# taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Schöne neue teure Welt | |
> Diese Woche kann man wieder beobachten, wie in Berlin alte Gemeinschaften | |
> zerdeppert werden, um vermeintlich bessere Gemeinschaften zu schaffen. | |
Bild: Auch nett: Community Raum bei einem Co-Living-Anbieter in Moabit | |
Berlin verändert sich weiter, und das rasant. Da, wo gestern noch ein paar | |
letzte graue Betonmauern an die DDR erinnerten, ragen heute schon schicke | |
Appartmenthäuser in die Höhe. Zum Beispiel in der vermeintlich | |
verschlafenen Pestalozzistraße in Pankow, weit jenseits des S-Bahn-Rings. | |
Erst im November mussten dort die letzten Künstler der Ateliergemeinschaft | |
KunstEtagenPankow (KEP) den Plattenbau der Intrac, der früheren | |
DDR-Außenhandelsgesellschaft, verlassen. 2012 hatten dort Musiker und | |
Schauspieler, Maler und Bildhauer einen Verein gegründet und zahlreiche | |
Veranstaltungen und Kulturpolitisches Cafés organisiert. | |
Nun, nicht einmal ein knappes Jahr nach deren Auszug, kann man sich | |
ansehen, was aus diesem Ort werden wird. Am Mittwoch um 17 Uhr gibt es hier | |
eine Vorabbesichtigung der Baustelle des Co-Living-Projekts „The Base | |
Berlin One“. Bis Mitte 2021 sollen hier lukrative 320 Co-Living-Spaces und | |
Gemeinschaftsflächen entstehen inklusive Kino, Gym, Game Room, | |
Meditationsraum, Shared Garden und Bibliothek. | |
Auf der Webseite kann man nachlesen, wie das funktionieren soll: „The Base | |
erschafft weltweit einzigartige Orte des Zusammenlebens, die das | |
Miteinander stärken und die ideale Basis für ein erfülltes Leben bilden. | |
Unsere Werte stehen für sich: Live, Belong, Grow.“ Kostenpunkt für diese | |
schöne neue Welt: och unbekannt. | |
Über ein etwas bodenständigeres Bauprojekt kann man bei einem Spatenstich | |
für den „Lebensort Vielfalt“ am Südkreuz in Anwesenheit von Berlins | |
Regierendem Michael Müller am Freitag um 12 Uhr nachdenken. Denn auch auf | |
dem ehemals gewerblich genutzten Areal sollen Wohnungen entstehen, aber | |
auch eine Pflegewohngemeinschaft, therapeutische Wohngemeinschaften und | |
Büro- und Beratungsräume für die Schwulenberatung Berlin. | |
## Es gibt sogar einen Kiezhund | |
Klingt vernünftig, allerdings wird gleich nebenan voraussichtlich in diesem | |
Jahr noch eine etwas abgehobenere Nachbarschaft einziehen, und zwar in die | |
644 Appartments des Wohnquartiers Südkreuz von US-Immobilienentwickler | |
Hines, der sich die Ideen zu seinem Konzept von Baugruppen und | |
Sharing-Start-ups hat einflüstern lassen. Neben Gym und Bibliothek gibt es | |
hier ein Musikzimmer, Bike- und Carsharing und sogar einen Kiezhund zum | |
Teilen. | |
Projekte wie dieses und das in der Pestalozzistraße werben gern damit, dass | |
man sich zusammen höhere Wohnstandards leisten könne als jeder für allein. | |
Am Südkreuz wird die Miete laut Webseit bei circa 20 Euro pro Quadratmeter | |
liegen. Das kleinste Mikroapartment verfügt über 21,93 Quadratmeter und | |
kostet 598,23 Euro im Monat. Hier ist also offenbar eine | |
Gemeinschaftlichkeit gemeint, die man sich erst mal leisten können muss. | |
21 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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