# taz.de -- Wahl in Japans Hauptstadt: Die Herrin von Tokio | |
> Viele Wahlversprechen hat sie nicht umgesetzt: Dennoch wird die als | |
> künftige Premierministerin gehandelte Yuriko Koike wieder Gouverneurin in | |
> Tokio. | |
Bild: Die Coronakrise kam ihr zugute: Yuriko Koike | |
Tokio taz | „Kaiserin Yuriko Koike – Erlöserin oder Ungeheuer?“ – nicht | |
einmal im Titel ihrer Biografie mochte sich die Autorin Taeko Ishii auf | |
eine klare Charakterisierung von Tokios oberster Politikerin festlegen. | |
Diese Ambivalenz kümmerte die 14 Millionen der japanischen | |
Hauptstadtbewohner am Sonntag wenig: Die als mögliche Kandidatin für die | |
Nachfolge von Ministerpräsident Shinzō Abe gehandelte Politikerin gewann | |
die Wiederwahl als Gouverneurin von Tokio. Als Herrin jener Megastadt, die | |
ein Fünftel von Japans Wirtschaftsleistung erbringt, bleibt sie damit für | |
weitere vier Jahre die mächtigste Politikerin des Landes. | |
2016 trat Yuriko Koike als Sauberfrau an, die einen Schlussstrich unter die | |
Korruption ihrer Vorgänger ziehen wollte. Von ihren damaligen Versprechen | |
hat sie jedoch nur wenig gehalten. Zwar gibt es mehr Kindergartenplätze und | |
Elektrotankstellen, aber ihr Verdienst ist das nicht – der Treiber war die | |
Zentralregierung. | |
Koike wollte Tokio „diverser“ machen, doch geschieht dies ganz ohne ihr | |
Zutun: Wie ein Magnet zieht die Hauptstadt japanische Landbewohner sowie | |
arbeitsuchende Chinesen und Vietnamesen an. Dennoch lehnt Koike ein | |
kommunales Wahlrecht für Ausländer ebenso ab wie die Anerkennung | |
homosexueller Partnerschaften. Auch den Dschungel aus Stromkabeln über den | |
Straßen, die das Stadtbild seit je verschandeln, hat sie entgegen ihrem | |
Wahlversprechen kaum gelichtet. | |
Indes verschaffte die Corona-Pandemie der 67-Jährigen eine unerwartete | |
Bühne als Krisenmanagerin. Tokio ist mit einem Drittel der 20.000 | |
Infektionen in Japan der nationale Coronahotspot. [1][Lange vor dem | |
unentschlossenen Premier] Shinzō Abe drängte Koike auf Notstandsmaßnahmen. | |
Und lange vor Abe zahlte sie den Geschäften und Restaurants in der | |
Hauptstadt eine finanzielle Entschädigung für die erzwungenen Schließungen. | |
Enfant terrible von Japans Innenpolitik | |
Bei ihrem aufs Internet begrenzten Wahlkampf glänzte Koike durch die | |
modische Vielfalt ihrer Mund- und Nasenmasken und versprach, Tokio zur | |
„sichersten und gesündesten Stadt der Welt“ zu machen. Auch ihr Vorstoß, | |
die auf 2021 verschobenen [2][Olympischen Spiele] coronabedingt „zu | |
verschlanken“, kam beim olympiaskeptischen Publikum gut an. Und der | |
Vorwurf, ihr Studienabschluss von der Universität Kairo sei erfunden, | |
konnte ihr kaum schaden. | |
Damit bleibt sie ein Enfant terrible von Japans Innenpolitik. Koike stieg | |
schnell auf, obwohl sie nicht einer Politikerfamilie entstammt. Ihre | |
Parteizugehörigkeit wechselte sie wie ein Chamäleon seine Farbe. Das | |
brachte ihr Spitznamen wie „Zugvogel“ und „Madame Karussell-Sushi“ ein. | |
Statt sich klar zu positionieren, räumte sie auf mit Konventionen und | |
Tabus. Als Umweltministerin biederte sie sich bei den Liberalen an, indem | |
sie die energiesparende Sitte durchsetzte, dass Angestellte im Sommer weder | |
Jackett noch Krawatte tragen müssen. Später näherte sich Koike den Rechten. | |
Bei der Parlamentswahl 2017 scheiterte sie mit ihrer neuen „Partei der | |
Hoffnung“. Dennoch hat sie ihren Traum, die erste Frau an Japans Spitze zu | |
werden, wohl noch nicht aufgegeben. | |
6 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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