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# taz.de -- Klimafreundliche Stadtentwicklung: Die letzte Chance der Stadt
> Städte erhitzen sich deutlich stärker als das Land. Aber Stadtplanung und
> Architektur könnten vom Problem zur Lösung werden – wir müssen nur
> anfangen.
Bild: So sollte die Zukunft aussehen: Der Hamburger Rathausmarkt hinter Palmen
Hamburg taz | Erkennen Sie auf dem Foto den Rathausmarkt wieder? Hamburgs
Wahrzeichen als grünes Biotop, umringt vom Einheitsgrau der Innenstadt: Ein
Paradies für Vögel und Insekten und ein Ruheort für gestresste Stadtbürger?
Die meisten von Ihnen würden auf ein solches Vorhaben wohl reagieren mit:
„Wie könnt ihr es wagen, den Ort meines letzten Glühweinrausches
anzurühren?! Irgendwann ist mal gut!“
Aber sind es nicht genau diese Denkbarrieren, die uns als
(Stadt-)Gesellschaft daran hindern, Hamburg endlich konsequent so
weiterzuentwickeln, dass unser Handeln der 1,5-°C-Grenze globaler Erhitzung
gerecht wird? Die Klimakrise stellt uns vor immense Herausforderungen. Wir
müssen deshalb viel schneller handeln – und die Stadtplanung spielt hierbei
eine herausragende Rolle. Jede/r von uns weiß um die Hitzewellen, den
Starkregen und das Verschwinden der Insekten. Um also auf unseren neuen
Rathausdschungel zurückzukommen: Warum denn eigentlich nicht?
Ein Blick auf die blanken Fakten verdeutlicht uns unsere Verantwortung als
Hafenstadt. Denn die globale Klimaerhitzung wird maßgeblich durch Städte
und ihren Ressourcenverbrauch verursacht. Bis zu 80 Prozent der weltweiten
CO2-Emissionen sind urbanen Ballungsräumen und ihren Bevölkerungen
zuzurechnen. Deshalb müssen auch lokale Antworten zur Bekämpfung der
Klimakrise und des Artensterbens gefunden werden.
Unterdessen heizt das wachsende Hamburg die Klimakrise weiter an. Die
Sektoren Bauen und Wohnen sind für einen großen Teil der Treibhausgase
verantwortlich. Dem will der Senat unter anderem mit einer Solarpflicht
entgegenwirken, die aber viel früher wirken müsste als erst 2023.
## Wichtig ist das Herunterkühlen der Städte
Gleichzeitig ist es zwingend notwendig, ab sofort den gesamten
Gebäudebestand bis zum Jahr 2035 energetisch zu sanieren. Weiter fordert
Fridays For Future (FFF), dass die Politik nachhaltige Heizsysteme und
Bauweisen fördert und den Bestandsschutz gegenüber Neubauten stärkt. Auch
müssen energetische Standards vorgeschrieben werden, unter denen die
Klimaneutralität 2035 erst ermöglicht wird.
Zudem müssen wir uns auf immer drastischere Klimafolgen einstellen. Und
auch hier muss eine mutigere Stadtplanung ihren Beitrag leisten. Städte
erhitzen sich angesichts ihrer versiegelten Flächen und dichter Bebauung
deutlich stärker als das Land. Hierbei spricht man vom sogenannten
Wärmeinseleffekt. Denn auch nachts wirkt die Sommerhitze, wenn Gebäude und
Straßen die gespeicherte Wärme des Tages wieder abgeben. In Hamburg liegt
der mittlere Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland zwischen Mai
und Oktober bei bis zu 3 °C. Wenn schon heute das Problem eklatant ist, was
wird uns die sich verschärfende Klimakrise bescheren?
Klar ist bereits: Die Tage mit einer Durchschnittstemperatur von über 30 °C
werden sich bis 2050 voraussichtlich verdoppeln, von sechs auf zwölf Tage.
Für viele Menschen sind diese Hitzewellen tödlich. Umso wichtiger ist das
konsequente Herunterkühlen der Stadt. Nur durch eine neue großflächige
Begrünung von Gebäuden und Plätzen kann auch dem Insektensterben Einhalt
geboten werden.
Diese Gedanken sind nicht neu: Schon seit 2014 gibt es eine
Gründdachstratgie, die innerhalb von zehn Jahren 100 Hektar Dachfläche
begrünen möchte. Geschafft sind erst 30 Hektar. Und das ist ein Problem.
Eigentlich müssten StadtplanerInnen, ArchitektInnen und die öffentliche
Verwaltung eine Stadtentwicklung gemäß des Paris-Abkommens zum Leitbild
ihrer Arbeit machen und bei jeder Entscheidung die CO2-Vermeidung und die
Anpassung an die Klimafolgen bedenken. Hierbei müsste unbedingt
fachübergreifend und kooperativ gedacht werden.
Doch warum ist es dann im Jahr 2020 noch immer eine Besonderheit, wenn ein
Haus mit nachhaltigen Materialien gebaut wird, wie nun bei einem
ausgezeichneten Projekt im Baakenhafen? Warum ist es heute noch neuartig,
es für die Artenvielfalt zu begrünen? Aus dieser Besonderheit muss endlich
eine Notwendigkeit und Pflicht werden! Stattdessen wird verdichtet,
versiegelt und klimaschädlich gebaut, um der sich immer weiter drehenden
Mietpreisspirale etwas entgegenzusetzen.
Doch warum bepflanzen wir nicht das Heiligengeistfeld mit Apfelbäumen?
Warum bauen wir nicht zwingend klimaneutral? Warum verlaufen in den
Colonnaden keine Pflanzstreifen? Warum verlegen wir unsere Parks nicht auf
miteinander verbundene Dächer? Warum pflanzen wir nicht blütenreiche
Wildwiesen an der Alster? Warum ranken sich keine Schlingpflanzen um die
tanzenden Türme? Die Klimakrise wartet nicht. Wir müssen handeln. Jetzt.
Max, 23, ist Politikstudent und seit 1,5 Jahren Klimaaktivist.
25 Sep 2020
## AUTOREN
Maximilian Herzog
## TAGS
Stadtentwicklung
Stadtplanung
Hamburg
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit
Schwerpunkt Klimawandel
Architektur
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