# taz.de -- Proteste in Libyen: Bengasi brennt | |
> Erst erschütterten Demonstrationen Libyens Hauptstadt Tripolis. Jetzt | |
> geht der Sitz der Gegenregierung in Bengasi in Flammen auf. | |
Bild: Bengasi am Abend des 10. September – und das war erst der Anfang | |
TUNIS taz | Nach tagelangen Protesten gegen Stromausfälle, Arbeitslosigkeit | |
und Korruption hat die ostlibysche Regierung, die dem dort mächtigen | |
General Chalifa Haftar nahesteht und die international anerkannte Regierung | |
in der libyschen Hauptstadt Tripolis bekämpft, am Sonntag ihren Rücktritt | |
angeboten. In Bengasi, Beida und anderen Städten der an Ägypten | |
angrenzenden ostlibyschen Cyrenaika-Provinz hatten meist junge Leute seit | |
Donnerstag erst Reifen angezündet und am Sonntag auch das Büro der | |
Parlamentsverwaltung und den Sitz der Regierung. | |
Während die Parlamentarier die Demonstrationen unkommentiert ließen, | |
solidarisierte sich die Führung von Haftars Armee LNA (Libysch-Arabische | |
Nationalarmee) vage mit dem Volkszorn. Doch auch unweit des Hauptquartiers | |
der LNA in der Kleinstadt al-Marj fanden am Wochenende Demonstrationen | |
statt. Die Menschenrechtsorganisation „Libyan Crime Watch“ berichtet, dass | |
ein Demonstrant dort von Sicherheitskräften erschossen und fünf Menschen | |
verletzt wurden. | |
Seinen Rücktritt übergab Premierminister al-Thanni am Sonntag dem | |
Parlamentspräsidenten Aguila Saleh. Die Abgeordneten des libyschen | |
Parlaments wurden 2014 bei den letzten freien Wahlen gewählt und flohen | |
danach vor Milizen aus Tripolis nach Ostlibyen. Saleh ist in den letzten | |
Wochen wieder zu einem Ansprechpartner der Diplomaten aufgestiegen, die | |
nach einem [1][Ausweg aus der Konfrontation] zwischen Ost- und Westlibyen | |
suchen – obwohl der 76-Jährige unter UN- und EU-Sanktionen steht. | |
Die Krise in Ostlibyen folgt auf das Scheitern des Versuches der LNA, mit | |
Hilfe russischer Experten und Söldner den Westen des Landes mit der | |
Hauptstadt Tripolis zu erobern. Seit die Regierung in Tripolis dies mit | |
Hilfe der Türkei [2][zurückschlug], herrscht in Libyen ein brüchiger | |
[3][Waffenstillstand]. Beide Konfliktparteien haben ihren Anspruch auf die | |
Alleinherrschaft über Libyen aber nicht aufgegeben. | |
## Gespräche sind nicht transparent | |
Proteste für bessere Lebensbedingungen gab es zuerst [4][in Tripolis], vor | |
zwei Wochen. Vermummte Angehörige der Nawasi-Miliz hatten damals in die | |
Menge geschossen und einige Demonstranten verschleppt. Der international | |
anerkannte Premier Fayez Serraj verurteilte die Milizengewalt. Die | |
ostlibysche LNA scheint hingegen die Unzufriedenheit der Bevölkerung für | |
sich nutzen zu wollen, obwohl die sich genauso gegen Haftars Truppen | |
richtet. | |
Während in Libyen die Menschen auf die Straße gehen, haben Abgesandte der | |
Zivilgesellschaft und politische Vertreter beider Seiten im schweizerischen | |
Montreux und in Marokko in der letzten Woche Gespräche geführt und zunächst | |
die Stärkung staatlicher Strukturen und Wahlen innerhalb von 18 Monaten | |
vereinbart. Aber diese Gespräche sind nicht transparent. „Wir wissen nicht, | |
wer dort verhandelt hat und wer sie bestimmt hat“, sagt ein Demonstrant der | |
taz am Telefon. „Wir wollen, dass alle abdanken, die nicht transparent von | |
den Bürgern gewählt wurden.“ | |
14 Sep 2020 | |
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[4] /Schuesse-auf-Demonstrierende-in-Libyen/!5709160/ | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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