteten Orten Polizeikontrollen
sich nicht am Erscheinungsbild, sondern nur am Verhalten orientieren,
forderte Voigt. An sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten darf die
Polizei bisher anlasslos kontrollieren. Auch weil das nach Ansicht des
Senats Racial Profiling begünstige, soll das neue Polizeigesetz dies
einschränken.
Wenn man Kontrollen aber nicht ans Verhalten knüpfe, ändere die vorgesehene
Neuregelung nichts an Racial Profiling, kritisierte Voigt. Zudem sei es
sinnvoll, nach Bremer Vorbild eine Quittierungspflicht nach
Polizeikontrollen einzuführen. So könne man Polizeimaßnahmen evaluieren und
eine etwaige rassistische Kontrollpraxis dokumentieren.
Allerdings dürften Änderungen zugunsten von mehr Freiheitsrechten nicht
sonderlich leicht sein: Grüne, Linke und SPD verhandelten seit mehr als
drei Jahren hart um das neue Polizeigesetz und den im Koalitionsvertrag
versprochenen Polizeibeauftragten. Die SPD hatte dabei Letzteren blockiert
und im Gegenzug Zugeständnisse beim Polizeigesetz gefordert.
## Polizeibeauftragter kommt 2021
Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann sagte der taz am Dienstag: „Das war
eine aufschlussreiche Anhörung. Wir sind offen für vernünftige und
sinnvolle Änderungen“, wollte aber inhaltlich noch nichts Konkretes nennen.
Grüne und Linke zeigten sich bereits während der Anhörung offen für längere
Speicherfristen der polizeilichen Kennzeichnung, ebenso für
Kontrollmöglichkeiten aufgrund des Verhaltens und nicht des äußeren
Erscheinungsbildes sowie für Kontrollquittungen. Angesichts der zähen
Verhandlungen zum Polizeigesetz scheinen zumindest größere Änderungen
schwierig.
Schrader von der Linken sagte: „Wir sind offen für solche Vorschläge und
werden versuchen, möglichst viel davon aufzunehmen.“ Alles, was nicht mehr
nachjustiert werden könne, nehme man mit in die nächsten möglichen
Koalitionsverhandlungen, so Schrader. Auch Benedikt Lux von den Grünen
zeigte viel Sympathien für die vom Anwaltsverein vorgeschlagenen
Änderungen. Auch er sagte am Dienstag der taz: „Wir sind offen für
Verbesserungen.“
Unterdessen hat das Gesetz für den Polizeibeauftragten den Innenausschuss
passiert. Auch dort hatte die Koalition nach Kritik in einer Anhörung noch
einige Details verändert. Demnach wird der Polizeibeauftragte dem Parlament
unterstellt sein und im Plenum ohne Aussprache gewählt; auch werden zum
Schutz von Whistleblowern anonyme Eingaben möglich sein. Dazu wurde die
Beschwerdefrist verlängert auf vier Monate und am Datenschutz geschraubt.
Das Polizeigesetz könnte Mitte November den Innenausschuss passieren. Beide
Gesetze sollen Anfang 2021 in Kraft treten.
29 Sep 2020
## LINKS
[1] /Berliner-Polizeigesetz/!5689604
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/kriminalbeamte-in-berlin-warnen-rot-rot-…
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Polizeigesetz
Polizei
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Landesantidiskriminierungsgesetz
Polizeigesetz
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