# taz.de -- Zwischenbericht für Atomendlager: Gorleben soll leben | |
> Halb Deutschland ist nach dem Bericht der zuständigen Gesellschaft BGE | |
> für ein atomares Endlager geeignet – aber nicht Gorleben. | |
Bild: Jahrzentelanger Protest hat Erfolg: Junge Frau beim Anti-Castor-Protest 2… | |
Berlin taz | Die Suche nach einem [1][atomaren Endlager in Deutschland] hat | |
mit einer Überraschung und einem Erfolg der Umweltbewegung begonnen. Der | |
umstrittene Standort im niedersächsischen Gorleben ist nach [2][dem | |
„Zwischenbericht Teilgebiete“, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung | |
(BGE) am Montag vorgestellt] hat, aus geologischer Sicht ungeeignet und | |
wird ausgeschlossen. „Der Salzstock Gorleben wird daher nicht bei den | |
weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen | |
betrachtet“, heißt es in der Presserklärung der BGE. Das ist genau das, was | |
AtomkritikerInnen seit Jahrzehnten fordern. | |
Dagegen ist laut BGE-Bericht mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands | |
nach geologischen Kriterien für ein atomares Endlager geeignet: 54 Prozent | |
oder insgesamt 194.157 Quadratkilometer erfüllen die Bedingungen, um die | |
hochradioaktiven Abfälle für eine Million Jahre sicher zu lagern. | |
Diese 90 „Teilgebiete“ bilden nun „den Ausgangspunkt für die weiteren | |
Arbeiten im Standortauswahlverfahren“, heißt es. Die Gebiete mit | |
ausreichenden Formationen von Ton, Salz oder Kristallin erstrecken sich | |
über weite Teile von Nord-, Süd- und Ostdeutschland. Der Westen, die | |
Gebiete südlich der Donau und der äußerste Nordosten an der polnischen | |
Grenze gelten dagegen zu großen Teilen als ungeeignet. | |
Grundlage der Bewertung für die BGE waren die Daten von Behörden und | |
Unternehmen zum Untergrund in Deutschland. Obwohl zwischenzeitig umstritten | |
war, wie belastbar diese Daten sind, betont nun die BGE, sie habe genug | |
Daten zur Bewertung aller Gebiete gehabt. | |
## Ausschlussverfahren in drei Schritten | |
Für die Bewertung hat die BGE zuerst im Ausschlussverfahren Regionen | |
eliminiert, die etwa wegen Bergbau, Vulkanismus oder jungem Grundwasser | |
ungeeignet sind. Im zweiten Schritt wurden die Regionen ausgesiebt, die den | |
Mindestanforderungen nicht entsprechen: Mindestens 300 Meter unter der | |
Erde, ein starkes Deckgebirge, ausreichend Platz von mehreren | |
Quadratkilometern für ein Atom-Bergwerk unter der Erde. Und in einem | |
dritten Schritt wurden „geologische Abwägungskriterien“ berücksichtigt, | |
etwa die Reaktion des Gesteins auf die Wärme aus den Lagerbehältern, der | |
mögliche Transport von strahlenden Stoffen durch Grundwasser und die | |
langfristige Stabilität des Gesteins. Übrig blieben dann die 90 Gebiete, | |
die sich teilweise überlappen. | |
Mit dem Bericht der BGE beginnt nun ernsthaft die Suche nach einem Endlager | |
für den hochradioaktiven Müll, der sich nach Abschaltung des letzten | |
Atomkraftwerks Ende 2022 auf etwa 10.500 Tonnen addieren wird. Mitte | |
Oktober soll der Bericht in einer „Fachkonferenz“ in Kassel und danach auf | |
drei weitere Konferenzen mit der Öffentlichkeit debattiert werden. Später | |
soll die BGE entscheiden, welche Gegenden an der Oberfläche näher | |
untersucht werden. | |
Dann sollen mindestens zwei Gebiete auch unterirdisch erkundet werden. Nach | |
dem „Standortauswahlgesetz“ sollen 2031 Bundestag und Bundesrat über einen | |
Standort entscheiden. Ab 2050 soll demnach das Endlager fertig sein – | |
allerdings rechnen viele ExpertInnen mit Verzögerungen auf dem Weg. | |
Den Ausschluss von Gorleben hatten viele Umweltverbände seit langem | |
gefordert. Der [3][BUND-Vorsitzende Olaf Band sagte erst vor zwei Wochen]: | |
„Nur wenn dieser größte Streitpunkt der deutschen Endlager-Debatte endlich | |
vom Tisch kommt, kann eine tatsächlich qualifizierte Standortsuche | |
beginnen. Ansonsten wird es als Rückfalloption den Suchprozess immer weiter | |
vergiften. Auch die 1,9 Milliarden Euro, die bislang in die Erkundung von | |
Gorleben gesteckt worden sind, wiegen die Sicherheitsmängel nicht auf.“ | |
Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg meinte damals, | |
die Daten über den Salzstock Gorleben könnten „aus unserer Sicht nur dazu | |
führen, dass der bisherige Standort schon im ersten Vergleichsschritt wegen | |
seiner geologischen Mängel aus dem Endlagersuchverfahren herausfliegt.“ Das | |
hat sich nun bestätigt. | |
## Die bayerische Regierung hält ihr Bundesland für ungeeignet | |
Gegenwind für das Ende von Gorleben und das gesamte Verfahren kommt aus | |
Bayern. Die Regierung von CSU und Freien Wählern hat in ihrem | |
Koalitionsvertrag 2019 festgeschrieben, dass das Kristallingestein in | |
Bayern nicht für ein Endlager taugen solle – was der BGE-Bericht nun nach | |
wissenschaftlichen Kriterien widerlegt. | |
Erst letzte Woche hatte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber das | |
Verfahren in Frage gestellt. Der Suchprozess werde „über Jahrzehnte in | |
Deutschland für Unruhe sorgen und Milliarden kosten“. In Gorleben habe man | |
„nur aus politischen Gründen den Schlüssel abgezogen“. Dem widerspricht n… | |
der BGE-Bericht ebenfalls. | |
Für das Verfahren machte sich auch Grünen-Chef Robert Habeck stark. [4][Im | |
Morgenmagazin der ARD sagt er am Montag,] es sei für das Vertrauen der | |
Bevölkerung wichtig, dass die Kriterien „von der Wissenschaft festgelegt | |
wurden, ohne politischen Einfluss.“ Ein Endlager im eigenen Wahlkreis zu | |
haben sei nicht angenehm, „aber wenn das der sicherste Standort wäre, würde | |
ich auch in meinem Wahlkreis sagen: Das ist nicht schön, muss aber sein“, | |
so Habeck. Er hatte als Mitglied der „Endlagerkommission“ des Bundestags | |
2016 das jetzige Verfahren mit angeschoben. | |
28 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Suche-nach-Endlager-fuer-Atommuell/!5711317 | |
[2] https://www.bge.de/de/endlagersuche/zwischenbericht-teilgebiete/ | |
[3] /Umweltverband-warnt/!5706935 | |
[4] https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/pol… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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