| # taz.de -- Mysteriöses Elefantensterben in Botswana: Tod mit dem Rüssel vora… | |
| > Eigentlich ist das Okavango-Delta in Botswana ein Paradies für Elefanten. | |
| > Doch nun sterben reihenweise Dickhäuter. | |
| Bild: Toter Elefant im Okavango-Delta. Seit März sind Hunderte Dickhäuter aus… | |
| „Erst laufen sie im Kreis und wirken desorientiert – dann fallen sie tot | |
| um, meist mit dem Kopf voraus“ – so beschreibt es Vicky Boult, | |
| Elefantenforscherin von der britischen Universität Reading. Mittlerweile | |
| ist die Zahl der auf diese mysteriöse Weise umgekommenen Elefanten nahe des | |
| Ortes Seronga im Okavango Delta im Norden Botswanas auf mutmaßlich 356 | |
| gestiegen. Die Ursachen des Sterbens stellt ExpertInnen weltweit vor ein | |
| Rätsel. | |
| Luftaufnahmen, geschossen von Flugzeugen und Drohnen der | |
| Tierschutzorganisation [1][Elephants without Borders], zeigen: Viele der | |
| Tiere liegen mit dem Rüssel voraus im trockenen Sand der Kalahari-Wüste | |
| oder neben Wasserquellen im Delta. | |
| „Das ist merkwürdig“, sagt Boult. Denn: „Wenn Elefanten sterben, dann le… | |
| sie sich meist auf die Seite.“ Dass sie mit dem Kopf voraus auf die Knie | |
| fallen, lasse darauf schließen, dass „die meisten einen plötzlichen Tod | |
| sterben“. Dies spreche dafür, dass die Ursache eine neurologische Krankheit | |
| ist, die bei den Dickhäutern erst Orientierungslosigkeit verursache und sie | |
| letztlich tot umfallen ließe. | |
| Bereits im März wurden die ersten Meldungen über die toten Elefanten | |
| bekannt. Damals handelte es sich nur um einige Dutzende – noch kein Grund | |
| zur Sorge. Doch in Forscherkreisen klingelten die ersten Alarmglocken, | |
| bestätigt Boult. | |
| Im Mai meldete eine Zählung aus der Luft mit Kleinflugzeugen von Elephants | |
| without Borders bereits 169 Kadaver. Im Juni wurden weitere 187 ausgemacht. | |
| Seitdem grübeln ExpertInnen auf der ganzen Welt über die Todesursache. | |
| „Selbst Corona können wir nicht ausschließen“, sagt Boult. | |
| ## Elefanten-Paradis Botswana | |
| Botswana galt bislang als eines der sichersten Gebiete für die vom | |
| Aussterben bedrohten Tiere. Vor allem das gewaltige Okavango-Delta im | |
| Norden der Kalahari-Wüste ist für Elefanten quasi ein Paradies. Hier finden | |
| sie fruchtbare Graslandschaften, ausreichend Trinkwasser – und: Sie sind | |
| relativ sicher vor Wilderern, die es auf die Stoßzähne und deren wertvolles | |
| Elfenbein abgesehen haben, denn die Region ist fast unbesiedelt und nur | |
| schwer erreichbar. | |
| Weltweit schrumpfte die Elefantenpopulation in den vergangenen Jahrzehnten | |
| dramatisch, nicht nur in Asien, sondern auch in Afrika. In vorkolonialen | |
| Zeiten war der Kontinent ein unbegrenztes Habitat für schätzungsweise über | |
| zehn Millionen der charismatischen Tiere. Mittlerweile sind in Afrika nach | |
| jüngsten Zählungen gerade einmal rund 350.000 Elefanten übrig. Ein Drittel | |
| davon lebt in Botsuana. | |
| Besonders in der jüngsten Hochzeit der Elefanten-Wilderei in Afrika – 2008 | |
| bis 2011 – migrierte ein Großteil der Herden von West- und Ostafrika gen | |
| Süden: zur bislang unerschlossenen Tiefebene der Kalahari und in das | |
| fruchtbare Okavango-Delta. | |
| Botswana erließ 2014 ein drastisches Antiwildereigesetz zu ihrem Schutz, es | |
| gab sogar einen Schießbefehl auf Wilderer – als Abschreckungsmaßnahme. 2015 | |
| wurde in den Medien publik, dass botswanische Wildhüter 30 Namibier und 22 | |
| Simbabwer getötet hatten, die sie in den grenznahen Parks als Wilderer | |
| angetroffen hatten. Tshekedi Khama, Botswanas Umwelt- und | |
| Tourismusminister, bekräftigte 2018 seine Null-Toleranz-Politik: „Wenn du | |
| nach Botsuana kommst, um zu wildern, dann besteht die Möglichkeit, dass du | |
| nicht lebend zurückkehren wirst“, warnte er. | |
| ## Zu viele Dickhäuter | |
| Dies führte in den vergangenen Jahren dazu, dass sich Botswanas Bestände | |
| erholten und immer mehr Nachwuchs geboren wurde. Zudem wurden auch Herden | |
| aus anderen Regionen Afrikas, die noch immer von Wilderei betroffen sind, | |
| in Botswana heimisch. Die Zahl der Tiere verdoppelte sich in den | |
| vergangenen 30 Jahren. Dann kam es 2018 und 2019 zu einer Trockenzeit im | |
| südlichen Afrika, Landstriche verdorrten. Dies führte zu Konflikten | |
| zwischen der zumeist ländlichen Bevölkerung Botswanas und den stetig | |
| wachsenden Elefantenherden, die den Bauern die Ernte wegfressen. | |
| Deswegen erließ die Regierung im Mai 2019 ein Gesetz, welches die Jagd auf | |
| Elefanten im Rahmen von vorgeschriebenen Quoten und Lizenzen wieder | |
| zulässt. Die Zahl der Elefanten sei „weit größer als Botswanas | |
