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# taz.de -- Machtkampf am Stadttheater: Intendant will den Ton angeben
> In Bremerhaven will Intendant Lars Tietje den Generalmusikdirektor
> entmachten und künstlerisch allein verantwortlich sein. Das Orchester
> protestiert.
Bild: Damit soll 2026 Schluss sein: Links wirbt das Stadttheater, rechts ganz u…
Bremen taz | Bis 2021 war der [1][Betriebsfrieden am Staatstheater
Schwerin] unter Intendant Lars Tietje zerrüttet, seit 2021 [2][leitet er
das Stadttheater Bremerhaven]. Auch dort den Betriebsfrieden zu stören,
wirft ihm dessen größte Abteilung vor, das 53-köpfige Orchester.
Ausgangspunkt der eskalierenden Auseinandersetzung ist eine vom Magistrat
im Frühsommer für den 1. August 2026 beschlossene Veränderung der
Leitungsstruktur: Der Generalmusikdirektor (GMD) muss das Führungstrio des
Hauses verlassen. Mit der „schlankeren“ Leitung werde das Theater
„zukunftsfähig“ aufgestellt, betonen der Kulturdezernent Michael Frost wie
auch die Theaterspartenleiter in einem Brief ans Orchester.
2026 wird GMD Marc Niemann das Stadttheater nach zwölf Dienstjahren auf
eigenen Wunsch verlassen. Seine Nachfolge wurde ausgeschrieben, ein
mehrstufiges Auswahlverfahren läuft derzeit. Dass der neue GMD von der
Personalamtsleiterin, dem Kulturdezernenten, der Verwaltungsdirektorin und
dem Intendanten, also ohne Beteiligung des Orchesters bestimmt wird, sorgt
ebenfalls für Kritik.
Im Hintergrund geht es um Tietje selbst
Laut Tietje handelt es sich nicht um einen demokratischen, sondern
partizipativen Prozess. Bei der Vorauswahl sei das Orchester beteiligt. Im
Hintergrund der Debatte geht es um Tietje selbst. Sein Vertrag endet
ebenfalls 2026, eine Verlängerung wird aber von ihm sowie vom derzeitigen
wie auch künftigen Kulturdezernenten angestrebt und soll im November vom
Magistrat beschlossen werden.
Derzeit wird das Theater von der Verwaltungsdirektorin, dem Intendanten und
dem GMD geleitet. Der GMD kann nicht nur beratend, sondern entscheidend auf
höchster Machtebene die Entwicklung des Theaters mitbestimmen sowie das
Orchester unabhängig leiten und vermarkten.
Festgeschrieben ist, dass der GMD die Hoheit über das Konzertprogramm und
die Besetzungen sowie die Personal- und Etatverantwortung fürs Orchester
hat. Einvernehmlich muss er sich mit Tietje auf den Musiktheaterspielplan
einigen, der Intendant darf das restliche Theaterprogramm bestimmen.
Ab 2026 hat der GMD nur noch eine von Tietje delegierte Verantwortung fürs
Orchester. Er ist auch nicht mehr mit festgeschriebenen Kompetenzen bei der
Stadt angestellt, sondern wie jede:r Schauspieler:in mit einem
„Normalvertrag Bühne“ dem Intendanten unterstellt und muss alle
GMD-Befugnisse mit Tietje aushandeln.
Warum der GMD aus der Dreierleitung entfernt wird? Es sei nicht sinnvoll,
dass er für alles Mitverantwortung habe, erklärt der Intendant.
Orchestersprecher Michael Pfannschmidt spricht von Entmachtung,
Degradierung und einem antimodernen Schachzug. Während bundesweit darüber
diskutiert wird, dass die fehleranfällige Machtkonzentration auf einen
Theaterfürsten überholt, die Führungsetage breiter aufzustellen sei, gehe
Bremerhaven den entgegengesetzten Weg. Künstlerisch ist Tietje zukünftig
der Alleinverantwortliche.
Je größer eine Gruppe Gleichberechtigter sei, desto schwieriger sei die
Führungsarbeit, sagt der Intendant. Er selbst habe 17 Jahre in Nordhausen
und Schwerin „im Wortlaut der besorgten Bürger als Alleinherrscher“
gearbeitet, damit gute Erfahrungen gemacht, aber auch gelernt, dass das nur
miteinander gehe.
So hat er in Bremerhaven eine mittlere Führungsebene der Sparten- und
Abteilungsleitungen – ohne Orchesterbeteiligung – eingeführt. „Dort
besprechen wir alle Entscheidungen auf Augenhöhe“, sagt Tietje. „Ich könn…
überall reinreden, tue es aber nicht. Ich stelle nur Verbindungen her mit
dem Blick fürs Ganze.“
## Fidele Klassiker
Die Spartenleiter haben in einem Gespräch mit dem Orchester erklärt, dass
alle gern so mit Tietje weiterarbeiten würden, da es gut laufe. Auch
deswegen soll der GMD 2026 auf die mittlere Leitungsebene zurückgestuft
werden. Das Orchester fordert hingegen „einen GMD mit klarer
Führungsverantwortung“, so Pfannschmidt. Er bleibt skeptisch. Bisher kann
der GMD laut Dienstvertrag den Anweisungen des Intendanten in Fragen des
Orchesters widersprechen. Und tat das auch.
Dass Tietjes Vertrag mit dem Machtzuwachs verlängert werden soll, wirkt
befremdlich. Die Zuschauerzahlen des Stadttheaters sind schlecht. Die
Anzahl der Premieren ist bereits in dieser Saison reduziert,
Spielplanlücken müssen durch Wiederaufnahmen kompensiert werden.
Tietje hat in dem Theater keinen Aufbruchsfuror entfacht wie Vorgänger
Ulrich Mokrusch, [3][mit wenigen Ausnahmen] steht das Haus für biederes
Stadttheater. Neue Formate sind im Spielplan nicht zu entdecken. Immerhin
hat Tietje mit einer Sommer-Open-Air-Bühne dank fideler Klassiker die
Publikumsbindung ans Theater verstärkt. Aber üppig überzeugend scheinen die
Argumente für Tietje nicht.
29 Oct 2024
## LINKS
[1] /Intendant-verbietet-politische-Aeusserungen/!5477585
[2] /Umstrittener-Theaterintendant/!5703461
[3] /Theaterstueck-Der-Vorfall/!5994160
## AUTOREN
Jens Fischer
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