| # taz.de -- Prostitution und Polizei: Ein Schutz, der gefährdet | |
| > In Berlin sollen SexarbeiterInnen auf Kondome kontrolliert worden sein – | |
| > als Indiz für illegale Sexarbeit. Die Polizei dementiert. | |
| Bild: Immer wieder Anlass für politische Konflikte: der Straßenstrich in der … | |
| Berlin taz | Auf dem Straßenstrich in der Kurfürstenstraße dürfte | |
| eigentlich gerade keine Sexarbeit angeboten werden – die | |
| Corona-Eindämmungsverordnung des Berliner Senats verbietet sexuelle | |
| Dienstleistungen. Dass dieses Verbot nicht alle abschreckt, davon kann man | |
| sich bei einem Gang durch das [1][Viertel an der Potsdamer Straße] | |
| überzeugen – zumindest sieht es für den Laien so aus. | |
| Jetzt gibt es Kritik daran, wie die Polizei mit dieser Tatsache umgeht: Die | |
| Deutsche Aidshilfe twitterte am Dienstag, sie habe von einer Streetworkerin | |
| die Information bekommen, dass eine größere Gruppe von BeamtInnen am Montag | |
| mutmaßliche Prostituierte in der Kurfürstenstraße angesprochen hätte. Die | |
| Frauen seien aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen, anderenfalls | |
| werde man ihre Taschen auf Kondome kontrollieren – als Beleg für ihre | |
| Tätigkeit. Der taz gegenüber bestätigte die Streetworkerin dies. | |
| Die Aidshilfe teilte auch den Tweet eines Transaktivisten, der diese | |
| Information nach eigenen Angaben ebenfalls erfahren hatte. Er schrieb, | |
| [2][im Netzwerk „Trans*Sexworks“] habe man auch Kenntnis davon, dass eine | |
| Frau schon vor rund zwei Monaten durchsucht worden sei „und gefundene | |
| Kondome als ‚Beweis‘ gesehen wurden, dass sie Sexarbeiterin ist. Diese | |
| Praxis ist nichts Neues.“ | |
| Sollte das zutreffen, wäre es ein „Skandal“, findet Holger Wicht, der | |
| Sprecher der Deutschen Aidshilfe: Es „wäre in höchstem Maße schädlich, we… | |
| Frauen in irgendeiner Form dafür negativ sanktioniert werden, dass sie ein | |
| Kondom dabeihaben“, sagte er zur taz. „Ganz unabhängig von der | |
| Coronaverordnung ist es positiv zu bewerten, wenn Menschen sich vor | |
| Infektionen schützen, auch wenn sie in prekären oder sogar in nicht legalen | |
| Situationen handeln.“ | |
| ## In die Unsichtbarkeit gedrängt | |
| So sieht es auch Lonneke Schmidt-Bink, die Leiterin des Frauentreffs Olga, | |
| der in der Kurfürstenstraße seit Jahren Sexarbeiterinnen, süchtige und | |
| obdachlose Frauen berät. Es sei aus sozialarbeiterischer Sicht schon fatal, | |
| dass [3][das aktuelle Sexarbeitsverbot] die Frauen in die Unsichtbarkeit | |
| dränge. Wenn die Polizei jetzt noch Taschen nach Kondomen kontrolliere, | |
| „kann das eine gesundheitliche Katastrophe werden“, so Schmidt-Bink. Die | |
| Berichte habe sie auch im Frauentreff gehört. Dort werden Kondome verteilt, | |
| die Frauen seien aber jetzt unsicher, ob sie diese mitnehmen sollten. | |
| Grundsätzlich stünden derzeit deutlich weniger Frauen auf der Straße, sagt | |
| Schmidt-Bink. „Auch in der Beratungsstelle erreichen wir zurzeit weniger | |
| Frauen als sonst.“ Sie glaube aber nicht, dass tatsächlich viel weniger | |
| Frauen der Prostitution nachgingen. „Die meisten haben keine Wahl, weil sie | |
| süchtig sind oder weil sie als Osteuropäerinnen keine Grundsicherung | |
| bekommen.“ | |
| Was ist nun dran an den Vorwürfen? Die Aidshilfe hatte schon am Dienstag | |
| bei der Polizei angefragt. „Uns wurde gesagt, das Social-Media-Team werde | |
| sich im Laufe des Dienstags auf Twitter dazu äußern“, sagt Holger Wicht. | |
| Dort passierte aber nichts. Eine Anfrage der taz ließ die Polizei am | |
| Mittwoch ebenfalls unbeantwortet. | |
| Am Donnerstagmorgen dementierte ein Sprecher dann gegenüber der taz, dass | |
| es am vergangenen Montag einen Einsatz im Gebiet der Kurfürstenstraße | |
| gegeben habe – wörtlich: „Da muss jemand den Tag verwechselt haben.“ | |
| Grundsätzlich führe die Polizei in diesem Gebiet regelmäßig | |
| verdachtsunabhängige Personenkontrollen auf Basis des Allgemeinen | |
| Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) durch, aktuell aber auch, weil die | |
| geltende Corona-Eindämmungsveordnung jede Form der Prostitution verbiete. | |
| Dabei würden auch Taschen auf Waffen- oder Drogenbesitz durchsucht. „Nach | |
| Verhütungsmitteln sucht die Polizei definitiv nicht“, sagte der Sprecher. | |
| 15 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5636719 | |
| [2] /Corona-Queere-Community-verunsichert/!5678347 | |
| [3] /Sexarbeit-und-Coronakrise/!5693491 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
| ## TAGS | |
| Polizei | |
| Sexarbeit | |
| Prostituierte | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Sexarbeit | |
| Statistisches Bundesamt | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Sexarbeit | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Gentrifizierung am Straßenstrich: Stadträte blockieren Hochhäuser | |
| An der Potsdamer Straße in Berlin will ein Investor hoch hinaus, 14 | |
| Stockwerke sollen es sein. Doch die zuständigen Bezirksämter winken ab. | |
| Mehr Gewalt gegen Prostituierte: Ungeschützt | |
| Wegen Corona sind Bordelle zurzeit geschlossen. Viele Sexarbeiter*innen | |
| bieten ihre Dienste dennoch weiter an – und sind gefährdeter als sonst. | |
| Statistik zu Sexarbeit in Deutschland: Offiziell mehr Prostituierte | |
| Laut Prostituiertenschutzgesetz müssen sich Sexarbeiter:innen anmelden. | |
| Neue Zahlen lassen vermuten: Das Dunkelfeld bleibt groß. | |
| Bordelle wegen Corona geschlossen: Ohne Perspektive | |
| Viele Sexarbeiter*innen haben in der Coronakrise Einkommen und ihr soziales | |
| Umfeld verloren. Öffnungen sind nicht in Sicht. | |
| Sexarbeit in Zeiten von Corona: Auf der Strecke geblieben | |
| Während fast überall Corona-Maßnahmen gelockert werden, bleiben Bordelle | |
| geschlossen. Prostituierte fordern, das zu ändern. | |
| Sexarbeit und Coronakrise: Coitus interruptus | |
| Prostitution ist seit Beginn der Coronakrise verboten. Die Sexarbeiterinnen | |
| Nicole Schulze und Laura Lönneberga wollen das nicht hinnehmen. | |
| Gentrifizierung in Berlin: Potse bald in sauber | |
| Sexstore und Woolworth an der Potdamer Straße sollen Neubauten weichen. | |
| Investor will Dax-Konzerne und Teile des queeren Kulturhauses E2H | |
| ansiedeln. |