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# taz.de -- Polizei entfernt Journalisten: „Eingriff in die Pressefreiheit“
> Bei der Besetzung des Lübecker Flughafens durch Aktivisten nahm die
> Polizei drei Journalisten in Gewahrsam, obwohl sie ihre Presseausweise
> zeigten.
Bild: Deutlich als Journalist zu erkennen: Benjamin Bigger bei der Aktion von E…
Hamburg taz | Es war noch dunkel, als etwa ein Dutzend Aktivist*innen von
Extinction Rebellion am Montagmorgen vergangener Woche [1][auf das Rollfeld
des neu eröffneten Lübecker Flughafens gelangten]. Begleitet wurden sie von
drei freien Journalist*innen. Als die Lübecker Polizei anrückte, wurden die
Pressevertreter*innen zusammen mit den Aktivist*innen abgeführt und über
mehrere Stunden in Gewahrsam genommen – obwohl sie Presseausweise vorlegen
konnten.
Benjamin Bigger ist freier Videojournalist in Hamburg und erhielt vorab
einen Tipp über die geplante Blockade am Lübecker Flughafen. Dieser
eröffnete vergangene Woche nach vier Jahren Stillstand. Nach dem Motto
„Kurzstreckenflüge nur für Insekten“ wollten die Aktivist*innen auf die
schädliche CO2-Bilanz von Flugreisen aufmerksam machen.
„Ich begleite öfter mal Aktionen von Extinction Rebellion“, erzählt Bigge…
Dies geschehe jedoch immer aus redaktionellem und journalistischem
Interesse, betont er. Als freier Journalist ist er unter anderem für die
Deutsche Presse-Agentur tätig. Diese war in Kenntnis gesetzt und erwartete
auch an diesem Tag Videomaterial von ihm.
Als die Aktivist*innen zusammen mit Bigger und den Journalist*innen Sandra
Doneck und Ella Stephl durch ein Loch im Zaun auf das Rollfeld gelangten,
seien Sicherheitsbeamt*innen auf die Aktivist*innen aufmerksam geworden.
Die Sicherheitskräfte hätten überfordert gewirkt und seien „rabiat“ gegen
die Protestierenden vorgegangen, erzählen die Journalist*innen. Als Bigger
einem Sicherheitsbeamten gesagt habe, dass er von der Presse sei, habe
dieser ihn jedoch in Ruhe gelassen.
Doch die Lübecker Polizei war schnell vor Ort und transportierte
Aktivist*innen ab, die teilweise versuchten, sich mit Sekundenkleber an das
Rollfeld zu kleben. „Ein Polizeibeamter ist auf mich zugekommen und hat mir
gesagt, dass ich aufhören soll zu filmen“, berichtet Videojournalistin
Stephl. Sie habe ihren Presseausweis vorgezeigt, doch das habe den Beamten
nicht weiter interessiert. Sie sei illegal auf das Rollfeld gekommen und
stelle somit eine Gefahr dar, habe er ihr gesagt. Auch Bigger und Doneck
hätten den Dialog zu den Polizeibeamten gesucht und erklärt, dass sie nur
zur journalistischen Begleitung anwesend seien.
Dennoch wurden die drei Pressevertreter*innen nacheinander abgeführt. „Die
haben uns teilweise schon vor den Aktivisten mitgenommen“, erzählt
Fotojournalistin Doneck. Anschließend wurden ihre Personalien aufgenommen,
ihre Sachen durchsucht und Fotos von ihnen gemacht. Schließlich brachte sie
ein Polizeiauto zum Zentralgewahrsam an der Possehlstraße. Auch dort habe
ihnen niemand wirklich sagen können, weshalb. Ein Beamter habe gesagt, es
sei eine „Maßnahme zur Störungsverhinderung“ gewesen, erinnert sich Bigge…
Nacheinander hätten sie ihre Sachen abgeben müssen und seien in Zellen
gesteckt worden. Die beiden Journalistinnen hätten zusammen mit einer
Aktivistin in einer etwa acht Quadratmeter großen Zelle gesessen. Ella
Stephl beschreibt den kahlen Raum als „sehr schmutzig“. An den Wänden habe
man noch Blutspritzer erkennen können. Nach einer Weile habe man sie
getrennt und sie seien in eine Einzelzelle gekommen. „Das ist jetzt ihr
neues Zuhause“, habe ein Beamter zu Stephl gesagt. Stephl und Doneck habe
man nicht erlaubt, Anrufe zu tätigen.
Erst nach etwa fünf Stunden wurden die Journalist*innen freigelassen. „Ich
war einfach nur froh, dass ich rauskonnte“, sagt Sandra Doneck. Sie hätten
kein schriftliches Dokument erhalten und keine weitere Erklärung bekommen.
Stefan Muhtz, Sprecher der Polizeidirektion Lübeck, erklärt, man habe zur
„Sicherung des Ermittlungsverfahrens“ alle Personen auf dem Rollfeld in
Gewahrsam genommen. „Nach Abschluss der erforderlichen polizeilichen
Maßnahmen“ habe man die drei Pressevertreter*innen „umgehend entlassen“,…
Muhtz.
Weiteren Pressevertreter*innen sowie der Bundestagsabgeordnete der
Linksfraktion Lorenz Gösta Beutin, der als parlamentarischer Beobachter vor
Ort war, wurde der Zugang zum Gelände nicht gestattet. „Auf das Vorfeld
darf grundsätzlich kein Unberechtigter, somit auch keine Journalisten“,
begründet dies Polizeisprecher Muhtz. Es sei nach dem Luftsicherheitsgesetz
„nicht möglich“ gewesen.
Doch die betroffenen Journalist*innen sehen in dem Verhalten der Polizei
ein massives Eingreifen in die Pressefreiheit. „Die Polizei verhinderte die
journalistische Arbeit – auch um das unangemessene polizeiliche Vorgehen
nicht dokumentieren zu lassen“, vermutet Benjamin Bigger. Auch Extinction
Rebellion kritisierte das Festnehmen der Journalist*innen und die
„übermäßige Gewaltanwendung der Polizei“.
Benjamin Bigger möchte den Vorfall nun mit Unterstützung vom Deutschen
Journalisten-Verband (DJV) klären. Stefan Endter, Geschäftsführer des DJV
in Hamburg, kündigte an, dass man „zeitnah das Gespräch mit den
Verantwortlichen suchen“ würde. Das Vorgehen der Polizei halte der DJV für
„einen schwerwiegenden Vorgang, der schnell und umfassend aufgeklärt werden
muss“, so Endter. „Ich möchte in diesem Zusammenhang die Bedeutung und die
Reichweite der grundrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit
unterstreichen“, betont er.
26 Aug 2020
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[1] /Protest-gegen-Inlandsfluege-ab-Luebeck/!5702555
## AUTOREN
Sarah Zaheer
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Extinction Rebellion
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