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# taz.de -- Zweiter Kinostart der „Känguru-Chroniken“: Kampf der Gentrifiz…
> Hüpft ein Kommunist mit Beutel durch Berlin-Kreuzberg. Regisseur Dani
> Levy hat Marc-Uwe Klings „Känguru-Chroniken“ verfilmt.
Bild: Das Känguru ist immer informiert dank Zeitungslektüre
Niemand wundert sich in dieser Geschichte über ein Känguru, das spricht.
Niemand, bis auf einen Psychologen, der den Sprung einer Fantasiefigur ins
Reale nicht verkraftet. Alle anderen aber begegnen dem Känguru mit der
gleichen Selbstverständlichkeit wie jedem anderen Kreuzberger, wo auch
immer seine Herkunft sein mag.
Es ist ja auch ein sehr ausdrucksstarkes Tier. Augen, Schnauze, Ohren der
mimisch saugut animierten Figur verraten mehr über ihre Gedanken und
Erwartungen, als sich üblicherweise aus einem Gesicht lesen lassen. Und
selbst ihr Gang in der Rückenansicht verrät die Freude darüber, am Ende
doch noch einen Freund gefunden zu haben.
„Die Känguru-Chroniken“ in der [1][Regie von Dani Levy], [2][Drehbuch
Marc-Uwe Kling,] starteten im Kino kurz vor dem Lockdown und starten nun
dankenswerterweise ein zweites Mal. Sie waren der letzte Film, den ich im
März im Kino sah, in Berlin-Neukölln, zusammen mit 20 langhaarigen
Teenagerinnen, die alle ihr Smartphone interessanter fanden als den Film
und durch lautes Getuschel dafür sorgten, dass ich mich fünf Reihen weiter
setzen musste.
Dann aber hatte ich mächtig Spaß, was auch daran liegt, dass ich sämtliche
Vorprodukte des Kängurus nicht kannte. Der Autor Marc-Uwe Kling, der das
Tier im Film selbst spricht, ließ es auf der Bühne starten, es hüpfte in
einer Radio-Podcast-Reihe und startete als Hörbuchserie und als Kartenspiel
erfolgreich durch. Fans bemerken zum Film etwas enttäuscht, dass sie die
Gags doch schon kennen.
## Ein ungleiches Paar
Ist also weniger was für Fans als für die, an denen der Känguru-Hype bisher
vorbeiging. Einem Tier mit Beutel, in dem Schnapspralinen und Fischstäbchen
gehortet sind, verzeiht man das Festhalten an altlinken Positionen leichter
als, sagen wir mal, einem 70-jährigen Kreuzberger Schlaffi. Sein
Kommunismus ist langschlitzohrig, sein erfolgreicher Kampf gegen einen
Immobilienhai, der den Görlitzer Park überbauen und mit einem phallischen
Turm krönen will, unterstützt von Kioskbetreibern, einer alten
Kneipenwirtin und einer alleinerziehenden Mutter, ist ein nettes
Kiezmärchen und ein bisschen wie altes Grips-Theater.
Ihren Witz bezieht die Geschichte aus einer ungleichen Paar-Konstellation,
denn das aktionistische Känguru hat einen Mann an seiner Seite, der selten
aus dem Schlafanzug kommt. Als diesen verbimmelten Künstler stellt Marc-Uwe
Kling sich selbst vor, und selten wurde Misserfolg so erfolgreich verkauft.
Känguru und Kling streiten sich ständig über die Geschichte, wer sie
erzählen darf, was man unternehmen könnte gegen Ungerechtigkeit und was die
Mittel gegen mächtige Gegner sind. Marc-Uwe Kling wird gespielt von
[3][Dimitrij Schaad, in Berlin ein Star des Gorki-Theaters], der seine
Präsenz und seinen Charme hier aber klein halten muss und niedlich den
Schüchternen spielt.
Den Immobilienmenschen, der zudem ein großes Tier bei den rechten Patrioten
ist, darf Henry Hübchen als Karikatur eines machtgeilen Wichsers
verkörpern, allein seine Frau Jeanette, eigentliche Drahtzieherin, wird von
Bettina Lamprecht mit etwas mehr aasiger Kälte und Zwiespältigkeit
ausgestattet.
Die Geschichte läuft ratzfatz, hüpft sozusagen mit Känguru-Sprüngen über
kleinliche Fragen nach dem real Möglichen weg. Rechte bekommen als
Dummköpfe ihr Fett weg. Ja wenn sie nur wirklich so einfach auszutricksen
wären.
Wie ein großer Becher Eis sorgt diese Komödie für Wohlbehagen und ein
breites Grinsen, solange sie dauert. Von dem Eis verlangt man ja auch
nicht, dass man davon auch satt wird und vielleicht einen neuen Gedanken in
den nächsten Tag mitnimmt.
2 Jul 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Film
Komödie
Berlin-Kreuzberg
Gentrifizierung
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Spielfilm
Debütfilm
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