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# taz.de -- Schulstart in Berlin: Regelbetrieb im Ausnahmezustand
> Der Unterricht nach den Sommerferien startet wieder – trotz Corona ohne
> Abstandsregeln. Jede Schule reagiert individuell auf diese
> Herausforderung.
Bild: Begrüßung mit Minimalkontakt unter GrundschülerInnen
So ganz hundertprozentig hatte die Nürtingenschule am Donnerstag die
Probleme noch nicht gelöst, die mit dem Schulstart an diesem Montag auf sie
zukommen. 550 Kinder lernen in der Grundschule am Kreuzberger
Mariannenplatz, einige mit schweren körperlichen und/oder geistigen
Behinderungen, viele mit besonderem Förderbedarf.
„Wir wissen noch nicht, wie wir das mit dem Schüler*innenparlament machen
sollen“, sagt Boris Gukelberger, Leiter der Schulsozialarbeit. Dafür
treffen sich normalerweise einmal im Monat je zwei Vertreter*innen aller
Klassen, „aber wir wollen ja versuchen, die Gruppen, so gut es geht,
getrennt zu halten“, sagt Gukelberger. Vermutlich wird das Parlament erst
mal in kleineren Gruppen im Freien tagen.
Gemessen an den Herausforderungen, vor denen Berlins rund 800 allgemein
bildende Schulen insgesamt durch Corona stehen, ist das fast ein
Luxusproblem. Die große Frage ist: Wie bekommt Bildungssenatorin Sandra
Scheeres (SPD) den Unterricht für alle organisiert – schließlich besteht
Schulpflicht, wie die Senatorin nicht müde wird zu betonen – und
gleichzeitig den Schutz von SchülerInnen und Lehrkräften vor einer
Infektion mit dem Virus garantiert?
Derzeit gelingt Ersteres – da sind sich die BildungsministerInnen der
Bundesländer einig – nur durch die Aufhebung der Abstandsregeln von 1,5
Meter, die sonst fast überall gelten. Eine erneute Teilung der Klassen, die
mit viel Koordinations- und hohem Personalaufwand verbunden ist, will man
angesichts der vergleichsweise noch geringen Infektionszahlen vermeiden.
Dass nicht allen Betroffenen alle Vorgaben schlüssig erscheinen, gehört
dazu, wie allgemein beim Umgang mit dem Virus. So ist etwa die von Scheeres
beschlossene dezente Maskenpflicht umstritten: Ein Mund-Nase-Schutz muss
auf Gängen und in Gemeinschaftsräumen getragen werden, aber nicht während
des Unterrichts und auf dem Pausenhof. Begegnungen von SchülerInnen aus
unterschiedlichen Klassenverbänden sollen vermieden, Hände oft gewaschen
werden. Die Senatorin setzt auch stark aufs Lüften der Klassenzimmer –
wobei das nicht in allen Räumlichkeiten so umfassend, wie von
WissenschaftlerInnen gefordert, möglich ist, zum Beispiel, weil Fenster zu
klein oder defekt sind.
## Spuckschutz am Lehrerpult
Und so kämpfen alle Schulen mit Problemen, die sie bisher nicht kannten und
auf die sie nicht vorbereitet waren. In der Nürtingenschule etwa wird auch
das Essen in der Mensa ein Problem, sagt Schulleiter Markus Schega. „Zwar
gelten die Abstandsregeln nicht, aber da sitzen die SchülerInnen Schulter
an Schulter.“ Das werde man entzerren müssen. Die Schule will kein Risiko
eingehen.
