# taz.de -- Im Dschungelbiotop an der Neiße: Wie tief kann man sinken? | |
> Das Naturbewusstsein in Deutschland steigt. Unser taz-Redakteur macht | |
> beim Feldversuch durchwachsene Erfahrungen. | |
Bild: Das ist eine Sackgasse, aber mit Naturerlebnis: Graureiher an der Neiße | |
AM UFER DER NEIßE taz | Die gute Nachricht lautet: [1][„Das | |
Naturbewusstsein in Deutschland steigt“, sagte Umweltministerin Svenja | |
Schulze vor zwei Wochen, „insbesondere die Wertschätzung der Natur.“] Zur | |
gleichen Zeit brach ich in Sachsen durch ein Dickicht an Schlingpflanzen. | |
Triefend nass knickte ich meterhohe Farne um, brach bambusgroße | |
Pflanzenstämme ab, riss Blätter an den Büschen ab. Mit meinem postgelben | |
taz-Bike hinterließ ich am Ufer der Neiße in diesem subtropischen | |
Dschungelbiotop eine Schneise der Zerstörung. Wie tief kann ein | |
Umweltjournalist sinken? | |
Keine Angst: Tiefer als bis zum Oberschenkel geht es nicht. Jedenfalls | |
nicht in der Neiße kurz hinter Zittau. Zusammen mit dem Kollegen B. war ich | |
auf einer wunderbaren Radtour. Wir wollten eigentlich nur radfahren. Wir | |
lernten viel darüber, was man in ökonomischen Debatten „Pfadabhängigkeit“ | |
nennt. | |
Wir jedenfalls waren dem Fahrradpfad an Neiße und Oder komplett | |
ausgeliefert. Hinter Braunkohletagebau und Kraftwerk Turow lockte ein Weg | |
am Fluss: Wir radelten in einer engen Waldschlucht an der malerischen Neiße | |
entlang, die wertgeschätzte Natur kam uns immer näher. Die Fahrbahn war | |
erst ein Plattenweg, dann ein Feldweg, dann ganz weg. Nur noch Natur zum | |
Anfassen. | |
Es war wie bei der Atomkraft oder der Braunkohle: Große Hoffnungen führen | |
in die Sackgasse. Ziemlich bald ahnten wir: Hier stimmt doch was nicht. | |
Aber lustig pfeifend machten wir weiter. Probleme? Lieber einen Gang | |
runterschalten und volle Kraft voraus! Und nach einer Stunde dachten wir: | |
jetzt umkehren? Alles zurück? Puuh, dann lieber noch mal bis zur nächsten | |
Ecke und gucken und hoffen … | |
## An die Natur heranführen | |
Der Tunnelblick endete im Desaster. Wie in der Energiepolitik zogen wir | |
viel zu spät die Neißleine, und das zulasten der Umwelt. Wir schoben die | |
Räder durch den Fluss und erreichten nach dem Dschungelmassaker verdreckt | |
und voller Mückenstiche den gut asphaltierten (hallo Bodenversiegelung!) | |
Radweg. | |
Die Studie [2][„Naturbewusstsein 2019“], die das Umweltministerium | |
rechtzeitig zu unserem Feldversuch vorstellte, sagt auch: „63 Prozent der | |
Deutschen ärgern sich deutlich darüber, dass mit der Natur sorglos | |
umgegangen wird.“ Nun ja. Für besseren Naturschutz müsse man „die Menschen | |
intensiver an die Natur selbst und auch an die vielfältigen Tier- und | |
Pflanzenarten heranführen, die bei uns beheimatet sind“, heißt es. | |
Das kann ich nur bekräftigen. Unsere intensive Heranführung an die | |
heimische Natur, stellte sich später heraus, hatte großen ökologischen | |
Nutzen: Der Pflanzendschungel, den wir am Neißeufer so dezimiert hatten, | |
bestand aus Japanischem Staudenknöterich – [3][eine laut Wikipedia | |
„problematische, unerwünschte invasive Pflanze („Plagepflanze“)]. So wird | |
man vom Wildnis-Vandalen zum Artenschutz-Helden. | |
31 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmu.de/pressemitteilung/naturbewusstsein-in-der-bevoelkerung-st… | |
[2] https://www.bmu.de/publikation/naturbewusstsein-2019/ | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Japanischer_Staudenkn%C3%B6terich | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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