# taz.de -- Kontaktfrei Tennis spielen im Verein: Geschlossen, aber offen | |
> Der Tennisverein ist geschlossen, aber gespielt werden darf trotzdem. Das | |
> ist verwirrender, als die Polizei erlaubt. | |
Bild: Die Ansteckungsgefahr durch Tennisbälle ist gering – man soll aber nur… | |
Wer Tennis als Freizeitsport bevorzugt, der hat es noch vergleichsweise | |
gut. Während man etwa so richtig Fußball nur dann wieder spielen darf, wenn | |
man damit als Profi Millionen verdient, geht Tennis seit Ende April wieder | |
in Ordnung. Kontaktfreier Sport eben, statt Handshakes am Ende einer Partie | |
haut man jetzt einfach die Schläger aufeinander. | |
Die Bedingungen, unter denen man spielen darf, sind freilich | |
gewöhnungsbedürftig. Als Maßnahme wurde etwa empfohlen, während des Spiels | |
nur die eigenen Bälle anzufassen. Die Gefahr einer Übertragung des Virus | |
durch Tennisbälle sei zwar extrem gering, hieß es, aber sicher sei sicher. | |
Man könne seine Bälle ja kennzeichnen, damit es zu keinen | |
Missverständnissen komme. | |
Also ich kenne niemanden, der das so handhabt. Wie soll man das in der | |
Praxis umsetzen? Dribbelt man dann den eventuell verkeimten Ball des | |
anderen mit dem Fuß geschickt um das Tennisnetz herum, damit er ihn dann | |
mit der Hand aufnehmen kann? Ich denke mal, wer diese Maßnahme mit den | |
Bällen wirklich beherzigt, wird nicht mehr viel Zeit mit dem eigentlichen | |
Tennisspiel verbringen. | |
Auch einigermaßen bizarr mutet die Grundvoraussetzung an, unter der man | |
wieder in seinem Tennisverein spielen darf. Der Verein nämlich hat | |
geschlossen zu bleiben, aber die Plätze dürfen den Mitgliedern trotzdem zur | |
Verfügung gestellt werden. Geschlossen, aber gleichzeitig offen, diese | |
Formel hat auch die Polizei anfangs nicht verstanden, die gleich vier Mal | |
vorbeischaute, bis sie kapiert hat, wie das hier so läuft. Geschlossen, | |
aber gleichzeitig offen konnte bei uns anfangs auch nur deswegen umgesetzt | |
werden, weil unser Vereinspräsident Theaterregisseur ist. | |
Da in seiner Branche derzeit kaum etwas läuft, hielten er und seine Frau | |
sich tatsächlich mehr oder weniger rund um die Uhr auf der Anlage auf, um | |
den Vereinsmitgliedern jeweils einzeln den eigentlich verschlossenen | |
Eingang zu öffnen. Inzwischen haben wir sogar eine Klingel, damit man sich | |
leichter bemerkbar machen kann, und seit Neuestem sogar ein Zahlenschloss. | |
Durch Letzteres bleibt der Verein, wie verlangt, geschlossen, für | |
Mitglieder jedoch geöffnet. Geniale Lösung. | |
## Rentner Heinz war Platzeinweiser | |
Auch die Organisation des Spielbetriebs hat sich durch Corona verändert. | |
Das Virus beschleunigt die Digitalisierung, heißt es ja, bei uns ist das | |
jetzt auch der Fall. Bis vor Kurzem hatten wir nur eine Homepage, die so | |
aussah, als sei sie gleich nach Erfindung des Internets eingerichtet worden | |
und seitdem nicht mehr verändert. Jetzt haben wir eine Website, sogar mit | |
einem elektronischen Buchungssystem. | |
Damit nicht alle zu den Stoßzeiten nach 18 Uhr den Verein stürmen und dort | |
Coronapartys veranstalten, bis ein Platz frei wird, trägt man sich jetzt | |
vorab online ein. Andere Vereine haben so etwas schon seit Ewigkeiten, wir | |
dagegen hielten lange Zeit nichts vom Internet. So ewig ist das noch gar | |
nicht her, da war noch Rentner Heinz der Platzeinweiser. Mit dem hatte man | |
sich besser gut zu stellen, wenn man auch wirklich zum Zuge kommen wollte. | |
Dann gab es ein unverständliches System mit Zetteln, in die man sich | |
einzutragen hatte. Was auf diesen stand, konnte zwar meist kein Mensch | |
entziffern, aber es erfüllte seinen Zweck. | |
Ich befürchte, das elektronische Buchungssystem wird uns nach Corona | |
erhalten bleiben. Die Zeiten, in denen man zum Tennisspielen umsonst | |
vorbeigekommen ist, dafür auf ein Bier da blieb, werden wohl für immer | |
vorbei sein. | |
10 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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