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# taz.de -- Gestürzte Statue in Bristol: Black Power ersetzt Sklavenhändler
> Die englische Stadt Bristol weiß nicht, was mit dem Colston-Denkmalort
> passieren soll. Ein Künstler hat jetzt einfach Fakten geschaffen.
Bild: Die neue Statue – wenn sie es denn bleibt
London taz | Eine junge Frau steht seit Neuestem in Bristol auf dem Sockel,
wo einst der Sklavenhändler Edward Colston stand. Auf ihren offenen
welligen schulterlangen Haaren trägt sie eine Baskenmütze, über ihrem
Sommerkleid eine offene Jeansjacke. Über ihre Taille ist ein Gürtel mit
großer Schnalle gebunden. So angezogen hebt sie ihre Rechte mit einem
Handschuh zum Black-Power-Symbol – der hochgestreckten Faust.
Diese Darstellung aus Kunstharz und Stahl, sie zeigt die Bristolerin Jen
Reid, eine der Beteiligten [1][am Denkmalsturz von Edward Colston vor
wenigen Wochen], prangt seit Mittwochfrüh im Zentrum Bristols. Künstler
Marc Quinn nennt sie „A Surge of Power (Jen Reid) 2020“. Auf dem Boden
stand vor der Statue am Mittwochmorgen auch ein kleines handgeschriebenes
Schild mit den Worten „Black Lives Still Matter“.
Eine Genehmigung der Stadt hat Quinn dafür nicht, obwohl er die Statue
professionell und mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen aufstellen
und befestigen ließ. Die Stadt hat den Entscheidungsprozess über einen
möglichen Ersatz für die von Black-Lives-Matter-Protestierenden ins Wasser
gekippte Statue Colstons noch gar nicht richtig begonnen. Klar ist: Die aus
dem Hafenbecken geborgene Statue soll im Museum landen und [2][ihr Sturz
vor Gericht]: Nach Beschwerden der britischen Innenministerin Priti Patel,
die die Entfernung der Statue als Schande bezeichnet hatte, wurde Anfang
des Monats ein 24-jähriger Mann unter dem Verdacht der Sachbeschädigung
festgenommen und auf Bewährung freigelassen.
Für den Ersatz gibt es Vorschläge des aus Bristol stammenden
Graffiti-Künstlers Banksy sowie die Idee, hier den Schwarzen Paul
Stephenson zu ehren, der 1963 einen Boykott gegen Bristols Verkehrsbetriebe
anführte, als die sich weigerten, „Farbige“ einzustellen. Nach 60 Tagen
intensiver Kampagne hatte das Unternehmen am Tag von Martin Luther Kings „I
have a Dream“-Rede klein beigegeben.
## Von Instagram auf den Sockel
Auf die Idee mit dem Reid-Denkmal kam Quinn, als er auf dem Instagramkonto
von Reids Ehemann ein Foto von ihr in der gleichen Pose auf der
Säulenplatte sah. Reid und ihr Mann hatten sich am Tag des Denkmalsturzes
am Black-Lives-Matter-Protest in Bristol beteiligt. „Jen hat die Statue
geschaffen, ich habe sie lediglich verfestigt, damit es mehr sehen können“,
erklärte Quinn der BBC. Reid musste sich hierzu in der gleichen Kleidung,
die sie auf dem Foto trug, in Quinns Studio begeben und wurde dort von
einem 3D-Laser-Scanner mit 201 Kameras gescannt. Sowohl Reid als auch Quinn
verstehen die Aufstellung der Statue als Fortsetzung des Gesprächs zum
Thema Black Lives Matter.
Sich selber auf dem Sockel zu sehen, mache ihr Gänsehaut, sagte Reid, als
sie am Morgen vor der Statue ihrer selbst stand. „Es geht darum, was es für
die Welt, für Bristol und für mich persönlich und meine Familie bedeutet.“
Auf die Frage, ob es ein Problem für Reid darstelle, dass Quinn ein weißer
Brite sei, antwortete sie dem Guardian, dass es „keinen Unterschied macht,
welche Hautfarbe Verbündete haben“.
Wie lange die Statue dort bleibt, ist unklar. Bristols Schwarzer
Bürgermeister Marvin Rees, der die Entfernung Colstons noch als
„historische Poesie“ bezeichnet hatte, betonte, dass die Aktion unerlaubt
sei und die Entscheidung über die Zukunft dieses Gedenkortes eine
Entscheidung aller Bürger*innen Bristols sein müsse.
15 Jul 2020
## LINKS
[1] /Black-Lives-Matter-Protest-in-England/!5692293&s=Bristol/
[2] /Black-Lives-Matter-Protest-in-England/!5687866
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Großbritannien
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Schwerpunkt Rassismus
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