# taz.de -- Karstadt am Hermannplatz: Bausenator verteidigt Signa-Deal | |
> Bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus gibt es Kritik am „Letter of | |
> Intent“ zwischen dem Senat und Signa. Senat könnte das Verfahren an sich | |
> ziehen. | |
Bild: Karstadt am Hermannplatz: was kommt, wenn es wegkommt? | |
Eines muss man Sebastian Scheel lassen. Er ist die Ruhe in Person. Erst vor | |
anderthalb Wochen [1][hat seine Linkspartei den Deal] zwischen dem | |
rot-rot-grünen Senat und dem Karstadt-Eigner Signa auf einem Parteitag | |
abgelehnt. Doch das scheint für den neuen Bausenator nebensächlich zu sein. | |
Die Schließung von sechs Kaufhäusern in Berlin habe ein sofortiges | |
politisches Handeln notwendig gemacht, sagte Scheel am Mittwoch bei einer | |
Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses. „Es ist für | |
den Senat wichtig gewesen, die Beschäftigten vor Entlassung zu schützen.“ | |
Vier der sechs Häuser hat Rot-Rot-Grün durch seine Einigung mit Signa | |
retten können. Im Gegenzug versprachen SPD-Linke und Grüne Signa | |
[2][Baurecht für drei umstrittene Bauvorhaben in Neukölln], am Alex und am | |
Ku’damm. „Signa hat die Krise schamlos gegen die Stadt und die | |
Beschäftigten ausgenutzt“, kritisierte die Linken-Abgeordnete Gennburg | |
unmittelbar nach der Einigung. | |
Nun folgte ihr auch der Parteitag. Durch den Beschluss der Linken war die | |
Anhörung, die vor dem Abgeordnetenhaus von einer Kundgebung begleitet | |
wurde, mit besonderer Spannung erwartet worden. Auch weil Florian Schmidt, | |
grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg und bekennender Gegner | |
eines Neubaus von Karstadt am Herrmannplatz, eingeladen war. Als das alte | |
Karstadt-Gebäude Ende der zwanziger Jahre gebaut wurde, so Schmidt, war der | |
Neubau vielleicht angemessen, sagte er. „Heute aber hat der Platz nicht | |
mehr die zentrale Funktion wie damals.“ Mit der Wiedererrichtung des alten | |
Gebäudes setze Signa auf eine Signature Architecture, „die zur Folge hat, | |
dass der Sozialraum in der Umgebung umgebaut wird“. | |
Schmidt fordert deshalb ein Dialogverfahren, das ergebnisoffen sei müsse. | |
„Es kann nicht sein, dass ein Konzern eine Kampagne startet und sagt: Ich | |
mag hier den Dialog.“ Stattdessen müsse der Bezirk das Verfahren | |
durchführen. „Da steht auch die Glaubwürdigkeit der Regierung auf dem | |
Spiel“, so Florian Schmidt. | |
## Grüne Wiese und Disneyland | |
Von den drei Bauvorhaben von Signa ist das in Neukölln sicher das | |
umstrittenste. Anders als in Friedrichshain-Kreuzberg stößt der Neubau des | |
alten Karstadt-Gebäudes mit seiner Art-déco-Fassade bei Neuköllns | |
Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) auf Zustimmung. Für Hikel ist damit | |
vor allem die Hoffnung auf eine Aufwertung des Hermannplatzes verbunden. | |
Die Frage nach der Architektur des Neubaus nennt er eine | |
„Phantomdiskussion“. „Wenn wir nichts ändern, wird der Ort weiter | |
verwahrlosen. Das ist nicht gut für Karstadt und Neukölln.“ | |
Das wiederum will die grüne Abgeordnete Susanna Kahlefeldt, die ihren | |
Wahlkreis in Neukölln hat, so nicht stehen lassen. „Ich finde die geplante | |
Fassade am Hermannplatz scheußlich“, sagt sie. „Das kann man auf der grün… | |
Wiese machen und ein Disneyland drum herum bauen.“ | |
Für Signa war Timo Herzberg, Vorstand von Signa Real Estate, also der | |
Immobiliensparte des Konzerns, zur Anhörung eingeladen worden. In seiner | |
ruhigen Art steht er Sebastian Scheel in nichts nach. „Karstadt am | |
Hermannplatz wurde in den fünfziger und siebziger Jahren errichtet, später | |
