| # taz.de -- Umweltminister über Endlagersuche: „Es darf sich niemand wegduck… | |
| > Was nun? Schleswig-Holsteins Energie- und Umweltminister Jan Philipp | |
| > Albrecht (Grüne) über die Suche nach einem Endlager in Norddeutschland. | |
| Bild: Deckel lieber drauf lassen: Jan Philipp Albrecht 2019 bei einem Besuch im… | |
| taz: Herr Albrecht, doofe Lage – Sie als Gegner der Atomkraft müssen sagen, | |
| dass Sie sich bei der Endlagerfrage nicht vor der Verantwortung wegducken | |
| wollen und auf das Verständnis der Bevölkerung hoffen, korrekt? | |
| Jan Philipp Albrecht: Ich bin neben der Asse aufgewachsen und entsprechend | |
| sozialisiert. Aber das ist jetzt nicht der Punkt. Es geht darum, den | |
| Atommüll, den wir über Jahrzehnte produziert haben, so gut wie irgend | |
| möglich zu entsorgen. Dabei kann und darf sich niemand wegducken, | |
| Schleswig-Holstein genauso wenig wie Bayern. | |
| Der Freistaat lehnt ein Endlager auf seinem Territorium rundweg ab – wie | |
| gehen Sie mit dieser Boris-Johnson-haften Strategie um? | |
| Der bayerische Ministerpräsident hat angekündigt, nicht in,Totalblockade' | |
| gehen zu wollen. Das klingt deutlich moderater als zuletzt, aber ist auch | |
| eine Selbstverständlichkeit. Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung zu dem | |
| Auswahlverfahren, auf die sich alle Länder und der Bund geeinigt haben. Aus | |
| gutem Grund haben wir beschlossen, die Endlagerfrage an wissenschaftliche | |
| Kriterien zu knüpfen. Es ist nicht akzeptabel, dass ein Standort politisch | |
| bestimmt wird. | |
| Wie passt dazu, dass Gorleben raus ist? Ist das politisch begründet? | |
| Nein, das darf und kann nicht sein. Ich gehe davon aus, dass es sich um | |
| eine fachliche Entscheidung handelt. Fachleute zweifeln seit Jahren an der | |
| Eignung von Gorleben, weil sich dort, wie bei Salzstöcken häufig, Fragen | |
| nach der Stabilität der Deckschichten stellen. | |
| Ließe sich eine Kompensation vereinbaren? Der Norden nimmt das Endlager, | |
| der Süden baut Windstromleitungen und Schleswig-Holstein wird zentraler | |
| Wasserstoff-Standort? | |
| Das ist für mich ausgeschlossen: Mit abgebrannten Brennstäben dealt man | |
| nicht. Wir alle müssen damit leben, dass es diesen Müll gibt und wir ihn | |
| sicher lagern müssen. Damit es Akzeptanz für ein Endlager gibt, braucht es | |
| ein klares Verfahren, das die zuständigen Bundesbehörden leiten und in das | |
| die betroffenen Gemeinden einbezogen sind. | |
| Welche Orte in Schleswig-Holstein könnten das sein? | |
| Auf den Karten der Bundesgesellschaft für Endlagerung ist mehr als die | |
| Hälfte der Landesfläche markiert, so wie bundesweit in anderen Regionen | |
| auch. Es handelt sich um einen ersten Schritt, in dem es um den Ausschluss | |
| von ungeeigneten Flächen geht. Die Frage, welche Standorte tatsächlich | |
| geeignet wären, folgt im weiteren Verfahren. | |
| Geht es ein bisschen genauer? In Ihrem Ministerium wird man sich dazu doch | |
| Gedanken gemacht haben? | |
| Der Bund mit seinen Behörden leitet das Verfahren. Die Länder haben in | |
| diesem Prozess keine eigene Rolle, wir achten nur darauf, dass der Bund die | |
| Regeln einhält. In Schleswig-Holstein gibt es Salzstöcke und Tonflächen, | |
| aber das ist noch lange keine Entscheidung für einen Standort. | |
| Einen Standort haben wir im Land bereits, nämlich das nicht | |
| gesetzeskonforme Zwischenlager in Brunsbüttel. Katapultiert das den Ort an | |
| die Spitze der Liste, steht Brunsbüttel überhaupt drauf? | |
