# taz.de -- FFF-Aktivistin über Zusammenarbeit: „Mehr Aussicht auf Erfolg“ | |
> Fridays for Future (FFF) Oldenburg hat zusammen mit der Stadt einen | |
> Leitantrag erarbeitet, der Oldenburg klimaneutral machen soll. Klappt | |
> das? | |
Bild: Bei der Klimademo im September 2019 demonstrierten etwa 11.000 Menschen i… | |
taz: Frau Fleischhauer, hat sich Fridays for Future jetzt gegen die Straße | |
und für den institutionellen Weg entschieden, um für mehr Klimaschutz zu | |
kämpfen? | |
Yantin Fleischhauer: Wir sind innerhalb der Oldenburger Gruppe ganz | |
verschiedener Meinungen. Eine von uns hat durch den Prozess mit der Stadt | |
einen Platz im Ausschuss angeboten bekommen, dort werden auch unsere | |
Anträge verhandelt. Manche von uns betrachten das als Erfolg, andere halten | |
diesen Weg für zum Scheitern verurteilt. | |
Und was denken Sie? | |
Ich denke, wir sollten bei unserer zweispurigen Strategie bleiben. Wir | |
machen weiterhin Druck auf der Straße, wir wollen uns nicht von | |
Parteipolitik vereinnahmen lassen. Gleichzeitig ist es notwendig, sich | |
selbst mit den Verantwortlichen hinzusetzen und Lösungen zu erarbeiten. Wir | |
können nicht immer nur sagen: macht mal. | |
Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Oldenburg zustande gekommen? | |
Im April 2019 haben wir Forderungen an die Stadt formuliert. Zu unserer | |
Überraschung ist die dann auf uns zugekommen, und in Gesprächen entstand | |
die Idee für einen ersten Workshop. Bei dem haben Expert*innen und | |
Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung teilgenommen. Seitdem sind wir | |
immer wieder zusammengekommen und haben den Leitantrag ausgearbeitet. | |
Ähnelt der noch Ihren ursprünglichen Forderungen? | |
Nein, die Forderungen sind jetzt viel besser ausgearbeitet. Wir hatten | |
damals so etwa zehn Forderungen aufgestellt, die ehrlich gesagt nicht | |
umfassend wissenschaftlich fundiert waren. Jetzt haben wir insgesamt 106 | |
Beschlussvorlagen zusammen mit Sachverständigen erarbeitet. | |
Mit denen wird Oldenburg klimaneutral? | |
Die Pläne im Leitantrag reichen für ein klimaneutrales Oldenburg nicht aus, | |
das ist uns bewusst. In manchen Bereichen, wie Naturschutz und | |
Stadtplanung, sind sie zwar schon sehr ambitioniert, in anderen Bereichen, | |
zum Beispiel beim Thema Verkehr, ist allerdings noch Luft nach oben. Die | |
Idee der autofreien Stadt, für Klimaneutralität ein Muss, ist leider ganz | |
am Anfang schon rausgeflogen. Insgesamt wäre die Verwirklichung des Antrags | |
aber ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. | |
Wovon hängt die Verwirklichung denn dann ab? | |
Die Beschlussvorlagen, also die konkreten Ideen, müssen einzeln in einem | |
Ausschuss abgesegnet werden, dann kommen sie zur Abstimmung in den | |
Stadtrat. Jeden Monat sollen dann ein paar Beschlüsse gefasst werden. | |
Und bis wann sollen die Maßnahmen umgesetzt werden? | |
Der zeitliche Rahmen ist ein strittiges Thema mit der Politik. Eigentlich | |
wollten wir Oldenburg bis 2030 zur klimaneutralen Stadt machen. Von Seiten | |
der Politik wurde jedoch gleich zu Beginn der Gespräche der Wunsch | |
geäußert, sich nicht in Debatten über eine Terminierung zu verlieren, | |
sondern lieber über den Inhalt der Maßnahmen zu sprechen. Jetzt gibt es für | |
