# taz.de -- Kunstausstellung zu Humor nach #MeToo: Drastik und Diskurs | |
> Der Kunstverein Hamburg untersucht, wie schwer es Humor nach #MeToo | |
> angeblich hat. Die Ausstellung ist eine Umarmung mit subversiver | |
> Botschaft. | |
Bild: Isabella Rossellini & Jody Shapiro, „Green Porno“ (2008). Installatio… | |
Man darf ja nichts mehr sagen! Ganz klassisches rechtes Narrativ: Die | |
#MeToo-Bewegung habe 2017 ein Klima der Überempfindlichkeiten geschaffen, | |
das keinen Raum mehr lasse für Zweideutigkeiten, für bewusste Unklarheiten, | |
für erotisches Spiel. Und für Humor. Was natürlich so nicht stimmt: Wenn | |
bei #MeToo Humor thematisiert wird, dann weil er primär als Machtinstrument | |
eingesetzt wird. | |
Bettina Steinbrügge ist eines solchen machtgetriebenen Humorverständnisses | |
weitgehend unverdächtig; dass die Leiterin des Hamburger Kunstvereins den | |
ersten Abschnitt ihrer (gemeinsam mit Maike Mia Höhne kuratierten) | |
zweiteiligen Ausstellung „Being laid up was no excuse for not making art“ �… | |
„Humor nach #MeToo“ genannt hat und damit impliziert, dass der Humor es | |
heutzutage schwer habe, ist mit Sicherheit keine Option auf die rechte | |
Opferrolle, sondern Ironie. Ironie, mit der man in Hamburg gerne schwierige | |
Themen einhegt. Auf jeden Fall beweist dieser Titel, wie klug Steinbrügge | |
und Co-Kuratorin Höhne mehrfach um die Ecke denken. | |
Die Ausstellung macht einen Witz, indem sie in die Rolle dessen schlüpft, | |
der behauptet, dass man nach #MeToo keine Witze mehr machen dürfe. Das ist | |
ein hübsch verqueres Konzept, und es wird noch hübscher, wenn gleich beim | |
Eingang eine Arbeit wartet, die ganz und gar nicht „nach #MeToo“ entstanden | |
ist, sondern neun Jahre zuvor: die nah am Mainstream gebaute | |
Kurzfilmsammlung „Green Porno“ von Isabella Rossellini und Jody Shapiro | |
(2008), reizende Aufklärungsfilme aus dem Diversity-Paradies Tierreich. | |
Rossellini gibt hier eine sadomasochistische Schnecke oder eine promiske | |
Stubenfliege, das hat man schon mehrfach gesehen, aber die edle | |
Präsentation als Triptychon hat ihren Reiz. Und setzt so zum Beginn ein | |
Statement: „Humor nach #MeToo“ ist vor allem eine Umarmung, die ihre | |
subversive Botschaft erst in einem zweiten Schritt verabreicht. | |
Der eigene objektivierende Blick | |
Dieser zweite Schritt ist dann „Extended Puppy Pose“ (2020) von Helene | |
Kummer und Fabian Hesse. Die Arbeit nimmt einen zunächst mit ihrer | |
technischen Brillanz ein: als Videoinstallation, in die der Betrachter | |
mittels eines Greenscreens hineinprojiziert ist. Und nachdem er die Freude | |
über die eigene Kunstwerdung verdaut hat, stellt er gelinde erschrocken | |
fest, dass der objektivierende Blick auf einen schlanken Tänzerinnenkörper | |
ja tatsächlich der eigene ist: Der Zuschauer wird mit einigem Aufwand ins | |
Kunstwerk gespiegelt, und was er da drin macht, ist nicht nur sympathisch. | |
Im Zentrum der Ausstellung steht der Film „Town Bloody Hall“ (1979) von | |
Chris Hegedus und D. A. Pennebaker, der eine Diskussion zum Thema | |
Frauenbewegung dokumentiert – der US-Schriftsteller Norman Mailer führt | |
hier „A Dialogue on Women’s Liberation“ mit Feministinnen wie Germaine | |
Greer, Jill Johnston und Susan Sontag. Der stark im | |
Siebziger-Aufregungsgestus gehaltene Film wird dabei ästhetisch überhöht: | |
Die Wände des Ausstellungsraums sind verhängt mit dem gesamten Filmscript. | |
Von dort aus führt eine ästhetische Spur zu Jennifer Reeders halbstündigem | |
Spiefilm „White Trash Girl: Law of Desire #3“ (1997), der | |
Superheldinnen-Travestie, Misogynie, Rape-Revenge, wüsten Humor und | |
drastische Gewalt zu einer beeindruckenden Trash-Hommage verbindet. | |
Über den Trash findet man Zugang zu den raumgreifenden Installationen von | |
Cordula Ditz, „How to disappear“ (2018) und „Your silence is very | |
disturbing“ (2019): kunstfertige Teppicharrangements, aufwendige Paravents, | |
die Anleihen an Filmstills nehmen. | |
Denken Outside the Box | |
Allerdings an Filmstills der groberen Art, mit blutroten Lippen und weit | |
aufgerissenen Augen im Zentrum, und dazwischen schieben sich dann Slogans, | |
die in ihrer Kalenderspruchhaftigkeit wenig Beruhigung versprechen, „You | |
are not alone“, „A word after a word after a word is power“, „It’s al… | |
darkest before dawn“. Und dazu arrangiert Ditz dann Werbetafeln, | |
Karikaturen mit schenkelklopfendem, misogynem Humor, Folterinstrumente. | |
Beunruhigend. | |
Wirklich einen #MeToo-Bezug stellt die Ausstellung dabei nicht her, und | |
auch Humor scheint nicht unbedingt das zu sein, worauf es ankommt. Worum es | |
Steinbrügge und Höhne vielmehr geht, ist eine Lust am Denken Outside the | |
Box, eine Begeisterung am offenen Diskurs, wie er sich im hier | |
ikonografisch präsentierten „Town Bloody Hall“ abbildet. | |
Ob diese Feier der freien Rede durch das feministische Thema optimal | |
abgebildet wird, ist letztlich nicht ausgemacht: Immer wieder fragt man | |
sich bei der Ausstellung, wo nun eigentlich der #MeToo-Bezug versteckt ist. | |
„Wir müssen begreifen, dass sich unsere Welt verändert und wir Teil dieser | |
Veränderung auf allen Ebenen sein müssen“, schreiben die Kuratorinnen. Und | |
später: „Worüber wollen wir lachen? Wie möchten wir miteinander leben, und | |
was bedarf es dafür? Gerade auch in Zeiten von Kontaktbeschränkungen stellt | |
sich diese Frage neu.“ | |
Das ist der Knackpunkt der Ausstellung: die Frage, wie wir miteinander | |
umgehen wollen. Steinbrügge und Höhne beantworten diese Frage mit der | |
Forderung nach einem lustvollen, assoziativen, unkonventionellen | |
Diskursraum, und dass sie diesen entlang geschlechterpolitischer | |
Verwerfungen aufbauen, ist mehr halbwegs passendes Beispiel als echtes | |
inhaltliches Anliegen. Spaß macht die zwischen Trash und Tiefgang, zwischen | |
Drastik und Diskurs schillernde Ausstellung dennoch, was schon mal | |
beantwortet, wie „Humor nach #MeToo“ aussehen kann. | |
16 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Falk Schreiber | |
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