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# taz.de -- Kiel will Lieferkettengesetz befördern: Wirtschaft fürchtet Mensc…
> Die schleswig-holsteinische Landesregierung will Unternehmen weltweit auf
> ökologische und soziale Standards festnageln.
Bild: Sie soll das Lieferkettengesetz schützen: Näher*innen in einer Textilfa…
Lübeck taz | Fast alle Tomaten in unseren Supermärkten kommen aus Almería
in Südspanien, wo in riesigen Gewächshäusern Immigranten arbeiten, weit
unter Mindestlohn und oft ungeschützt gegen Pestizide. Für das Tierfutter
europäischer Fleischproduktion wird in Südamerika Regenwald abgeholzt, und
wenn in Asien eine Textilfabrik brennt, sterben Hunderte NäherInnen.
Ein [1][Lieferkettengesetz] soll das nun ändern. Die Grundidee: Ähnlich wie
bei einer Qualitätsnorm sollen Hersteller die Einhaltung von
Menschenrechten und ökologisch nachhaltiger Produktion auch bei
ausländischen Zulieferern kontrollieren. „Ziel ist es, dass Unternehmen
keine Wettbewerbsnachteile haben dürfen, weil andere Unternehmen sich nicht
an Standards halten“, fasst Siglinde Hessler, Leiterin des Bereichs
Grundsatz/Politische Planung im DGB Nord, zusammen. Der DGB ist eineR der
UnterstützerInnen des Gesetzes.
Die Initiative dafür kam von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU).
2015 hatte er ein „[2][Textilbündnis]“ für die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen der Bekleidungsindustrie gegründet. Die Teilnahme war
freiwillig, was nicht funktionierte: Lediglich 46 Prozent der Textilfirmen
traten dem Bündnis bei, und in einer aktuellen Umfrage gaben nur 17 Prozent
an, ökosoziale Kriterien in ihrer Produktion zu berücksichtigen.
Deshalb hat Müller nun zusammen mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
(SPD) ein noch nicht veröffentlichtes Eckpunktepapier für ein Branchen
übergreifendes Gesetz entwickelt. Ob es Bußgelder und Klagemöglichkeiten
für Geschädigte vorsieht und ob es für alle oder nur für größere
Unternehmen greifen soll, ist noch unklar.
## Quer durch die politischen Lager
Während Müller und Heil verhandeln, hat im Schleswig-Holsteinischen Landtag
die SPD- Abgeordnete Kerstin Metzner den Antrag „Lieferkettengesetz jetzt!“
eingebracht, „damit sich bei dem Thema etwas tut“. Der Antrag wurde Ende
August im Landtag verhandelt und ist seitdem durch mehrere Ausschüsse
gegangen.
Die „[3][Initiative Lieferkettengesetz]“ mit 13 Mitgliedern aus der
Zivilgesellschaft, hinter denen landesweit hundert
UnterstützerInnenorganisationen stehen, reichte dafür eine Petition mit
mehr als 200.000 UnterzeichnerInnen ein und verfasste ein Positionspapier.
Es erinnert die Regierung daran, dass ein solches Gesetz im
Koalitionsvertrag vereinbart ist, ebenso wie in Hamburg und in Thüringen.
Zudem habe die Bundes-CDU sich auf ihrem Parteitag Ende 2019 dafür
ausgesprochen.
Auch Gegner des Gesetzes positionierten sich. Die [4][Industrie- und
Handelskammer Schleswig-Holstein] (IHK) fürchtet Bürokratisierung und die
Benachteiligung des Mittelstands: „Es droht der Ausschluss insbesondere
kleiner und mittlerer Unternehmen vom internationalen Marktzugang.“ Diese
machten die überwältigende Mehrheit der Betriebe im Land aus.
Allerdings sehen das nicht alle Unternehmen so. 70 Firmen wünschen sich ein
Lieferkettengesetz, darunter Größen wie Kik und Tchibo, dessen CSR-Chefin
strenge und verbindliche Regelungen für alle fordert, also auch für kleine
Firmen.
## CDU ist gespalten – und entscheidend
In der Jamaika-Koalition unterstützen die Grünen das Gesetz, während
FDP-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz es strikt ablehnt: „Für die
Einhaltung der Menschenrechte weltweit zu sorgen, ist staatliche
Verantwortung“.
Die Christdemokraten sind sich in der Frage nicht einig: Während der
CDU-Abgeordnete Lukas Kilian sich entschieden hinter die Initiative stellt,
lehnte CDU- Ministerpräsident Daniel Günther im vergangenen Jahr ökosoziale
Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ab: „Wir haben eine
Entbürokratisierung versprochen und umgesetzt.“
Die Landesregierung werde nun den Gesetzentwurf der Bundesregierung
abwarten, sagt der Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein,
Staatssekretär Dirk Schrödter. Danach werde die Landesregierung eine
abschließende sachgerechte Prüfung und Bewertung vornehmen. Sollte sich die
Landes-CDU tatsächlich an der Position des Bundes orientieren, sieht es gut
aus für das Lieferkettengesetz: Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannte sich
Mitte Dezember ausdrücklich zum Lieferkettengesetz.
Kerstin Metzner hofft nun, dass Schleswig-Holstein zum deutschen Vorreiter
wird. Kanada, Australien, Kalifornien, Großbritannien, die Niederlande und
Frankreich hätten schon ähnliche Gesetze. „Es gibt ja auch den TÜV und
Lebensmittelkontrollen“, argumentiert Metzner. Weder Qualitätsstandards
noch der Mindestlohn hätten zum Untergang der Wirtschaft geführt. „Wenn
menschenrechtliche Sorgfaltspflicht Standard wird“, sagt sie, „verändert
das auch die Menschen.“
5 Jan 2021
## LINKS
[1] /Streit-uebers-Lieferkettengesetz/!5731667
[2] /Entwicklungsminister-ueber-faire-Kleidung/!5615790
[3] https://lieferkettengesetz.de/
[4] https://www.ihk-schleswig-holstein.de/
## AUTOREN
Friederike Grabitz
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