# taz.de -- Reaktionen auf Fleischgipfel und Tönnies: Kein Schlachtermeister d… | |
> Schalke-Fans demonstrieren gegen Aufsichtsratchef Tönnies. Der | |
> Fleischskandal trifft auch Bayerns Bauern. Und die Grünen fordern eine | |
> bessere Tierhaltung. | |
Bild: Schalke-Fans haben keinen Bock mehr auf ihn: Clemens Tönnies | |
GELSENKIRCHEN/DÜSSELDORF/MÜNCHEN/KEMPTEN/BAMBERG dpa/epd | Zeitgleich zum | |
letzten Saisonspiel der Fußball-Profis des FC Schalke 04 beim SC Freiburg | |
demonstrieren am Samstag Fans des Bundesligisten an der heimischen | |
Veltins-Arena. Maximal 2.000 Besucher sind unter Einhaltung der | |
Hygienevorschriften für die Demonstration ab 15.30 Uhr zugelassen. | |
Unter dem Motto „Schalke ist kein Schlachthof – gegen die Zerlegung unseres | |
Vereins“ wollen die Fans aufmerksam machen auf Missstände und | |
Fehlentwicklungen im Club und im Fleischunternehmen [1][des | |
Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies]. Der 64-jährige Firmenchef ist | |
unter starken Druck geraten, nachdem es bei Mitarbeitern seines | |
Unternehmens in Rheda-Wiedenbrück zu massenhaften Coronavirus-Infektionen | |
gekommen war. | |
Sollten mehr als 2.000 Menschen zu der Demonstration kommen, behält sich | |
die Gelsenkirchener Polizei in Absprache mit der Stadt Maßnahmen bis hin | |
zum Abbruch der Veranstaltung vor. | |
## Reisen nur mit ärztlichem Attest | |
Im Kreis Gütersloh, zu dem der Tönnies-Fleischwerk-Standort | |
Rheda-Wiedenbrück gehört, liegt die wichtige Kennziffer der Neuinfektionen | |
pro 100.000 Einwohner [2][mit dem Coronavirus] innerhalb der vergangenen | |
sieben Tage weiter deutlich über der entscheidenden Marke von 50. Das geht | |
aus den am Samstag veröffentlichten Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) | |
hervor. Der Kreis Gütersloh ist der einzige Kreis in Deutschland oberhalb | |
dieser Marke. | |
Nach den jüngsten RKI-Daten gab es im Kreis Gütersloh 164,2 Neuinfektionen | |
pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen – nach zuvor 177,7 | |
Fällen am Freitag. Am Dienstag betrug der Wert laut | |
NRW-Gesundheitsministerium noch 270,2. Hintergrund ist | |
Nachdem bereits mehrere Bundesländer Einschränkungen für Reisende aus einem | |
[3][Corona-Hotspot wie dem Kreis Gütersloh] auf den Weg gebracht hatten, | |
gab es am Freitagabend eine Bund-Länder-Einigung dazu. | |
Die Länder werden nach dem Beschluss in den besonders betroffenen Gebieten | |
Vorsorge treffen, dass Reisende aus einem Landkreis oder einer kreisfreien | |
Stadt mit kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern | |
innerhalb der letzten sieben Tage nur dann in einem Beherbergungsbetrieb | |
untergebracht beziehungsweise ohne Quarantänemaßnahme in ein Land einreisen | |
werden dürften, wenn sie „über ein ärztliches Zeugnis in Papier- oder | |
digitaler Form verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für | |
das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vorhanden | |
sind“. | |
## Schlachtstop bei Tönnies bremst Fleischmarkt in Bayern | |
Der Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies macht auch bayerischen | |
Bauern Sorgen. Vor allem der vorübergehende Stopp von Schlachtungen in den | |
Tönnies-Standorten Kempten und Bamberg macht sich bemerkbar und führt zu | |
einer Kettenreaktion, die bis zu den Kälberzüchtern durchschlägt. | |
„Die Bullen gehen zögerlicher aus den Ställen, der ganze Markt ist dadurch | |
irgendwo gebremst“, sagte der Geschäftsführer der Allgäuer | |
Herdebuchgesellschaft, Thomas Bechteler. Dadurch sei auch die Nachfrage | |
nach Kälbern zur Mast im Moment eingeschränkt. Bei einem Unternehmen wie | |
Tönnies, das enorme Mengen schlachte, habe das von einer Woche auf die | |
