# taz.de -- Insolvenz bei Galeria-Karstadt-Kaufhof: Kaufhäuser dicht, Kasse ge… | |
> Im Zuge der Pleite könnten auch in Berlin Filialen schließen. Doch schon | |
> längst ist die Krise des Warenhauskonzerns Teil eines dubiosen | |
> Geschäftsmodells. | |
Bild: Erst vor vor Kurzem wurde eine neue Galeria-Filiale in Tegel eröffnet | |
BERLIN taz | Die Zukunft des Warenhauskonzerns Galeria-Karstadt-Kaufhof | |
sieht mal wieder düster aus. Mindestens „ein Drittel“ der bundesweit 131 | |
Filialen werde man schließen müssen, kündigte Galeria-Chef Miguel | |
Müllenbach am Montag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an. Auch | |
Standorte in Berlin könnten betroffen sein. Das Unternehmen begründet die | |
Notwendigkeit mit dem zurückhaltenden Konsumklima infolge der Inflation, | |
doch Kritiker:innen fürchten, Signa gehe es [1][in erster Linie um | |
Immobilienspekulation mit den Kaufhausimmobilien] und nicht um den | |
langfristigen Erhalt des Warenhausgeschäfts. | |
Welche Warenhäuser konkret betroffen sein werden, stand am Dienstag noch | |
nicht fest. „Die Beschäftigten sind entschlossen, für jedes einzelne | |
Warenhaus zu kämpfen“, sagte Verdi-Gewerkschaftssekretärin Conny Weißbach | |
der taz. Sie forderte Signa auf, die Bestandsgarantien der vor zwei Jahren | |
[2][abgeschlossenen Absichtserklärung] einzuhalten, und erklärte, Verdi | |
erwarte von der Politik Unterstützung für weitere Verhandlungen mit Signa | |
über den Erhalt von Standorten. | |
Auch der Senat zeigt sich „not amused“ über die aktuelle Entwicklung. „I… | |
erwarte von den Unternehmen ein gutes Zukunftskonzept für alle Berliner | |
Standorte und für alle seine Beschäftigten in Berlin“, teilte | |
Wirtschaftssenator Stephan Schwarz am Dienstag auf taz-Anfrage mit. | |
Noch am Nachmittag traf der Wirtschaftssenator Signa CEO Timo Herzberg und | |
Handelsverbandspräsidenten Nils Busch-Petersen. „Sowohl Signa als auch der | |
Senat glauben an die Zukunft der Berliner Kaufhäuser und halten an den | |
Zielen des gemeinsamen Letter of Intends fest“, erklärt Schwarz. | |
## Heftig kritisierter Deal | |
Laut dem im August 2020 zwischen Signa und dem Senat geschlossenen Deal | |
sichert das Unternehmen drei- bis zehnjährige Bestandsgarantien für vier | |
der damals sechs von Schließung bedrohten Warenhausfilialen zu. Im Gegenzug | |
versprach der Senat, mehrere umstrittene Bauprojekte der Immobiliensparte | |
Signas voranzutreiben. Schon bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung | |
bezeichnete die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg den Deal als | |
„Erpressung“ und sprach von einer rechtlich fragwürdigen Verknüpfung von | |
Baurecht und dem Erhalt von Arbeitsplätzen. | |
Für Letztere sieht es wieder einmal nicht gut aus. Laut Galeria-Chef | |
Müllenbach sind nun betriebsbedingte Kündigungen „leider unumgänglich, um | |
in dieser Situation den größeren Teil des Unternehmens zu retten“. Der | |
Warenhauskonzern hat im letzten Geschäftsjahr ein Minus von 622 Millionen | |
Euro eingefahren. Seit dem letzten Insolvenzverfahren 2021 hat Galeria in | |
zwei Hilfsaktionen 680 Millionen Euro vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds | |
erhalten. | |
Unabhängig vom neuen Insolvenzverfahren laufen die Bestandsgarantien für | |
die Standorte in der Willmersdorfer Straße und am Leopoldplatz Ende des | |
nächsten Jahres aus. Bereits im August hatte die Geschäftsleitung den | |
Angestellten der Filiale am Leopoldplatz eine betriebliche Kündigung aller | |
Mitarbeiter:innen angekündigt. | |
In Sachen Hermannplatz [3][hatte der Senat die Planungsverantwortung] für | |
den Umbau des Karstadtgebäudes am Hermannplatz an sich gezogen und somit | |
den Weg für das Projekt freigemacht, das am Veto des Bezirks | |