kam noch das Parkhaus an der Urbanstraße dazu.“ Dem Ist-Zustand stellt | |
Herzberg die „Vision der historischen Bebauung und einer vielfältigen | |
Nutzung“ entgegen. Allerdings sei da das letzte Wort noch nicht gesprochen, | |
ging Herzberg auf die Kritik an der Architektur ein. Überraschend | |
präsentiert er darüber hinaus eine Vereinbarung, die die Signa am Dienstag | |
mit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo getroffen hat. „Wir | |
haben mit der Degewo die Herstellung von mietpreisgebundenen Wohnungen am | |
Hermannplatz vereinbart.“ | |
## Negative Auswirkungen auf den Einzelhandel | |
[3][Haben Warenhäuser überhaupt noch eine Zukunft?] Auch das war Thema bei | |
der mehr als vierstündigen Anhörung im Stadtentwicklungsausschuss. Ja, sagt | |
dazu Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes | |
Berlin-Brandenburg. „Deswegen unterstützen wir die Maßnahmen, solche | |
Standorte zu entwickeln.“ Negative Auswirkungen auf den umliegenden | |
Einzelhandel befürchtet er nicht. „Das Warenhaus ist der bestmögliche | |
Nachbar für den Einzelhandel, weil er ihnen Kundschaft bringt. Städte, die | |
solche Standorte verloren haben, sind im Handel ärmer geworden.“ | |
Im Gegensatz zu Busch-Petersen fürchtet Cordelia Polinna, Geschäftsführerin | |
von Urban Catalyst, durchaus negative Folgen. „Der stationäre Einzelhandel | |
hat nur eine Chance, wenn er auf Erlebnis ausgerichtet ist und mit anderen | |
Angeboten kombiniert wird.“ Schon jetzt sei es so, dass der Hermannplatz | |
einerseits ein Ort der Stigmatisierten sei, während im Graefekiez und im | |
Reuterviertel die Gentrifizierung voranschreitet. „Hier besteht erheblicher | |
Handlungsbedarf. Wir müssen fragen, welche Rolle soll der Hermannplatz in | |
Zukunft für die Quartiere spielen. Und wie kann er trotz der | |
Gentrifizierung Ort für Ausgegrenzte bleiben?“ | |
Aber nicht nur der Hermannplatz weckt Emotionen. Auch der geplante Bau der | |
Hochhäuser am Ku’damm ist umstritten. Das Baukollegium von | |
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat die geplanten drei Türme abgelehnt. | |
Auch für SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz gibt es noch | |
Diskussionsbedarf. „Wenn es um Hochhäuser geht, muss es einen Mehrwert für | |
die ganze Stadt geben und nicht nur für den Investor.“ | |
## Autorität gesunken | |
Sorgen muss sich Signa dennoch nicht machen. Zumindest nicht, was die | |
Senatoren von Rot-Rot-Grün betrifft. „Das Masterplanverfahren in der | |
City-West ist gut vorangekommen“, sagt Bausenator Sebastian Scheel. Scheel | |
deutet an, dass der Senat „wegen des gesamtstädtischen Interesses“ das | |
Verfahren an sich ziehen könnte. | |
Das Gleiche gilt auch für den Hermannplatz. „Wichtig ist eine gute | |
Zusammenarbeit mit den Bezirken“, sagt Scheel an die Adresse von | |
Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln. Soll wohl heißen: Einigt euch oder | |
ihr habt bald nichts mehr zu melden. | |
Bleibt die Frage, ob Scheel noch etwas in der Linkspartei zu melden hat. | |
Der FDP-Mann Stefan Förster konstatiert am Ende der Anhörung: „Die | |
Autorität von Klaus Lederer und Ramona Pop ist schon so weit gesunken, dass | |
sie nicht einmal eine Vereinbarung in den eigenen Parteien durchsetzen | |
können.“ | |
2 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Linke-lehnt-Berliner-Karstadt-Deal-ab/!5704015&s=karstadt/ | |
[2] /Senat-macht-Zugestaendnisse-an-Konzern/!5701663&s=karstadt/ | |
[3] /Streit-um-Wiederaufbau-von-Karstadt/!5688504&s=timo+herzberg/ | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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