| Genau diese Fragen müssen wir anhand der Karten genauer prüfen – wir haben | |
| sie gerade erst bekommen. Klar ist: Gerade die Zwischenlager zwingen uns, | |
| dauerhafte Lösungen zu finden. Es kann nicht sein, dass wir auf unbestimmte | |
| Zeit diesen gefährlichen Abfall zwischenlagern. | |
| Auf welchen Standort es auch hinausläuft, dort wird es Widerstand geben. | |
| Wie gehen Sie mit Protestcamps und Straßenblockaden um? | |
| Ich kann jeden sehr gut verstehen, der auf die Straße geht, das habe ich | |
| selbst auch getan. Aber wir haben es geschafft, aus der Atomenergie | |
| auszusteigen, und ein Teil des Ausstiegs ist die sichere Lagerung des | |
| Abfalls. Ich bin überzeugt, dass grade die Kritiker*innen der Atomtechnik | |
| sich dafür einsetzen, dass die Castoren sicher gelagert werden. Daher | |
| werden sich Proteste anders äußern. | |
| Ist das nicht ein frommer Wunsch? Wir erleben bereits Widerstand bei der | |
| Lagerung von Schutt aus dem Rückbau von AKWs. Sie wollen die Baureste | |
| zwangsweise in der städtischen Deponie Lübeck unterbringen. Wird die | |
| einstige Anti-AKW-Partei zur Endlager-Durchsetzungs-Partei? | |
| Nein. Wir haben immer darauf gedrängt, dass Fakten und Tatsachen zählen. | |
| Atom ist teuer, gefährlich, birgt hohe Risiken. Doch klar ist auch, dass | |
| bei der Entsorgung der Fokus auf dem radioaktiven Müll liegt. Was beim | |
| Rückbau der Werke übrig bleibt und freigemessen wird, ist | |
| strahlenschutztechnisch unbedenklich. Wir müssen deutlich machen, dass es | |
| diesen Unterschied gibt. Dafür stellen wir sicher, dass die Freimessungen | |
| nach höchsten Kriterien erfolgen, und auch bei der Deponierung gilt die | |
| höchste Sicherheit, obwohl ich überzeugt bin, dass dieser Müll weniger | |
| strahlt als die normale Umgebung. | |
| Die Reaktion in den betroffenen Orten zeigt, dass die Menschen das nicht so | |
| sehen. Nochmals: Sie haben selbst gegen Asse protestiert, demnächst müssen | |
| Sie Polizei gegen Demonstrierende schicken – was macht das für Sie, was | |
| macht das mit den Grünen? | |
| Der große Unterschied ist, dass Atomkraft in Dissens auf den Weg gebracht | |
| wurde. Jetzt gibt es einen Konsens für den Ausstieg, auch die Suche nach | |
| dem Endlager ist in Konsens verabschiedet worden. Ich bin davon überzeugt, | |
| dass die meisten Menschen darauf drängen, dass das Verfahren nach den | |
| beschlossenen Kriterien durchgeführt wird und dann das Ergebnis | |
| akzeptieren. Ich verstehe, dass niemand so ein Lager in seiner | |
| Nachbarschaft haben will. Aber wir müssen Verantwortung übernehmen. | |
| Sind die Grünen – als Landesminister*innen oder Bundeskanzler*in – die | |
| Richtigen, um die Endlagerfrage zum Abschluss zu bringen? | |
| Wir als Grüne haben ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit, wenn es darum geht, | |
| die frühere verfehlte Politik in die richtigen Bahnen zu lenken. Wir waren | |
| nicht verantwortlich, aber wir werden heute nicht am Rand stehen und | |
| Däumchen drehen, sondern aktiv an der bestmöglichen Lösung arbeiten. | |
| Dann müsste es Sie freuen, wenn das Endlager nach Schleswig-Holstein kommt? | |
| Es kommt nicht auf Freude an, bei dem Thema habe ich noch nie Freude | |
| empfunden. Die Asse habe ich immer als Belastung erlebt, meine Heimat | |
| leidet massiv unter diesem falschen Weg. Aber ich hoffe auf den | |
| bestmöglichen Abschluss. | |
| 29 Sep 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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