# taz.de -- Pakt für bessere Arbeitsbedingungen: Textilbündnis bröckelt | |
> Kirchliche Entwicklungsorganisationen verlassen den Pakt für bessere | |
> Standards in der globalen Bekleidungsindustrie. Viele Firmen sind schon | |
> weg. | |
Bild: Der Textilfabrikant Trigema hat das Textilbündnis wegen der vielen Büro… | |
BERLIN taz | Im Textilbündnis, das die Arbeitsbedingungen in ausländischen | |
Bekleidungsfabriken verbessern soll, ruckelt es. Einige Firmen, darunter | |
der baden-württembergische Textilproduzent Trigema, sind ausgetreten. Und | |
an diesem Mittwoch geben zwei kirchliche Entwicklungsorganisationen | |
bekannt, dass sie nicht mehr mitmachen wollen. „Nach sieben Jahren hat ein | |
‚Weiter so‘ keinen Sinn“, sagte Sandra Dusch Silva von der Christlichen | |
Initiative Romero (CIR) in Münster. Die Frage steht im Raum: Hat das | |
Textilbündnis überhaupt eine Zukunft? | |
[1][Der freiwillige Zusammenschluss] aus Politik, | |
Entwicklungsorganisationen, Gewerkschaften und Firmen wurde 2014 auf | |
Initiative des damaligen Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU) gegründet | |
– als Reaktion auf Unfälle in Textilfabriken Asiens mit Tausenden Toten und | |
Verletzten. Die derzeit rund 130 Mitglieder, darunter große Firmen wie | |
Adidas, Aldi, H&M und KiK, vereinbarten etwa, für mehr Arbeitssicherheit in | |
Fabriken, höhere Löhne und das Verbot gefährlicher Chemikalien zu sorgen. | |
Für Dusch Silva haben sich die Hoffnungen nicht erfüllt: „Es gibt viel zu | |
wenige konkrete Fortschritte.“ Neben CIR tritt das Amt für Mission und | |
Ökumene der Evangelischen Kirche von Westfalen aus dem Bündnis aus. | |
Besonders in der Lohnfrage bewege sich quasi nichts, bemängeln die | |
Organisationen. Die hiesigen Firmen würden kaum etwas dafür tun, dass die | |
Beschäftigten [2][der Zulieferfabriken existenzsichernde Löhne erhielten]. | |
Die Kritik teilt Gisela Burckhardt von der Organisation Femnet in Bonn: | |
„Die Bilanz nach sieben Jahren ist mager.“ | |
Unmut herrscht auch bei manchen Firmen. Wolfgang Grupp junior vom | |
Unternehmen Trigema hält den bürokratischen Aufwand bei den | |
Fortschrittsberichten, die das Bündnis verlangt, für zu hoch. Das sei der | |
Grund für den Abschied gewesen, so Grupp, Sohn des Firmenchefs. Die | |
Standards halte man aber trotzdem ein. Unter anderem wegen der | |
Fortschrittsberichte seien „26 Unternehmen aus dem Textilbündnis | |
ausgetreten, was wir ausdrücklich bedauern“, teilte der Verband Textil und | |
Mode mit. Darunter sind Edeka und Humana. 70 Firmen beteiligen sich | |
augenblicklich. | |
## Mehr konkrete Vorteile | |
Seit 2014 hat sich das Umfeld verändert. Mittlerweile gibt es den | |
[3][„Grünen Knopf“] mit vergleichbaren Standards. Außerdem hat der | |
Bundestag das Lieferkettengesetz verabschiedet, das für alle Branchen | |
einschließlich des Textilsektors ökologische und soziale Mindeststandards | |
vorschreibt. | |
Femnet-Chefin Burckhardt will trotzdem am Bündnis festhalten. Sie stellt | |
dafür aber Forderungen – wie auch die Organisation Inkota. Im Wesentlichen | |
geht es darum, dass das Textilbündnis mehr konkrete Vorteile für die | |
Beschäftigten erbringen solle und die Firmen zu Fortschritten verpflichtet | |
werden müssten. | |
Der Verband Textil und Mode erklärte, „das Textilbündnis macht Sinn, wenn | |
es sich stärker auf die Bündnisinitiativen fokussiert“. Das sind | |
freiwillige Vorhaben, an denen sich Unternehmen beteiligen können, aber | |
nicht müssen. Als positives Beispiel nannte der Verband eine Initiative im | |
südindischen Bundesstaat Tamil Nadu, wo Arbeiterinnen in Spinnereien und | |
Nähereien darin unterstützt werden, ihre Rechte durchzusetzen. Außerdem | |
solle das Textilbündnis den Firmen helfen, das Lieferkettengesetz | |
umzusetzen. | |
8 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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