| zerbrechliche Umwelt, die bereits unter Dürre und Folgen des Klimawandels | |
| leidet, verkraften kann“. Kurz darauf stellte Botswana auf der Sitzung des | |
| Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) den Antrag, wieder legal mit | |
| Elfenbein handeln zu dürfen. Weltweit gingen Tier- und Umweltschützer auf | |
| die Barrikaden. Der Antrag wurde abgelehnt. | |
| Forscherin Boult vermutet, dass das mysteriöse Massensterben etwas mit der | |
| Überbevölkerung der Elefanten zu tun haben könnte. Im Rahmen ihrer | |
| Doktorarbeit hat sie Zusammenhänge zwischen dem raschen Anstieg der | |
| Elefantenbestände und dem Ökosystem in engen Gebieten untersucht – vor | |
| allem im südlichen Afrika und in Kenia, wo immer mehr Wildtiergehege zum | |
| Schutz gegen Wilderer eingezäunt werden und die Elefanten nicht mehr | |
| migrieren können. | |
| „Elefanten sind zerstörerische Tiere, denn sie fressen alles, was ihnen in | |
| den Weg kommt“, sagt Boult. Sie verwandeln so in kurzer Zeit Gras- und | |
| Buschlandschaften in Wüsten, tragen zum Absterben der Baumbestände bei. | |
| Wenn die Herden nicht abwandern und sich die Umwelt nicht erholen kann, | |
| können sie Ökosysteme nachhaltig zerstören. | |
| Dies könne dazu führen, dass sich Bakterien, Viren oder Pilze vermehren und | |
| die Tiere sich mit Krankheiten infizieren. „Wir vermuten, dass sie einer | |
| Infektionskrankheit ausgesetzt sind, die sich aufgrund der vielen Herden in | |
| diesem recht kleinen Gebiet schnell verbreitet“, so Boult. | |
| ## Keine Wilderer am Werk | |
| Bereits die ersten Untersuchungen des botswanischen Departments für | |
| Wildtiere und Nationalparks an den Kadavern schlössen einige Mutmaßungen | |
| aus, betont die Zoologin: So lasse sich mit Sicherheit sagen, dass die | |
| Tiere nicht Wilderern zum Opfer gefallen sind, „weil die Stoßzähne alle | |
| vorhanden sind“. | |
| Auch eine mögliche Vergiftung durch verseuchtes Trinkwasser käme nicht in | |
| Frage, „da keine anderen Tiere, die von den selben Wasserstellen getrunken | |
| haben, betroffen sind“, weiß Boult. Sie erinnert an die systematischen | |
| Tötungen im benachbarten Simbabwe, wo Wilderer in den vergangenen Jahren | |
| mehrfach Wasserstellen mit Zyanid verseucht hatten, um an die Stoßzähne | |
| heranzukommen. Auch dort verendeten ganze Herden plötzlich. | |
| Boult erinnert auch an ein Massensterben von bis zu 400 Elefanten kurz nach | |
| anhaltender Dürre in Kenia vor elf Jahren. „Die Toten waren meist ältere | |
| oder ganz junge Tiere, deren Kadaver wirklich in erbärmlichen Zustand waren | |
| – ganz abgemagert.“ | |
| Wenn sie sich aber die aktuellen Fotos der toten Elefanten in Botsuana | |
| anschaue, dann seien deren Körper eigentlich im guten Zustand, sagt sie. | |
| „Sie sind nicht abgemagert und es sind auch nur einzelne Tiere, keine | |
| ganzen Familien, die eingehen“, sagt sie. Dies lasse darauf schließen, dass | |
| die Krankheit, die die Elefanten dort befalle, sich langsam ausbreite und | |
| nicht alle Tiere einer Herde gleichzeitig verendeten. | |
| ## Auch Covid-19 kann ausgeschlossen werden | |
| Eine Covid-19-Infektion, wie sie bei Tigern im New Yorker Zoo im April | |
| festgestellt wurde, schließt sie daher eher aus: „Das Coronavirus breitet | |
| sich sehr rasch aus und die Tiere zeigen Symptome von Atemwegserkrankungen | |
| wie Husten“, so Boult. Dies würde bei Elefanten nicht zu einem plötzlichen | |
| Tod führen. | |
| Dennoch: Auch Elefanten leiden an zoonotischen Krankheiten, also | |
| Infektionen, die auf Menschen übertragbar sind. Meist stecken sie Haustiere | |
| wie Kühe und Ziegen an, mit welchen sie an den Wasserstellen in Kontakt | |
| kommen. Auch um dieses Risiko auszuschließen, will Boult die Ergebnisse der | |
| Laboruntersuchungen der toten Elefanten abwarten. | |
| Laut Botswanas Umweltministerium sind die entnommenen Blut- und | |
| Gewebeproben in Labore in Simbabwe, Südafrika und Kanada geschickt worden. | |
| Das Ministerium stellte auch klar, dass Wildhüter vor Ort nur 275 Kadaver | |
| gefunden haben – und nicht wie von Medien und NGOs berichtet, 356 tote | |
| Elefanten. | |
| Auch wenn noch keine Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen, steht für | |
| Elefantenforscherin Boult schon fest: Das Sterben in Botswana unterstreiche | |
| wie die Coronakrise die Dringlichkeit, „der Frage zu begegnen, wie wir | |
| Menschen mit Wildtieren koexistieren können“. Sie sieht darin einen | |
| „Weckruf“ an alle, eine Diskussion in Gang zu bringen, wie wir gesunde | |
| Ökosysteme erhalten und schaffen können. | |
| 14 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://elephantswithoutborders.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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