# taz.de -- Endlagerung von Atommüll: 194.157 mögliche Quadratkilometer | |
> Über die Hälfte Deutschlands eignet sich geologisch als Standort für ein | |
> Atommüll-Endlager. Die Auswahl soll transparent verhandelt werden. | |
Bild: Wohin geht die Reise in Zukunft? Castortransport in Dannenberg, im Novemb… | |
Die taz zumindest hat Glück: Der Boden unter der Berliner Friedrichstraße | |
ist nicht geeignet, für eine Million Jahre sicher den deutschen Atommüll zu | |
lagern. Das geht aus einer Karte hervor, die die Bundesgesellschaft für | |
Endlagerung (BGE) am Montag in ihrem lang erwarteten „Zwischenbericht | |
Teilgebiete“ veröffentlicht hat. Wer will, kann auf der [1][interaktiven | |
Übersicht] sehen, ob seine Region möglicherweise zum Standort des deutschen | |
Atom-Endlagers werden kann. | |
Dafür kommen immerhin 194.157 Quadratkilometer, 54 Prozent der Fläche | |
Deutschlands, infrage. Diese 90 „Teilgebiete“ bilden nun „den Ausgangspun… | |
für die weiteren Arbeiten im Standortauswahlverfahren“, hieß es von der | |
BGE. Ab jetzt soll auf diesen Flächen ernsthaft nach einem Standort für ein | |
atomares Endlager für 10.500 Tonnen hochradioaktiven Müll gesucht werden – | |
und nebenbei möglicherweise noch für ein zweites Lager für etwa 300.000 | |
Kubikmeter mittel- und schwachstrahlenden Müll aus dem Asse-Bergwerk. Das | |
bisher als [2][Endlager festgelegte Gorleben ist nicht unter den geeigneten | |
Orten angegeben]. | |
Die Gebiete mit ausreichenden Formationen von Ton, Salz oder Kristallin, | |
die die BGE nach einer dreijährigen Datenanalyse definiert hat, erstrecken | |
sich über weite Teile von Nord-, Süd- und Ostdeutschland (siehe Karte). | |
Platz ist also genug im Untergrund, „Deutschland ist gesegnet mit allen | |
Wirtsgesteinen“, sagte BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz. | |
Entstehen soll ein großes unterirdisches Bergwerk, mindestens 300 Meter und | |
höchstens 1.500 Meter unter der Oberfläche. Das „Wirtsgestein“ muss | |
mindestens 100 Meter dick sein. Dort sollen ab 2050 die heißen, | |
gefährlichen und stark strahlenden Abfälle entsorgt werden, die bisher in | |
Zwischenlagern an den Atomkraftwerken stehen. Wie, wann und in welchen | |
Behältern die Endlagerung genau passieren soll, ist noch unklar. | |
Der Bericht nennt die verschiedenen Vor- und Nachteile der Gesteinsarten: | |
Im Ton gibt es 12 geeignete Gebiete mit einer Gesamtfläche von 131.000 | |
Quadratkilometern. Das Gestein lässt Gase, Flüssigkeiten und strahlende | |
Teilchen kaum durch – verliert aber bei großer Wärme diese | |
Barrierefunktion. Ein Endlager in Ton hätte eine unterirdische Ausdehnung | |
von 10 Quadratkilometern. | |
Im Salz wäre ein Bergwerk nur 3 Quadratkilometer groß, es gibt 162 | |
geeignete Orte auf 36.000 Quadratkilometern. (Die Standorte können sich | |
überlappen.) Der Vorteil: Salz ist dicht gegen Wasser und Gase, leitet die | |
Wärme gut ab und kann Risse im Gestein selbst schließen. Nachteil: | |
Wassereinbrüche wären ein Problem, die radioaktive Teilchen austreten | |
lassen können. Und Kristallin, darunter Granit, ist fest, gut gegen Wasser | |
und Hitze gewappnet – aber es hat Probleme mit zerklüfteten Strukturen. | |
Für die Bewertung hat die BGE zuerst im Ausschlussverfahren Regionen | |
eliminiert, die etwa wegen Bergbau, Vulkanismus oder jungen Grundwassers | |
ungeeignet sind. Im zweiten Schritt wurden die Regionen ausgesiebt, die den | |
Mindestanforderungen wie Tiefe, Ausdehnung und Gesteinsdicke nicht | |
entsprechen. Und in einem dritten Schritt wurden „geologische | |
Abwägungskriterien“ berücksichtigt, etwa die Reaktion des Gesteins auf die | |
Wärme aus den Lagerbehältern und die langfristige Stabilität des Gesteins. | |
Mit dem Bericht der BGE beginnt nun ernsthaft die Suche nach einem | |
Endlager. Mitte Oktober soll der Bericht in einer „Fachkonferenz“ in Kassel | |
und danach auf drei weitere Konferenzen mit der Öffentlichkeit debattiert | |
werden. Später soll die BGE entscheiden, welche Gegenden an der Oberfläche | |
näher untersucht werden. Dann sollen mindestens zwei Gebiete auch | |
unterirdisch erkundet werden. Nach dem „Standortauswahlgesetz“ sollen 2031 | |
Bundestag und Bundesrat über einen Standort entscheiden. Ab 2050 soll | |
demnach das Endlager fertig sein – allerdings rechnen viele ExpertInnen mit | |
Verzögerungen auf dem Weg. | |
## Nur schlechte Lösungen | |
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte das Verfahren und | |
erklärte, die „Voraussetzungen für ein möglichst sicheres Endlager sind | |
gegeben“. Dem widersprach der Atomexperte von Greenpeace, Heinz Smital. Bei | |
der Lagerung von Atommüll gäbe es keine guten, „sondern nur schlechte und | |
noch schlechtere Lösungen“, [3][das Verfahren werde schwierig und | |
konfliktträchtig bleiben]. Ähnlich kritisierte auch Jochen Stay von der | |
Anti-Atom-Initiative „ausgestrahlt“. Statt echter Einbindung der | |
betroffenen Menschen gebe es nur eine „Pseudobeteiligung“. „Die BGE | |
entscheidet selbst, ob sie die Einwände gegen ihre eigenen Ergebnisse ernst | |
nehmen möchte oder nicht“, sagte er. Zudem kritisiert Stay, dass die | |
Kriterien, anhand derer die verbliebenen Standorte im weiteren Verfahren | |
gemessen werden, nicht gewichtet sind. „Damit besteht die Gefahr, dass am | |
Ende nicht der Standort ausgewählt wird, der am besten geeignet ist, | |
sondern der, der die kleinste Hausmacht im Bundestag hat“, so Stay. | |
Für ein geordnetes Verfahren brauche es mehr Einsatz der Bundesregierung, | |
forderte das „nationale Begleitgremium“ (NBG), das die Endlagersuche | |
begleitet und transparent gestalten soll. Es fehle an Geld, damit das NBG | |
seine Aufgaben lösen und eine „Transparenzlücke schließen“ könne. | |
28 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://experience.arcgis.com/experience/b8ec642296ef48a19afc9759d4b757ee/ | |
[2] /Zwischenbericht-fuer-Atomendlager/!5716898 | |
[3] /Gorleben-wird-kein-Endlager/!5716928 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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