# taz.de -- Kriminelle in Coronazeiten: Der Einbruch vom Einbruch | |
> Mieter sitzen an einem Tisch mit Bier, Wein und Chips – und halten | |
> