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# taz.de -- Innenminister droht der taz mit Anzeige: Seehofers Eskalation
> Bundesinnenminister Horst Seehofer findet es offenbar wichtiger, die
> Polizei zu schützen als die Meinungsfreiheit.
Bild: Horst Seehofer am Montag in Stuttgart
Der Bundesinnenminister ist qua Amt auch Verfassungsminister und damit
innerhalb der Bundesregierung für den Schutz der Verfassung zuständig.
Horst Seehofer, der dieses Amt derzeit ausfüllt, ist kein gelernter Jurist,
aber seine Beamt.innen erklären ihm sicher gern, was in Artikel 5
festgeschrieben ist: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift
und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und
die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden
gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Man kann darüber streiten, ob die [1][Kolumne „All cops are berufsunfähig�…
unserer Autor.in Hengameh Yaghoobifarah, die vor einer Woche erschien,
danebengegangen ist. Diesen Streit führen wir gerade in der taz und darüber
hinaus, mit großen Emotionen, auch die Chefredaktion hat sich dazu
geäußert. Aber Satire darf fast alles, sogar in ihren Worten
danebengreifen. Horst Seehofer, der nicht nur für den Schutz der Verfassung
zuständig ist, sondern auch für die Polizei, hätte nicht deutlicher machen
können, welcher seiner zwei Aufgabenbereiche ihm wichtiger erscheint: die
Polizei, nicht die Verfassung. Seine [2][angekündigte Anzeige] gegen unsere
Autor.in ist ein beschämender Angriff auf die Pressefreiheit. Die taz steht
vor ihrer Autor.in und wird sie publizistisch wie juristisch gegen eine
drohende Anzeige Horst Seehofers verteidigen.
Seehofer hätte die vergangenen Wochen nutzen können, um mit seinen
Freund.innen von der Bild über die Lehren aus der
Black-Lives-Matter-Bewegung zu sprechen, die auch in Deutschland
Zehntausende auf die Straße geführt hat. Er hat es vorgezogen zu schweigen.
Das sagt viel. Man hätte sich gewünscht, dass Seehofer sich schützend vor
die Frankfurter Anwältin [3][Seda Başay-Yıldız] gestellt hätte, als diese
und ihre Familie mit nationalsozialistischen Drohungen überhäuft wurde, mit
Interna, die aus einem Polizeicomputer stammten. Man hätte sich gewünscht,
dass der Bundesinnenminister die Untersuchung forciert, wie es sein kann,
dass sich in den Reihen der Polizei auffallend viele AfD-Anhänger.innen und
Reichsbürger.innen finden. Horst Seehofer hatte und hat jede Menge
Gelegenheiten, anlässlich derer er sich zum Thema Polizei und Rassismus
hätte äußern können. All diese Chancen hat er großzügig ausgelassen.
Seehofer ist indes noch einen Schritt weitergegangen und hat einen
indirekten Bezug der taz zu den [4][Krawallen von Stuttgart] am Wochenende
hergestellt, als er sagte: „Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu
einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt
in Stuttgart gesehen haben.“
Seehofer selbst hat in der Vergangenheit immer wieder Öl ins Feuer gegossen
und lautstark in den Singsang über die vermeintlich „kriminellen Ausländer�…
eingestimmt. Trauriger Tiefpunkt war seine Behauptung, die
„Migrationsfrage“ sei „die Mutter aller politischen Probleme“. Einige
Monate danach fand der Aufmarsch von Chemnitz statt, bei dem die
AfD-Spitze, Neonazis und mehrere rechte Terroristen durch Chemnitz
marschierten, darunter auch der mutmaßliche [5][Mörder von Walter Lübcke].
Der Minister würde sicher erbost zurückweisen, dass eine solche Eskalation
der Worte auch zu Taten geführt habe. Horst Seehofer täte sich und der
Demokratie einen Gefallen, wenn er weder kritische Satiren anzeigen noch
Journalisten für Randale irgendwo in der Republik verantwortlich machen
würde.
22 Jun 2020
## LINKS
[1] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584
[2] /Verteidigung-taz-Kolumne/!5696661/
[3] /Rechtsextreme-Terrorbriefe/!5680194
[4] /Randale-in-Stuttgart/!5690923
[5] /Prozess-zum-Luebcke-Mord/!5690124
## AUTOREN
Barbara Junge
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Horst Seehofer
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Presserecht
Gewerkschaft der Polizei GdP
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Kolumne Habibitus
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