Friedrichshain-Kreuzbergs zu scheitern drohte. Anfang September ließ Signa | |
verlauten, noch 2023 mit einem Baubeginn zu rechnen. Das Karstadtgebäude | |
soll komplett entkernt, erweitert und angelehnt an das historische Vorbild | |
des im Krieg zerstörten Vorgängers von 1929 rekonstruiert werden. | |
Gegner:innen des Projekts befürchten die weitere Verdrängung von weniger | |
betuchten Bewohner:innen der Umgebung. | |
Auch am Kurfürstendamm, wo Signa eine weitere Karstadt-Filiale abreißen | |
lassen und durch ein Hochhausensemble ersetzen will, kommt die | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Signa entgegen. Noch 2018 bezeichnete | |
das Baukollegium, ein die Senatsverwaltung beratendes Expertengremium, die | |
Hochhauspläne als „aufgeblasen“ und lehnte sie mit der Begründung ab, die | |
Türme würden das Stadtbild stören. In einer Kooperationsvereinbarung | |
zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dem Bezirksamt von | |
Charlottenburg-Wilmersdorf und Signa-CEO Timo Herzberg, die Anfang Oktober | |
überraschend veröffentlicht wurde, gesteht man Signa nun zwei Türme mit | |
einer Höhe von 120 Metern zu. | |
## Gewinne durch Immobilien | |
Mögliche Neuverhandlungen mit Signa für den Erhalt weiterer Filialen werden | |
überschattet von den jüngsten Korruptionsvorwürfen gegen | |
Unternehmensgründer René Benko. Am 18. Oktober durchsuchte die | |
österreichische Staatsanwaltschaft die Räumlichkeiten der Firmengruppe. Dem | |
österreichischen Milliardär wird unter anderem vorgeworfen, einem hohen | |
Finanzbeamten einen gut bezahlten Posten in seinem Unternehmen angeboten zu | |
haben, um im Gegenzug ein Steuerprüfungsverfahren, das zu der Zeit gegen | |
Benko lief, positiv zu beeinflussen. Unter anderem vermutet die | |
österreichische Staatsanwaltschaft, Benko habe Immobilien offiziell unter | |
Wert verkauft, um Steuern zu umgehen. „Die Untersuchungen gegen Benko sind | |
das allerletzte Warnsignal, um die Zusammenarbeit mit Signa zu beenden“, so | |
Gennburg gegenüber der taz. | |
Trotz Insolvenzverfahren erzielt die Unternehmensgruppe mit ihrer | |
Immobiliensparte üppige Gewinne. Möglich werden diese vor allem durch | |
Wertsteigerungen, wie eine Analyse des US-amerikanischen | |
Wirtschaftsmagazins Bloomberg von 2021 zeigt. Die Mieteinnahmen der | |
Immobilien sind vergleichsweise gering. Durch die enormen Preissteigerungen | |
am Immobilienmarkt konnte Signa aber stattliche Dividenden auszahlen und | |
immer neues Kapital anlocken. Dadurch sei Benkos Geschäftsmodell enorm | |
abhängig von steigenden Immobilienpreisen, so die Analysten. | |
Expert:innen vermuteten schon bei der Karstadt-Übernahme Signas 2014, | |
das Unternehmen habe es vor allem auf Wertsteigerungen bei den oft | |
attraktiv gelegenen Kaufhausimmobilien abgesehen. In Berlin scheint sich | |
der Verdacht zu bestätigen. Die Filialen am Hermannplatz, Ku’damm und | |
Alexanderplatz will Signa umbauen oder abreißen, um an der Stelle | |
monumentale Bauprojekte mit deutlich größerer Geschossfläche zu bauen. | |
Die jüngsten Korruptionsvorwürfe wiegen angesichts von Signas | |
Geschäftsmodell doppelt schwer. „Wenn Signa Schwierigkeiten bekommt, wird | |
das Einflüsse auf die Kreditwürdigkeit und Finanzierung haben“, sagte der | |
Sprecher für Stadtentwicklung der Grünen-Fraktion, Julian Schwarze. Im | |
schlimmsten Falle könne Signa anstelle von Hochhäusern Bauruinen | |
zurücklassen. „Es ist bedenklich, dass die Stadt da mitspielt.“ | |
2 Nov 2022 | |
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[1] /Streit-um-Wiederaufbau-von-Karstadt/!5688504 | |
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## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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