manche Maßnahmen Zeitziele, für andere noch nicht. | |
Schafft sich die Politik damit nicht ein Schlupfloch, die Umsetzung von | |
Zielen hinauszuzögern? | |
Wir finden, dass die Stadtverwaltung unserem Vorhaben gegenüber sehr | |
positiv gestimmt ist. Deshalb haben wir bei Aufträgen an die Verwaltung | |
keine großen Bedenken, dass diese unnötig herausgezögert werden. Doch | |
natürlich unterliegt die Verwaltung der Politik, und da kann sich ja immer | |
schnell etwas ändern. Wir haben tatsächlich Sorge davor, dass sich die | |
Beschlussfassung noch allzu lange hinzieht. Es kann sein, dass die letzten | |
Beschlüsse aus dem Leitantrag erst im Januar verabschiedet werden. Das wäre | |
ziemlich heikel für uns. | |
Warum? | |
Weil bereits im Herbst Kommunalwahlen anstehen. Der Leitantrag soll nicht | |
der Profilierung von Parteien dienen oder im Wahlkampf zum Erliegen kommen. | |
Was ist in der Zusammenarbeit mit der Stadt besonders anstrengend? | |
Wir haben schnell gelernt, was „politisches Feingefühl“ bedeutet. Nämlich, | |
dass hinter den Parteien Menschen stecken. Die Zusammenarbeit besteht sehr | |
viel aus Beziehungsarbeit, das kann schon mal anstrengend sein. Bis jetzt | |
haben wir aber hauptsächlich positive Erfahrungen gemacht und es bestand | |
beiderseits immer der Wille, Uneinigkeiten aus dem Weg zu räumen. Ansonsten | |
sind es die üblichen bürokratischen Hürden, die uns manchmal herausfordern: | |
Anträge korrekt gestalten, Fristen einhalten, so etwas eben. | |
Mit welchen Parteien arbeiten Sie überhaupt zusammen? | |
In den Workshops sind Vertreter*innen der SPD, Linken, CDU, Grünen, FDP und | |
der Fraktion aus Wählergemeinschaft für Oldenburg und Liberal-Konservative | |
Reformer (WFO-LKR). Die Zusammenarbeit ist mit allen positiv, aber | |
natürlich haben wir vor allem mit unseren direkten Ansprechpartner*innen | |
Kontakt und dementsprechend ein gutes Verhältnis. Das bildet nicht | |
unbedingt die Stimmung in der ganzen Partei ab. | |
Also gibt es manchmal Probleme mit den Parteien? | |
Einmal haben wir die CDU und SPD in einer Pressemitteilung kritisiert. Das | |
hat zu Unmut besonders bei der SPD geführt. Wir konnten jedoch durch | |
Gespräche mit der Fraktion wieder zueinander finden. | |
Was gefällt Ihnen insgesamt an der Zusammenarbeit? | |
Dass verschiedene Perspektiven zusammenkommen. Ich habe echt noch nie | |
erlebt, dass so viele unterschiedliche Akteur*innen so konstruktiv | |
miteinander gearbeitet haben, davon bin ich total begeistert. So kann man | |
viel komplexere Lösungen erarbeiten, etwa wenn es um die soziale Frage beim | |
Klimawandel geht. Und auch das Expertenwissen. | |
Gibt es weitere Beispiele? | |
Wir wollten zum Beispiel zuerst die Forderung stellen, Foodsharing | |
finanziell zu fördern. In einem Workshop haben uns dann aber | |
Sachverständige darauf hingewiesen, dass das nicht geht, da sich | |
Foodsharing häufig in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Jetzt haben wir | |
die Beschlussvorlage umformuliert und fordern nun als erstes die | |
Legalisierung. So hat das Projekt mehr Aussicht auf Erfolg. | |
15 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Marie Gogoll | |
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