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# taz.de -- Umstrittener Theaterintendant: … und alle Fragen offen
> Das Ensemble-Netzwerk will wissen, warum ausgerechnet Lars Tietje
> Intendant des Theaters Bremerhaven wird. Der Kulturdezernent nennt das
> Rufmord.
Bild: Ist in Schwerin mehrfach und auch öffentlich kritisiert worden: Intendan…
Bremen taz | Schlechte Bezahlung, unsichere Arbeitsverträge,
Konkurrenzdruck, Unvereinbarkeit von Beruf und Familie: So sieht die
Realität für die allermeisten SchauspielerInnen und Bühnenbeschäftigten
aus. Vor über fünf Jahren hat sich das bundesweite [1][„Ensemble-Netzwerk�…
gegründet, um sich für fairere Arbeitsbedingungen an Theatern stark zu
machen und verkrustete Strukturen, die oft Ursache der Missstände sind, zu
hinterfragen. In Bremerhaven scheint das freilich unerwünscht zu sein.
Nicht zu Unrecht hatte das Netzwerk, bestehend aus über 800
SchauspielerInnen, DramaturgInnen und RegisseurInnen, die an
deutschsprachigen Stadt-, Staats- und Landestheatern tätig sind, sowohl
öffentlich als auch bei Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD)
und seinem Kulturdezernenten Michael Frost danach gefragt, warum
ausgerechnet Lars Tietje ab 2021 neuer Intendant am Stadttheater
Bremerhaven wird. Denn Tietje hinterlässt als Generalintendant des
fünfspartigen Staatstheaters in Schwerin eine ganze Menge verbrannte Erde.
Mehrmals wurde dort sein Rücktritt gefordert, bis er vor einem Jahr
erklärte, seinen laufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Man warf ihm
einen autoritären Führungsstil vor und das Fehlen künstlerischer Ambitionen
– TheatermitarbeiterInnen hatten sich auch öffentlich gegen den Intendanten
ausgesprochen. In mehreren Schreiben hatten Mitglieder verschiedener
Sparten [2][Vorwürfe gegen Tietje], der auch Geschäftsführer ist, erhoben:
Kritik gab es an der Spielplangestaltung, an Personalentscheidungen und
fehlender Kommunikation.
Zuletzt war Tietje im Juni unangenehm aufgefallen, weil er auf seiner
Facebook-Seite allerlei Verschwörungstheorien über Corona verbreitet haben
soll. Laut [3][Schweriner Volkszeitung] verlinkte er mit dem Hinweis „Mal
etwas zur Beruhigung. Sehr interessant“ ein Interview namens „Eine Grippe
mit schönem Namen“ mit Andres Bircher, einem Schweizer Arzt, der zur
Behandlung des Coronavirus heiße Bäder empfiehlt. Über die
Coronabeschränkungen schrieb Tietje: „Vielleicht ist das alles nur ein
großer Feldversuch, in dem getestet werden soll, wie viele Einschränkungen
sich die Menschen gefallen lassen, wenn man ihnen nur genug Angst macht.“
Das Ensemble-Netzwerk wollte von Michael Frost und Melf Grantz aber bereits
vorher wissen, welche Kriterien Grundlage für die Auswahl der neuen
Intendanz war, ob es auch qualifizierte Frauen in der Endauswahl gab und
wenn ja, warum diese nicht zum Zuge gekommen sind.
Es wollte wissen, ob es in Bremerhaven Überlegungen gab, „die Überforderung
einer Einzel-Person an der Spitze des Theaters zukünftig durch eine
Doppelspitze, ein Direktorium oder eine Team-Leitung strukturell zu
unterbinden“, wie die Kriterien Personalführung und Personalmanagament bei
der Auswahl von Lars Tietje gewichtet worden sind, und ob bei der
Entscheidung über den neuen Intendanten die MitarbeiterInnen-Vertretung des
Stadttheaters konsultiert worden ist.
Und es wollte wissen, wie Frost und Grantz die „massiven Schwierigkeiten,
die der Leitungsstil von Lars Tietje in Schwerin hervorgerufen hat“
bewerten.
Eine Antwort auf diese Fragen steht bis heute aus. Stattdessen bezeichnete
Michael Frost das Schreiben gegenüber dem zur Nordsee-Zeitung gehörenden
Digital-Magazin „[4][norderlesen.de]“ als „öffentliche Hinrichtung“
Tietjes. Dabei hatte Frost Mitte Mai gegenüber der [5][taz noch gesagt],
dass Bremerhavens Entscheidung für Tietje sicher auf Kritik stoßen würde.
„Dass er zu uns kommt, klingt für einige nicht glorreich“, sagte er. Tietje
sei nach den Erfahrungen in Schwerin aber hart mit sich ins Gericht
gegangen und habe offensiv an sich gearbeitet und sich beraten lassen.
Keine drei Wochen später folgte Frosts große Empörung über das
Ensemble-Netzwerk – ganz so, als wäre niemals öffentlich über die Kritik an
dem Schweriner Intendanten geredet und berichtet worden. „Ich bin selten so
entsetzt gewesen“, sagte Frost über den Brief des Netzwerks. Er werde ihn
nicht beantworten, auch wenn er keine Probleme damit habe, „Rechenschaft
darüber abzulegen, warum wir – unter Mitwirkung der Bremerhavener
Theatergremien – Herrn Tietje gewählt haben“. Es gebe gute Gründe dafür,
„die ich bei Anfrage im geschützten Raum gern erklärt hätte“.
Das Ensemble-Netzwerk hat darauf reagiert: mit einem weiteren offenen
Brief. Darin äußert es den Wunsch nach einem persönlichen Dialog mit allen
Beteiligten und bittet erneut um die ausstehende Stellungnahme zur
Personalie Tietje. Weiter heißt es: „Wir sind es nicht gewohnt, dass auf
einen offenen Brief unsererseits mit so viel Zorn reagiert wird. Wir halten
diese Form für ein durchaus gängiges und gewohntes Mittel. Die Schritte,
die wir gehen, sollen für unsere Mitglieder transparent und nachvollziehbar
sein.“
Antworten wird es aber auch diesmal nicht geben, geschweige denn eine
Entschuldigung für Frosts harte Worte: Auf Anfrage der taz teilt
Magistratssprecher Volker Heigenmooser vielmehr mit, „dass der Brief des
Ensemble-Netzwerks aus unserer Sicht eine Form des öffentlichen Rufmords
darstellt, die man kaum anders als widerwärtig bezeichnen kann. Diese Art
der öffentlichen Vorverurteilung und Herabsetzung von Herrn Tietje mit
Antworten zu würdigen, verbietet sich deshalb.“
27 Jul 2020
## LINKS
[1] https://ensemble-netzwerk.de/enw/
[2] /Intendant-verbietet-politische-Aeusserungen/!5477585/
[3] https://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/Lars-Tietje-irritiert-…
[4] https://www.norderlesen.de/
[5] /Theaterintendanten-im-Norden/!5681880/
## AUTOREN
Simone Schnase
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