andere Auswirkungen. | |
Ein Grund dafür, dass ein Corona-Ausbruch in Nordrhein-Westfalen | |
Schockwellen bis nach Bayern schicken kann, [4][sind die Strukturen mit | |
immer größeren Schlachtbetrieben]. Diese seien über Jahrzehnte gewachsen, | |
auch durch striktere Standards, sagt Bechteler. Viele kleine Betriebe | |
hätten geschlossen. „Wenn man das heute wieder aufbauen will, braucht man | |
enorme Investitionen“, betonte er. „Wir beobachten zwar eine Tendenz der | |
Betriebe in Richtung regionale Vermarktung“, aber noch existiere das „im | |
Kopf mehr als in der Realität“. | |
## Grüne fordern regionale Fleischerzeugung | |
Nach dem „Fleischgipfel“ von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner | |
(CDU) und Branchenvertretern fordern Die Grünen im Bundestag eine | |
Kehrtwende zu einer grundsätzlich neuen Tierhaltung und Fleischerzeugung in | |
Deutschland sowie Auskunft über Soforthilfen für die infizierten | |
Tönnies-Mitarbeiter. | |
„Wir brauchen eine regionale Erzeugung, Verarbeitung und Verbrauch statt | |
industriellen Mega-Schlachtfabriken“, sagte der Grünen-Agrarexperte | |
Friedrich Ostendorff am Samstag. Die Verantwortung für die Art und Weise, | |
wie Tiere gehalten werden und Fleisch erzeugt wird, liege bei der | |
Agrarministerin. Von ihr höre man „schöne Worte“, aber wenig Antworten auf | |
Fragen. | |
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte eine verbindliche | |
Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung, wie es sie bereits für Eier gebe. | |
Fleisch dürfe zudem nicht mehr unter dem Produktionspreis verkauft werden. | |
Um den Umbau der Tierhaltung zu fördern, solle die Regierung einen | |
„Tierschutzcent“ einführen. | |
Die FDP bezeichnete es dagegen als „falschen Weg“, Landwirte bei der | |
Etablierung von besseren Haltungsbedingungen von einer Tierwohl-Abgabe | |
abhängig zu machen. „Vielmehr fehlt es an marktwirtschaftlichen Impulsen, | |
mit mehr Freiraum beim Umbau von Ställen“, sagte FDP-Fraktionsvize Frank | |
Sitta den Funke-Zeitungen. | |
## Klöckner will verpflichtende Abgabe für Tierwohl | |
Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), | |
appellierte an den Einzelhandel, Werbung mit billigen Fleischprodukten zu | |
unterlassen. „Es geht nicht, dass wir mit dem Produkt Fleisch, für das im | |
Übrigen immer ein Tier gestorben ist, Lockvogel-Angebote zum Einkaufen | |
machen.“ | |
Der DGB drängt derweil die Bundesregierung, die Eckpunkte von | |
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für bessere Arbeitsbedingungen in der | |
Fleischindustrie schnellstmöglich in Gesetzesform zu bringen. „Wir brauchen | |
schnellstmöglich ein Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie und | |
Regeln für die Unterbringung von Beschäftigten“, sagte Vorstandsmitglied | |
Piel. | |
Klöckner hatte beim „Branchengespräch Fleisch“ am Freitag in Düsseldorf | |
ihre Forderung nach einer europarechtlich verbindlichen Tierwohlabgabe für | |
Fleischprodukte bekräftigt. Mit einem Aufpreis von 40 Cent je Kilo Fleisch | |
im Handel solle ein Umbau der Ställe unterstützt werden. | |
Angesichts mehrerer Corona-Hotspots in großen Schlachtbetrieben hatte das | |
Bundeskabinett im Mai Eckpunkte zur Verschärfung der Auflagen für die | |
Fleischindustrie beschlossen. Dazu gehören häufigere | |
Arbeitsschutz-Kontrollen, höhere Bußgelder und Auflagen für die | |
Unterbringung ausländischer Arbeiter. Kern ist ein Verbot von Werkverträgen | |
ab Januar kommenden Jahres, damit Betriebe die Verantwortung nicht länger | |
auf Subunternehmer abwälzen können. | |
27 Jun 2020 | |
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teurer. | |
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