Denn schließlich gehören manche Kinder an der Kreuzberger Grundschule
aufgrund ihrer Beeinträchtigungen zur Corona-Risikogruppe. Bei ihrer
Betreuung ist enger körperlicher Kontakt unvermeidlich. „Wir statten unsere
MitarbeiterInnen mit allen Sicherheitsvorkehrungen aus, die sie haben
möchten“, sagt Schega. Dazu gehören Schutzmasken – auch für Kinder, die
keine eigenen haben –, Gesichtsvisiere, Handschuhe und Desinfektionsmittel,
aber auch ein Spuckschutz an manchen Lehrerpulten. Die Mittel dafür kommen
zum Teil vom Schulamt, „zum Teil aus unserem Etat“, sagt der Schulleiter.
„Für die Kinder, die in unsere Schule gehen, müssen wir die Verhältnisse so
machen, dass sie kommen können“: Das ist Schegas Prinzip – nicht erst, seit
Corona Mitte März den Präsenzunterricht lahmgelegt hatte. Auch vor den
Ferien seien nur wenige Kinder nicht zur Schule gekommen, erzählt er. Und
während des Shutdown habe die Schule viel gelernt, das ihr jetzt
zugutekomme, ergänzt Sozialarbeiter Gukelberger.
Es gibt berlinweit nicht wenige SchülerInnen, die sich vor einer
Corona-Infektion fürchten und deswegen Angst haben, ab Montag wieder in den
Unterricht zu gehen. Aber sie müssen, das hat Senatorin Scheeres
klargestellt. Ausnahmen gebe es nur bei Vorerkrankungen wie Krebs oder
Asthma; dafür sei ein Attest nötig. Ähnlich dürfte es LehrerInnen gehen. 7
Prozent gelten derzeit offiziell als risikogefährdet. Sie gehen deswegen
nicht in Klassen, und könnten sich stattdessen zum Beispiel um gefährdete
SchülerInnen kümmern, sie einzeln unterrichten oder das Homeschooling
organisieren, hofft die Bildungsverwaltung.
## Erfahrungen aus dem Homeschooling
Wie effizient der Heimunterricht allein oder unter Aufsicht der Eltern war,
ist eine der großen Debatten nach den zwei Monaten quasi ohne Schule von
Ende April bis Ende Juni. An der Nürtingenschule wurde mit Fragebögen für
Kinder und für Eltern erfasst, wie das Homeschooling gelaufen ist – um es
besser zu machen, falls erneut ein Lockdown kommt.
Unter anderem mit dem YouTube-Kanal „Nürti United“ haben Lehrkräfte,
Erzieher*- und Sozialarbeiter*innen Kontakt zu den Schüler*innen gehalten –
da wurde Sport gemacht, gebastelt, aber auch vorgelesen. „Dabei haben wir
alle, auch die Kinder, viel über den Einsatz digitaler Medien gelernt“,
sagt Schega. Und noch einen Nutzen habe der Lockdown gehabt, sagt
Sozialarbeiter Gukelberger: „Wir haben engeren Kontakt zu den Familien
gehabt und sie viel besser kennengelernt.“ Doch Schulleiter Schega ist
froh, dass nun der Vollunterricht in der Schule wieder anfängt: „Die
Homeschooling-Situation ist verheerend für die Kinder, die sowieso schon
schlechte Karten haben.“
Schade finden beide, dass wegen Corona weder die Verabschiedung der
Abgänger*innen auf die Oberschulen noch der Empfang der neuen
Erstklässler*innen, die am kommenden Samstag starten, wie gewohnt
stattfinden konnte. „Normalerweise haben wir vorab Kontakt zu ihnen,
besuchen sie in ihren Kitas und sie besuchen uns hier in der Schule“, sagt
Schega.
Dafür bietet die Schule den Anfänger*innen an, schon in dieser Woche zu
kommen, um sich einzugewöhnen. „Und die Einschulungsfeiern machen wir in
diesem Jahr in sechs Durchgängen mit je 14 bis 20 Kindern am Freitag und am
Samstag“, erklärt Schega: „Damit alle auch genug Gäste mitbringen können…
10 Aug 2020
## AUTOREN
Alke Wierth
Bert Schulz
## TAGS
Schulstart
Sandra Scheeres
Maskenpflicht
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