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# taz.de -- Folgen der Polizeikolumne: Seehofer gefährdete taz-Autor*in
> taz-Anwalt Johannes Eisenberg über den Versuch des Bundesinnenministers,
> eine Kolumnist*in und die taz-Chefredaktion zu kriminalisieren.
Bild: Bundesinnenminister Seehofer im Bundestag
Das Strafverfolgungsbegehren gegen unsere Autor*in Hengameh Yaghoobifarah
(und die Chefredakteurin Barbara Junge und deren Stellvertreterin Katrin
Gottschalk) wegen des Artikels [1][„All cops are berufsunfähig“] in der taz
vom 15.6.2020 hat die Staatsanwaltschaft Berlin zurückgewiesen. Der Artikel
war nicht strafbar.
Zwar adressiert er die deutschen Polizeiangehörigen, erklärt die
Staatsanwaltschaft. Eine Volksverhetzung stellt er gleichwohl nicht dar,
weil ihm der „Appellcharakter“ an die Leser fehlt, Polizeibeamte
anzugreifen. Er enthält zwar die Ablehnung der Berufsgruppe, nicht aber ein
„Anreizen zu einer feindseligen Haltung“. (Die genauere Begründung
[2][entnehmen Sie dem Text von Ulrike Winkelmann]).
Angezeigt hatten die Autor*in (und die Chefredakteurin Junge und ihre
Stellvertreterin Gottschalk, weil diese angeblich ihrer Verpflichtung, die
taz frei von Straftaten zu halten, verletzt haben – es gab also den
Versuch, die leitenden Redaktionsverantwortlichen der taz massiv zu
kriminalisieren) verschiedene Polizeiorganisationen. Darunter: die rechte
DPolG, vertreten durch die auch Nazis vertretende Kanzlei „Höcker“, die den
rechtsradikalen ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als „of
Counsel-Rechtsanwalt“ in ihren Reihen feiert. Insgesamt lagen [3][mehr als
140 Strafanzeigen vor,] großenteils befeuert durch das Agieren des
Bundesinnenministers Horst Seehofer.
Aus Recherchen des Berliner Tagesspiegels wissen wir, dass Seehofer seine
über die Bild-Zeitung angekündigte Strafanzeige gegen Autorin und
Chefredakteurinnen gegen die Empfehlung seiner Ministeriumsfachleute
verfolgt hat. Unmittelbar nach der Veröffentlichung verlangte der sich
selbst als „Erfahrungsjurist“ qualifizierende Seehofer am 17. Juni von
seinem Polizeireferat einen Strafanzeigenentwurf.
## Das Schweigen Seehofers
Diesen und die Strafanzeige wollte er eigentlich am 19. Juni nach einer
Innenministerkonferenz mit öffentlichem TamTam der Staatsanwaltschaft
zuleiten. Den Entwurf bekam er, aber auch erste Zweifel seiner Polizisten,
ob die Kolumne Yaghoobifarahs wirklich strafbar sei. Aus unbekannten
Gründen änderte Seehofer sein Vorhaben und kündigte am 22. Juni in der
Bild-Zeitung die Strafanzeige an. Ihm gehörten die frühmorgendlichen
Schlagzeilen, für die Autor*in begann ein Spießrutenlauf: Drohungen,
Beschimpfungen, Gefährdungsanalysen der Landespolizei etc..
Nach einem Gespräch mit der Kanzlerin in den Vormittagsstunden desselben
Tages verzögerte Seehofer zunächst die Erstattung der Anzeige, am 23. Juni
erreichte ihn eine kritische „grundrechtliche Bewertung“ der Juristen
seines Verfassungsreferats, die die Veröffentlichung für straflos hielten.
Erst am 28. Juni 2020 wurde bekannt, dass er sein Vorhaben, Strafanzeige zu
erstatten, endgültig aufgegeben hat.
Die vorstehend wiedergegebenen Einzelheiten weiß die Öffentlichkeit nur,
[4][weil der Tagesspiegel Auskunftsansprüche] gegen den Widerstand des
Ministeriums durchgesetzt hat.
Seehofer hat seine öffentliche Erklärung, dass sich die Autorin strafbar
gemacht hat, nie korrigiert. Ein Unterlassungsbegehren der Autorin gegen
Seehofer, sie öffentlich als Straftäterin zu diffamieren, hat er bis heute
unbeantwortet gelassen.
25 Sep 2020
## LINKS
[1] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584
[2] /Staatsanwaltschaft-ueber-Polizeikolumne/!5716651
[3] /taz-Kolumne-zur-Polizei/!5696716
[4] https://www.tagesspiegel.de/politik/polizei-kolumne-von-hengameh-yaghoobifa…
## AUTOREN
Johannes Eisenberg
## TAGS
Presserecht
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Meinungsfreiheit
Twitter / X
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