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# taz.de -- Opposition in Belarus: Kein Konsens für danach
> Die Kritiker*innen von Präsident Alexander Lukaschenko sind sich nur
> einig, dass er wegmuss. Was dann? Vor allem Russlands Rolle ist strittig.
Bild: Festnahme eines Studenten bei einer Demonstration am 1. September in Minsk
Kiew taz | Noch trägt der Minimalkonsens der Opposition in Belarus:
Neuwahlen, ein Rückzug von Präsident Alexander Lukaschenko und die
Freilassung der politischen Gefangenen. Doch die Differenzen über das
weitere Vorgehen und die Vorstellungen über eine Zeit nach Lukaschenko säen
Zwietracht in den Reihen des Widerstands. Festmachen lässt sich dieser
Konflikt an der unterschiedlichen Sichtweise der Rolle Russlands.
Für den belarussischen Oppositionellen Oleg Manajew, der seit 2015 im
US-amerikanischen Exil lebt, ist das wahrscheinlichste Szenario [1][ein
militärisches Eingreifen Russlands]. Möglicherweise werde Lukaschenko genau
die Voraussetzungen provozieren, die Putin genannt habe.
Während ein großer Teil der Opposition dieses Szenario für die
wahrscheinlichste Variante der weiteren Entwicklung hält, ist ein anderer
Teil um ein gutes Verhältnis zu Russland bemüht. Man begreife diese Krise
als innenpolitisch. Sie sei nicht gegen den Staat gerichtet, hatte die
ehemalige Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja gegenüber
„Euronews“ Ende vergangener Woche erklärt. „Doch wenn wir bei Verhandlun…
internationale Vermittlung brauchen, sehen wir auch Russland als einen
Beteiligten an diesem Prozess. Russland ist ein Land, mit dem wir
befreundet sind.“
[2][Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch] zeigte sich überzeugt, dass
auch Präsident Wladimir Putin in die Kommunikation mit der belarussischen
Opposition einbezogen werden solle. Und für Pawel Latuschko, Mitglied des
Koordinierungsrates, ist es „absolut pragmatisch, sehr gute Beziehungen zu
Russland zu unterhalten“, zitiert ihn argumenti.ru.
## Keine konstruktive Zusammenarbeit
Irina Krawetz von der Nichtregierungsorganisation Nasch Dom hingegen ist
entsetzt über die Vorstellung, von Russland eine konstruktive
Zusammenarbeit zu erwarten. „Russland hilft nicht dem belarussischen Volk,
Russlands hilft allein Lukaschenko. Russland tut nur etwas für Belarus,
wenn das seinen Interessen entspricht“, sagte Krawetz gegenüber der taz.
Sie glaubt nicht, dass Russland einen anderen Politiker an die Macht
bringt.
Und mit Blick auf russlandfreundliche Äußerungen von VertreterInnen des
Koordinierungsrats schimpft der Politologe Sergej Marzelew, da seien Dinge
gesagt worden, die man politisch agierenden Menschen nicht verzeihen könne.
„Russland ist als Verhandlungspartner nicht zuverlässig. Putin und
Lukaschenko können wir nicht vertrauen.“ Für Marzelew, der vor knapp drei
Jahren noch Generalsekretär der belarussischen Sozialdemokraten war, ist
das Gerede Lukaschenkos über eine Verfassungsreform Augenwischerei.
Schuld an der Überbewertung der russischen Rolle, so Marzelew, seien auch
Staaten wie Deutschland und die USA, die sich lieber mit dem Kreml über
Belarus verständigten. Für Ärger unter weißrussischen Aktivisten sorgt auch
die von Maria Kolesnikowa und dem inhaftierten Präsidentschaftskandidaten
Viktor Babariko angekündigte Parteigründung „Gemeinsam“.
## Neoliberale Programmatik
„Sie bringt Zwietracht in die Opposition und lenkt vom Hauptziel ab“, warnt
Sergej Marzelew. Für den Grünen Liolik Uchkin ist „Gemeinsam“ eine
rechtskonservative Partei mit neoliberaler Programmatik. Und Irina Krawetz
von Nasch Dom versteht nicht, warum man gerade jetzt eine Partei gründen
müsse.
Und der Linke Alexander Oparin fürchtet sich vor einer Abschaffung der
sozialen Errungenschaften des belarussischen Staates durch neoliberale
Oppositionsgruppen. Insgesamt, so Oparin zur taz, tendiere die Opposition
zu einer Annäherung an Europa. Diese gehe auch mit dem Zurückschrauben
einiger sozialer Vorteile von Belarus einher.
Doch während sich Oparin vor einem prowestlichen Kurs fürchtet, treibt
Sergej Marzelew eher die Angst vor einer Opposition um, die sich überhaupt
nicht bewegt. Zu ineffektiv sei der Koordinierungsrat. „Wie will man mit
über tausend Menschen politische Veränderungen erreichen.“
Auch von Swetlana Tichanowskaja erwartet er ein entschiedeneres Verhalten.
„Sie muss sich bis zum 9. Oktober als Präsidentin vereidigen lassen, in der
Anwesenheit von Abgeordneten des letzten legitimen Parlaments und des
letzten legitimen Verfassungsgerichts.“ Die letzten legitimen Institutionen
gehen auf 1996 zurück. In diesem Jahr hebelte Lukaschenko die
Gewaltenteilung aus.
1 Sep 2020
## LINKS
[1] /Proteste-in-Belarus/!5703348
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## AUTOREN
Bernhard Clasen
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