# taz.de -- Gorleben wird kein Endlager: „Hier wird nicht gefeiert“ | |
> Als Endlager für hochradioaktiven Atommüll kommt Gorleben nicht infrage. | |
> Zum Feiern ist Wolgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg aber nicht | |
> zumute. | |
Bild: Proteste gegen den Castortransport nach Gorleben im November 2010 | |
taz: Aus. Vorbei. Gorleben ist raus – amtlich bestätigt. Der Salzstock im | |
Wendland wird kein Standort für ein deutsches Endlager für hochradioaktiven | |
Atommüll. Herr Ehmke, feiert das Wendland heute? | |
Wolfgang Ehmke: Nein, hier wird nicht gefeiert. Wir müssen uns auch erst | |
noch sortieren. Bis zum Schluss haben wir befürchtet, Gorleben könnte als | |
eine Art Rückfalloption erhalten bleiben. Es gab entsprechende Signale. Ja, | |
jetzt haben wir es tatsächlich schwarz auf weiß: Die [1][BGE | |
(Bundesgesellschaft für Endlagerung)] schließt Gorleben aus. | |
Dafür kommen jetzt jede Menge anderer Standorte in Deutschland infrage. | |
Wir haben immer gesagt: Der Umgang mit Gorleben ist eine Art Lackmustest. | |
Wir freuen uns, dass wir uns durchgesetzt haben. Jetzt kann man hoffen, | |
dass dieses Suchverfahren wirklich wissenschaftsbasiert und fair | |
vorangetrieben wird. Einiges deutet aber daraufhin, dass das weiter nicht | |
der Fall sein wird. Wir haben den Eindruck, dass es für die betroffenen | |
Regionen keine ausreichende wissenschaftliche Expertise gibt und die | |
Debatte nicht auf Augenhöhe geführt wird. Wir stehen da solidarisch mit den | |
betroffenen Regionen. | |
Sie wollen den Widerstand an anderen Standorten unterstützen? Irgendwo muss | |
der Atommüll doch hin. | |
Natürlich, wir sind keine Atommüllgegner. Das Zeug ist ja da. Wir sind | |
AtomkraftgegnerInnen und haben bei all unseren Protesten um Gorleben und | |
die Castortransporte stets betont, dass Atomkraft insgesamt ein | |
Auslaufmodell ist. Wenn wir jetzt sagen, wir unterstützen andere | |
Initiativen, dann heißt das: Wir können unsere Erfahrungen einbringen und | |
auf Schwachpunkte hinweisen. Wir wollen aber nicht das Suchverfahren an | |
sich torpedieren. | |
Ist das Aus von Gorleben wirklich allein dem [2][Widerstand im Wendland] zu | |
verdanken? Oder waren jetzt doch wissenschaftliche Erkenntnisse | |
ausschlaggebend für diese Entscheidung? | |
Das Moratorium, das es unter der rot-grünen Bundesregierung in den 2000er | |
Jahren gab, hat sicherlich mit zum Aus von Gorleben als Endlagerstandort | |
beigetragen. Aber ohne den jahrzehntelangen Widerstand wären wir nie so | |
weit gekommen. Die Proteste gegen die letzten beiden Castortransporte 2010 | |
und 2011 haben zu einem Umdenken in der Regierung beigetragen. Peter | |
Altmaier war Umweltminister und hat gemerkt: Mit Polizeigewalt lässt sich | |
das Endlager nicht durchsetzen. | |
43 Jahre Widerstand sind eine lange Zeit. Der Protest gegen den Atommüll | |
hat das Wendland sehr geprägt. Empfinden Sie nicht auch Wehmut, wenn der | |
Hauptanlass nun wegfällt? | |
Nein, wir brauchen dieses Endlager wirklich nicht. Natürlich war dieser | |
Widerstand identitätsstiftend für diese Region. Wir haben | |
Atomausstiegsgeschichte geschrieben. Aber wir sind ja weiterhin | |
Atommüllstandort. Hier stehen zwei Zwischenlager, eins für die | |
hochradioaktiven Abfälle mit 103 Castoren, das andere für mittelradioaktive | |
Abfälle. Uns stört, dass dieses Suchverfahren auch nur für die | |
hochradioaktiven Abfälle neu gestartet wird, nicht für alle Arten von | |
Atommüll. | |
Sie selbst sind auch schon viele Jahrzehnte bei der wohl landesweit | |
berühmtesten Bürgerinitiative aktiv. Beruflich sind Sie schon im Ruhestand. | |
Können Sie sich das auch für ihr Engagement im Widerstand vorstellen? | |
Nein. Selbst wenn wir das Atommülllager abgehakt bekommen, haben wir immer | |
noch genug zu tun. Wir könnten uns mehr um das Thema Klimakrise kümmern. | |
Wir sind ja die Bürgerinitiative Umweltschutz. So etwas wie Ruhestand gibt | |
es für mich nicht. Unruhestand ist meines Erachtens die richtige | |
Lebensweise. | |
28 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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