# taz.de -- Italien strikt gegen Seenotrettung: Die „Sea Watch 4“ sitzt fest | |
> Italien untersagt dem Rettungsschiff „Sea Watch 4“ das Auslaufen wegen | |
> Sicherheitsmängel. Dieses Vorgehen hat Methode und verfolgt ein Ziel. | |
Bild: „Zu viele Rettungswesten“: Italien hält das Rettungsschiff Sea Watch… | |
Rom taz | Das deutsche Seenotrettungsschiff „Sea Watch 4“ wurde am Sonntag | |
von den italienischen Behörden im Hafen von Palermo festgesetzt. Der Grund: | |
angebliche Sicherheitsmängel. | |
Am Freitag erhielt das Schiff den Befehl, in den sizilianischen Hafen | |
einzulaufen, am Sonntag folgte dann die Entscheidung, die die Crew | |
befürchtet hatte – die „Sea Watch 4“ liegt vorerst an der Kette. Das | |
ehemalige Forschungsschiff sei nicht für Rettungsaktionen zugelassen, | |
argumentieren die italienischen Behörden. Es habe „zu viele“ Rettungswesten | |
an Bord, auf der anderen Seite sei das Abwassersystem zu schwach ausgelegt. | |
Italiens Bedenken zur Sicherheit an Bord waren weit geringer, als das | |
Schiff Ende August mit 353 Geretteten tagelang auf die Zuweisung eines | |
Hafens warten musste. Schließlich hatte die Regierung in Rom am 2. | |
September gestattet, dass die Menschen in Palermo von Bord gehen – stolze | |
elf Tag nach der Rettung der ersten Flüchtlinge. Elf Tage, in denen sich im | |
italienischen Staatsapparat niemand so recht Sorgen machen wollte über die | |
„Sicherheit“ der Menschen auf dem völlig überfüllten Schiff. | |
[1][Die Geflüchteten wurden seinerzeit auf das im Hafen von Palermo | |
ankernde Quarantäneschiff „Allegra“ („Die Fröhliche“) gebracht,] wäh… | |
die 27-köpfige Besatzung angewiesen wurde, eine 14-tägige Quarantäne an | |
Bord der „Sea Watch 4“ einzuhalten. Nun folgte die Inspektion. | |
## Der Weg administrativer Schikanen | |
Italien verfolgt damit, so kristallisierte es sich in den letzten Monaten | |
heraus, ein festes Muster, das sich nur punktuell von der [2][Politik des | |
Lega-Chefs Matteo Salvini („geschlossene Häfen!“]) in seiner Zeit als | |
Innenminister bis zum August 2019 unterscheidet. | |
Erstens wird den NGO-Schiffen tage-, ja manchmal wochenlang das Einlaufen | |
verweigert, weil sowohl Italien als auch Malta ihnen keinen „sicheren | |
Hafen“ zuweisen wollen. Und zweitens werden die Rettungsschiffe an die | |
Kette gelegt, nachdem ihnen dann doch das Anlanden der Migrant*innen | |
gewährt worden ist. | |
Gleich fünfmal in den letzten fünf Monaten schritt der italienische Staat | |
aufgrund von „Sicherheitsmängeln“ zur Blockade von Schiffen. Hier liegt der | |
Unterschied zu Salvini: Der versuchte die Crews, wie im Fall der deutschen | |
Kapitänin Carola Rackete, direkt zu kriminalisieren. | |
Die von der Anti-Establishment-Bewegung der Fünf Sterne und der gemäßigt | |
linken Partito Democratico (PD) getragene Regierung geht den Weg | |
administrativer Schikanen. Der zweite Unterschied besteht darin, dass | |
Salvini die geretteten Flüchtlinge unter großem Mediengetöse auf offener | |
See blockierte, während die gegenwärtige Regierung dies alles still und | |
leise macht. | |
## Kein sicherer Hafen | |
Für die verzweifelten Menschen an Bord der Rettungsschiffe ist dieser | |
Unterschied allerdings keiner. So erhielt das spanische NGO-Schiff „Open | |
Arms“ am letzten Freitag endlich nach zehn Tagen die Erlaubnis, mit 150 aus | |
Seenot Geretteten in den Hafen von Palermo einzulaufen, allerdings wohl | |
auch nur, [3][weil an den beiden Vortagen insgesamt schon 124 Menschen über | |
Bord gesprungen waren], um schwimmend das eineinhalb Kilometer entfernte | |
Palermo zu erreichen. | |
Am Sonntag meldete die „Alan Kurdi“, das Schiff der deutschen NGO Sea Eye, | |
wiederum die Rettung von 133 Menschen in drei Aktionen. Auch die „Alan | |
Kurdi“ war zuvor vier Monate lang von den italienischen Behörden | |
festgesetzt worden, und auch sie erhielt keine Antwort auf die Bitte um | |
Zuweisung eines sicheren Hafens. | |
Dass Italien wirklich alle Anstrengungen unternimmt, um die private | |
Seenotrettung im Mittelmeer zu unterbinden, zeigt schließlich auch die | |
Tatsache, dass die Behörde für die Zivilluftfahrt, Enac, am 8. September | |
dem von Sea Watch eingesetzten [4][Flugzeug Moonbird weitere Starts von | |
Lampedusa für Aufklärungsflüge über der Straße von Sizilien untersagte]. | |
20 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.evangelisch.de/blogs/seenotizen/174420/04-09-2020 | |
[2] /Kommentar-Geschlossene-Haefen-Italiens/!5575667/ | |
[3] https://apps.derstandard.de/privacywall/story/2000120099979/48-open-arms-mi… | |
[4] https://www.infomigrants.net/en/post/27157/italy-grounds-moonbird-plane-use… | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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