Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vorstoß für Lieferkettengesetz: Freiwillig ist nichts passiert
> Initiativen aus der Zivilgesellschaft fordern seit langem
> Mindeststandards für die faire Produktion von Textilien. Jetzt kommt
> Hilfe von der Politik.
Bild: Näherinnen in einer Fabrik in Bangladesch
Berlin taz Ein Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Mindeststandards für
Menschenrechte und Umweltschutz soll nicht nur für die Herstellung von
Textilien in Billiglohnländern gelten. Berlins grüner
Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt setzt sich für eine solche
Regulierung auch im Agrarbereich ein. In der Sitzung der
Länder-Agrarminister will er heute im saarländischen Weiskirchen einen
entsprechenden Antrag einbringen – der eigentlich keine schlechten Chancen
hat, weil die Hälfte aller Landwirtschaftsressorts in Deutschland
inzwischen von Grünen geführt werden.
„Die Einhaltung hoher menschenrechtlicher wie ökologischer Standards ist
global wie national ein Mehrwert für die Zukunftsfähigkeit der deutschen
Landwirtschaft“, sagte Behrendt am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung
der Initiative. Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, einen
entsprechend erweiterten Gesetzentwurf in den Bundestag zur dortigen
Beschlussfassung einzubringen.
Vor allem solle damit eine Änderung bei der Lieferkette für Futtermittel
erreicht werden, erläuterte Behrendt. So werde das Soja für die deutsche
Tiermast in Asien und Lateinamerika unter höhen ökologischen Schäden, wie
Tropenwald-Abholzung und massivem Pestizid-Einsatz produziert. Der
einheimischen Bevölkerung nehme das den Lebensraum.
Auch die deutsche Ernährungsindustrie könnte von strengeren
sozial-ökologischen Rahmenvorgaben indrekt profitieren, erklärte Miriam
Saage-Maaß vom Europäischen Zentrum für Grund- und Menschenrechte ECCHR in
Berlin. Die Menschenrechts-Expertin verwies auf eine aktuelle Klage gegen
den Pestizid-Hersteller Syngenta, dessen Agrochemikalien in Indien bei
Bauern tödliche Erkrankungen verursacht haben sollen. Mit einem
Lieferkettengesetz, das in diesem Fall eine bessere Kennzeichnung der
Pestizid-Behälter oder das Tragen von Schutzkleidung verlangen würde,
könnten solche Vergiftungen verhindert werden, war die Einschätzung der
Juristin.
## Keine Schadenersatzklagen
Denn die Chemiekonzerne hätten keine Schadenersatzklagen wie jetzt aus
Indien zu befürchten. „Wir brauchen in Deutschland dringend gesetzliche
Sorgfaltsmaßstäbe, damit Unternehmen verpflichtet sind, die Risiken ihrer
Produkte für Mensch und Umwelt abzumildern“, betonte Saage-Maaß. Es sei
nicht hinnehmbar, dass sich Untennehmen durch niedrige Schutzniveaus in der
Agrarproduktion bereichern könnten.
Die vor einem Jahr gegründete zivilgesellschaftliche Initiative für ein
Lieferkettengesetz hat inzwischen mit über 100 Unterstützern, darunter auch
Gewerkschaften und Kirchen, eine beachtliche Breite erreicht, berichtete
Maren Leifker, Wirtschaftsreferentin bei der NGO Brot für die Welt. Auch in
anderen Ländern kommen die globalen Produktionsbedingungen des heimischen
Warenangebots immer mehr in den Blick. So habe sich Frankreich 2017 ein
„Sorgfaltspflichtengesetz“ gegeben, allerdings nur für die größeren
Konzerne.
Derzeit sind in Frankreich sechs Klagen von Umweltorganisationen anhängig,
mit denen die striktere Einhaltung des Gesetzes erreicht werden soll. Auch
Holland habe im vergangenen Jahr eine Regulierung erlassen, bei der die
[1][Unterbindung von Kinderarbeit] im Mittelpunkt steht.
Ein weiterer Grund für den Behrendt-Antrag ist auch das ernüchternde
Ergebnis eines im Sommer vorgestellten Monitorings im Rahmen des 2016
gestarteten „Nationalen Aktionsplanes Wirtschaft und Menchenrechte“. Die
dort vorgeschlagenen freiwilligen Regelungen – zur Abwendung eines
staatlichen Lieferkettengesetzes – sind laut Leifker in vier Jahren nur von
17 Prozent der im Ausland produzierenden Unternehmen eingeführt worden.
23 Sep 2020
## LINKS
[1] /Verantwortung-fuer-Lieferketten/!5704429&s=kinderarbeit/
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Lieferketten
Textilindustrie
Lohndumping
Dirk Behrendt
Welthandel
FC St. Pauli
Ausbeutung
Congress-Partei
Bier
Welthandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kiel will Lieferkettengesetz befördern: Wirtschaft fürchtet Menschenrechte
Die schleswig-holsteinische Landesregierung will Unternehmen weltweit auf
ökologische und soziale Standards festnageln.
Kiezclub macht Trikots jetzt selbst: St. Pauli will Weltmeister werden
Der Kiez-Club will seine Kicker künftig selbst mit Trikots ausstatten,
indem er die nachhaltigste Teamsport-Kollektion der Welt auf den Markt
bringt.
Studie über Kakaoproduktion: Kinderarbeit für Schokolade
Eine neue Studie belegt Ausbeutung in Afrika bei der Kakaoproduktion.
Allein in der Elfenbeinküste und Ghana sind 1,5 Millionen Kinder betroffen.
Umstrittene Agrarreform in Indien: Bauern fürchten um Mindestpreise
Indische Bauernorganisationen und die oppositionelle Kongresspartei
protestieren vergeblich gegen eine Liberalisierung der Landwirtschaft.
Soziales Bier aus Berlin: Zum Wohl der Gemeinschaft
Mit einem neuen Sozialbier namens Jesöff möchte Maxim Wermke den Biermarkt
revolutionieren: Von jedem Kasten werden 50 Cent gespendet.
Ökonom zu Lieferkettengesetz: „Das ist eine Frage des Anstands“
Das Lieferkettengesetz soll Menschenrechte sichern – und überfordert weder
Mittelstand noch Exporteure, sagt der Wirtschaftsweise Achim Truger.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.