| # taz.de -- Verfassungsgericht zu Altanschließern: Jede Menge Abwasser im Rech… | |
| > Karlsruhe beendet den langen Rechtsstreit mit „Altanschließern“ in | |
| > Ostdeutschland. Es geht um überdimensionierte Kläranlagen – und viel | |
| > Geld. | |
| Bild: Nach dieser Gerichtsentscheidung denk so macher verdammte Sch... | |
| Freiburg taz | Zehntausende Grundstückseigentümer in Ostdeutschland müssen | |
| die Hoffnung aufgeben, die aus ihrer Sicht illegitimen Kosten für den | |
| Anschluss an Wasser- und Abwasserversorgung zurückzubekommen. Das | |
| Bundesverfassungsgericht hat in einem Musterfall eine entsprechende Klage | |
| abgewiesen. | |
| In Ostdeutschland kennt man das Problem als | |
| [1][„Altanschließer“-Problematik]. Doch der inzwischen jahrzehntelange | |
| Rechtsstreit ist so kompliziert, dass ihn kaum noch jemand versteht – und | |
| die neue Karlsruher Entscheidung dürfte die Akzeptanz bei den Betroffenen | |
| nicht erhöht haben. | |
| Das Problem entstand, als nach der Wende in Brandenburg zu viele und zu | |
| groß dimensionierte [2][Kläranlagen] gebaut wurden. Weil Brandenburg dünn | |
| besiedelt ist, verlangten die Abwasserverbände von den | |
| Grundstückseigentümern nun Anschlusskosten in Höhe von teilweise mehreren | |
| Tausend Euro. Eigentümer, die schon zu DDR-Zeiten an die Kanalisation | |
| angeschlossen waren – die sogenannten Altanschließer –, wollten deshalb f�… | |
| die neuen Anlagen nicht zahlen. | |
| Es gab lange Gerichtsverfahren. Die meisten Satzungen der Abwasserverbände | |
| wurden für unwirksam erklärt. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts | |
| (OVG) Brandenburg waren deshalb im Jahr 2000 viele Kostenbescheide | |
| verjährt. | |
| ## „Für die Bürger nur schwer zu verstehen“ | |
| In dieser verfahrenen Situation beschloss der Brandenburger Landtag 2003 | |
| eine hoch umstrittene Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG). Folge: | |
| Viele Kostenbescheide galten nun doch nicht als verjährt. 2015 dann | |
| entschied das Bundesverfassungsgericht, die KAG-Änderung führe zu einer | |
| rechtsstaatlich unzulässigen Rückwirkung. | |
| Nach dem Karlsruher Beschluss von 2015 erhielten aber nur diejenigen ihre | |
| Beiträge zurück, die bis zuletzt Widerspruch eingelegt und geklagt hatten. | |
| Die anderen gingen leer aus. Deshalb klagten diese nun auf Schadensersatz | |
| gegen die Abwasserverbände. Laut TV-Sender rbb umfassten beide Gruppen rund | |
| 80.000 Personen. | |
| Im Juni 2019 kam der Bundesgerichtshof (BGH) dann zu dem völlig | |
| überraschenden Ergebnis, dass die Kostenbescheide doch nicht verjährt waren | |
| und die problematisch-rückwirkende KAG-Änderung völlig unnötig war. Dem | |
| folgte im November 2019 das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg und lehnte | |
| deshalb den Anspruch der verbliebenen Altanschließer auf Rückzahlung ihrer | |
| geleisteten Beiträge ab. | |
| Natürlich riefen die Betroffenen wieder das Bundesverfassungsgericht an – | |
| diesmal aber ohne Erfolg. Es sei zwar für die Bürger nur schwer zu | |
| verstehen, aber bei der Frage, ob ein Beitragsbescheid verjährt sei oder | |
| nicht, könnten OVG und OLG Brandenburg durchaus zu unterschiedlichen | |
| Ergebnissen kommen. Das sei eben die Folge davon, dass Richter im | |
| Rechtsstaat unabhängig sind. Beide Ergebnisse seien auch methodisch | |
| vertretbar, weshalb keine Willkür vorliege. Damit scheint der Prozess nun | |
| endgültig zu Ende zu sein. | |
| Immerhin sorgten die Richter in einer Teilfrage für Klarheit. So müsse die | |
| Beitragserhebung spätesten 25 Jahre nach dem Anschluss an Wasser- und | |
| Abwasserversorgung beginnen. Die kommunalen Zweckverbände haben also nicht | |
| unendlich viel Zeit. (Az.:1 BvR 2838/19) | |
| 11 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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