# taz.de -- Rücktritt von Japans Premier Shinzo Abe: Starkes, rechtes Japan | |
> Unter Shinzo Abe wurde Japan zu einem Schwergewicht der Weltpolitik. | |
> Wegen seines Rechtsrucks blieb der Nationalkonservative dort ungeliebt. | |
Bild: Shinzo Abe im Mai dieses Jahres | |
TOKIO taz | Am Montag stellte Shinzo Abe noch einen neuen Rekord für die | |
längste Amtszeit eines japanischen Premierministers auf. Da hatte er bald | |
acht Jahre ununterbrochen regiert. Aber am Freitag verkündete der | |
konservative Politiker [1][seinen Rücktritt], obwohl ihm noch ein Jahr im | |
Amt verblieb. Eine chronische Darmentzündung sei wieder aufgeflammt, | |
begründete der knapp 66-Jährige seinen überraschenden Schritt. | |
Nun endet eine Ära: Als erster Regierungschef, der nach dem Zweiten | |
Weltkrieg geboren wurde, trat Abe [2][mit dem Versprechen] an, die | |
Nachkriegsordnung zu verändern und ein „starkes und blühendes“ Land | |
aufzubauen. Er wollte Japans weltpolitisches Gewicht erhöhen und sich gegen | |
den Aufstieg von China zu Asiens Vormacht stemmen. | |
Aber diese Ziele spalteten die Gemüter in Japan. Für die einen | |
symbolisierte Abe ein chauvinistisches, ultrakonservatives und | |
rückwärtsgewandtes Japan, da er keine Reue für den japanischen Krieg in | |
Asien zeigen wollte. Die anderen betrachteten ihn als pragmatischen | |
Reformer, der die Wirtschaft und das Bündnis mit den USA stärkte, damit | |
Japan „niemals zu einer Nation zweiter Klasse absteigt“, wie er es selbst | |
formulierte. | |
Seine erkennbare Leistung bestand darin, Japan nach Jahren mit ständig | |
wechselnden Premierministern in ruhiges Fahrwasser zu lenken. „Die | |
Herstellung von Stabilität war sein wesentlicher Erfolg“, meint der | |
deutsche Japanexperte Sebastian Maslow. „Zugleich ist es Abe wie nur | |
wenigen vor ihm gelungen, die Bürokratie und die Presse effizient zu | |
kontrollieren.“ Daher konnte seine Regierungskoalition stets eine | |
Zweidrittelmehrheit erringen, zumal die Opposition zersplittert blieb. Auch | |
mehrere Fälle von Vetternwirtschaft und Korruption konnten ihm nichts | |
anhaben. Ein langer Wirtschaftsaufschwung sorgte für Schönwetter. | |
## Abes Verdienst: Konservative Konsolidierung Japans | |
Die Wähler zahlten einen hohen Preis dafür, dass sie keine Experimente | |
wagten. Der Premier hielt an der [3][Atomkraft] fest, obwohl Umfragen eine | |
Mehrheit für den Ausstieg anzeigten. Japan führte Moralunterricht für mehr | |
Patriotismus an den Schulen ein. Politischer Druck brachte kritische | |
Stimmen in Medien und Universitäten zum Schweigen. | |
Seinen Lebenstraum, die [4][pazifistische Verfassung zu überarbeiten], | |
konnte Abe zwar nicht verwirklichen. Aber er legte das Dokument neu aus. | |
Nun können die Streitkräfte an Kampfeinsätzen an der Seite des | |
Bündnispartners USA teilnehmen. Die Ausgaben für Verteidigung stiegen jedes | |
Jahr. | |
Gegen starken Widerstand setzte seine Regierung auch ein [5][Gesetz für den | |
Schutz von Staatsgeheimnissen] gegen Whistleblower in Kraft. Auch richtete | |
Abe einen nationalen Sicherheitsrat ein und lockerte das Verbot von | |
Waffenexporten. „Seine Nachfolger erben den stärksten Staat, den Japan seit | |
1945 hatte“, sagt der US-Analyst Tobias Harris, Autor einer Abe-Biografie. | |
Wer in die großen Fußstapfen tritt, entscheidet nun seine Partei. Zu den | |
Favoriten gehören die Ex-Minister Shigeru Ishiba und Fumio Kishida sowie | |
Verteidigungsminister Taro Kono. Am Rechtsruck dürfte der Nachfolger jedoch | |
eher festhalten. | |
28 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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