# taz.de -- Recht auf Vergessenwerden: Google darf wahre Berichte zeigen | |
> Öffentliches Interesse über Persönlichkeitsrecht: Der BGH hat | |
> entschieden, wie das Recht auf Vergessenwerden bei Suchmaschinen | |
> anzuwenden ist. | |
Bild: Unzufrieden mit den eigenen Suchergebnissen? Das Recht auf Vergessenwerde… | |
KARLSRUHE taz | In einem Musterfall hat der Bundesgerichtshof gezeigt, wie | |
das [1][Recht auf Vergessenwerden] künftig bei Suchmaschinen wie Google zu | |
handhaben ist. Einen zweiten Fall hat der BGH allerdings dem Europäischen | |
Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dort geht es um Informationen, deren | |
Wahrheitsgehalt umstritten ist. | |
Das Recht auf Vergessenwerden geht auf ein Urteil des EuGH von 2014 zurück. | |
Eine Privatperson kann seither von Google verlangen, dass bestimmte Links | |
nicht mehr in den Suchergebnissen zu ihrer Person auftauchen. Dieses Recht | |
auf Vergessenwerden wurde dann in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), | |
die seit 2018 EU-weit gilt, näher ausgestaltet. | |
Danach kann der Anspruch auf Auslistung darauf gestützt werden, dass die | |
Information falsch oder veraltet ist. Es kann aber auch genügen, dass der | |
Betroffene einfach den Zugang zu einer ihm unangenehmen Information | |
erschweren will. Dieser Auslistungsanspruch gilt aber laut DSGVO nicht, | |
wenn dem die Meinungs- oder Informationsfreiheit entgegensteht. | |
Deshalb müssen, so nun der BGH, in jedem Einzelfall die EU-Grundrechte der | |
Beteiligten gegeneinander abgewogen werden. Auf der einen Seite steht das | |
Persönlichkeitsrecht des Antragstellers, auf der anderen Seite die | |
unternehmerische Freiheit von Google, die Pressefreiheit des verlinkten | |
Mediums sowie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. | |
## Information weiter relevant | |
Im konkreten Musterfall wollte der ehemalige Geschäftsführer des | |
Arbeitersamariterbunds (ASB) Mittelhessen verhindern, dass bei der | |
Google-Suche nach seinem Namen Presseberichte aus den Jahren 2011 bis 2013 | |
in der Trefferliste erscheinen. Daraus ging hervor, dass der | |
Regionalverband in seiner Amtszeit ein Defizit von etwa einer Million Euro | |
aufwies und er in der Krise krankgeschrieben war. | |
Wie die Vorinstanzen lehnte der BGH die Klage des Ex-Geschäftsführers ab. | |
Der Vorgang sei damals von großem Interesse gewesen. Der Regionalverband | |
Mittelhessen sei mit rund 500 Beschäftigten und 35.000 Mitgliedern der | |
zweitgrößte ASB-Teilverband bundesweit. Seine Angebote von Kinderbetreuung | |
bis Altenpflege erreichten viele Menschen in der Region, argumentierte der | |
Vorsitzende Richter Stephan Seiters. Das Interesse bestehe deshalb auch | |
Jahre später noch fort, da die Krise zu Sparprogrammen geführt habe. So sei | |
der Betreuungsschlüssel in den Kitas verschlechtert worden. | |
Auch die Person des mitverantwortlichen Geschäftsführers sei in diesem | |
Zusammenhang von Interesse. Die Erwähnung der Krankschreibung könne dabei, | |
so Richter Seiters, auch entlastend wirken. Denn so werde deutlich, dass | |
der Sozialmanager nicht entlassen wurde, sondern aus gesundheitlichen | |
Gründen abwesend war. Eine zeitliche Grenze nannte der BGH nicht. Im | |
konkreten Fall konnte nach sieben Jahren noch keine Auslistung verlangt | |
werden. Es komme aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an. | |
Von diesem Musterfall unterschied sich der zweite Fall in einem | |
entscheidenden Punkt: Hier war umstritten, ob die von Google verlinkten | |
Informationen korrekt waren. Kläger war hier ein | |
Finanzdienstleister-Ehepaar, das von einer US-Webseite als unseriös | |
gebrandmarkt wurde. Das Ehepaar warf seinerseits den Amerikanern vor, es | |
berichte falsch, um die Betroffenen zu erpressen. Google lehnte den | |
Auslistungsantrag ab, man könne nicht beurteilen, ob die US-Berichte | |
korrekt seien. | |
## In etwa einem Jahr zurück | |
Der BGH hat den Fall nun dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil der | |
EU-Gerichtshof für die Auslegung der DSGVO zuständig ist. Der BGH hat | |
zugleich aber auch eine eigene Lösung vorgeschlagen. Danach müsse das | |
Ehepaar zunächst im Eilverfahren die US-Webseite verklagen, um den | |
Wahrheitsgehalt der Berichte zu klären. Nur wenn dabei die Unwahrheit der | |
Berichte festgestellt wird, könne das Ehepaar von Google eine Auslistung | |
der Berichte wegen Fehlerhaftigkeit verlangen. | |
Der EuGH wird in etwa einem Jahr entscheiden, danach kommt der Fall wieder | |
an den BGH zurück. | |
27 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /EuGH-zu-Ergebnissen-von-Suchmaschinen/!5625196 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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