| # taz.de -- Flanieren auf Friedhöfen: Wo der Tod zum Leben motiviert | |
| > Berühmte Friedhöfe ziehen Touristen an. Die Grabstätten vermitteln eine | |
| > ganz besondere Stimmung. | |
| Bild: Der Friedhof auf dem Père Lachaise in Paris ist eine der Touristenattrak… | |
| Richard, unser Nachbar, ist bekennender Friedhofsflaneur, ein | |
| Friedhofssammler. Die Mischung aus individuellen Geschichten, die die | |
| Gräber erzählten, die Melancholie, die über den Orten liege, aber auch | |
| [1][die Ruhe, die naturnahen, parkähnlichen Anlagen, d]ie alten Bäume – | |
| Richard kommt ins Schwärmen. „Gestorben werde für das Gros der Bevölkerung | |
| unsichtbar, hinter den Mauern von Krankenhäusern und Hospizen, auf den | |
| Friedhöfen dieser Welt sei der Tod öffentlich präsent. „Und erst das Wissen | |
| um die Möglichkeit des Nichtseins eröffnet uns die Fähigkeit, Lebensformen, | |
| Ansprüche und Bilder, die an uns herangetragen werden, zu verwerfen, frei | |
| zu sein“, philosophiert er. Der Tod ein Lebenshelfer, ein Retter aus der | |
| Verblendung zur Besinnung aufs Wesentliche? | |
| Richard zeigt Bilder von Grabsteinen des Maramures in Rumänien. Ein | |
| Friedhof der besonderen Art: Die farbenfrohen Grabmäler, die aus blau | |
| bemalten Holzkreuzen bestehen, sind beschriftet und erzählen vom banalen, | |
| manchmal auch ausschweifenden Leben der Verstorbenen, zugespitzt und voller | |
| versöhnlicher Ironie. Und natürlich kennt er nicht nur die Gräber von | |
| Frédéric Chopin, Édith Piaf, Jim Morrison und Marcel Marceau auf dem Père | |
| Lachaise im 20ten Arrondissement in Paris, der Touristenattraktion mit zu | |
| Vor-Corona-Zeiten jährlich mehr als zwei Millionen Besuchern. | |
| Den Wiener Zentralfriedhof mit einer Fläche von 2,5 Quadratkilometern und | |
| 330.000 Gräbern hat er mehrmals besucht, seine Jugendstilbauwerke | |
| fotografiert und ausgiebig. Selbst das Wadi al-Salam im Irak, das mit einer | |
| Fläche von 1.310 Fußballfeldern der größte Friedhof der Welt sein soll, hat | |
| Richard vor vielen Jahren bereist. Von der Gräberansammlung ist er immer | |
| noch tief beeindruckt. „Eine existenzielle Erfahrung“, behauptet er. | |
| Zu Hause fühlt sich Richard auf dem [2][St. Matthäus Friedhof in Berlin | |
| Schöneberg], wo seine Frau beerdigt liegt. Hier kann er sich an ihrem Grab | |
| erinnern, auf der Holzbank unter der großen Kastanie entspannen. Hier, so | |
| sagt er, atme er zwischen alten verwitterten Grabsteinen historischer | |
| Größen, den verfallenden Mausoleen Berliner Honoratioren, und den | |
| spartanischen Baumgräbern der Jetztzeit und den vielen Gräbern mit | |
| Regenbogenfahnen das Leben. | |
| Richard ist inzwischen Grabpate. Der Förderverein [3][Efeu e. V.] sucht | |
| Paten für circa 150 langfristig vom Verfall bedrohte historische | |
| Grabstätten auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg.. Als | |
| Pate übernimmt man die Kosten für die Restaurierung/Bestandssicherung und | |
| Pflege eines historischen Grabdenkmals. Die sogenannten Patengräber stehen | |
| dann für eine Neunutzung im Bestattungsfall zur Verfügung. | |
| Gleich am Anfang des Alten St.-Matthäus-Kirchhofs gibt es Kaffee und | |
| leckeren Kuchen für die Lebenden in der ehemaligen Friedhofsgärtnerei. Dort | |
| sitzt Richard am liebsten, um mit Friedhofsbekannschaften zu plaudern, sich | |
| auszutauschen, die Zeit zu verbringen. Und so beginnen an diesem Ort | |
| vielleicht ganz neue Geschichten. | |
| 20 Sep 2020 | |
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| [3] http://www.grabpatenschaften-berlin.de/kontakt/ | |
| ## AUTOREN | |
| Edith Kresta | |
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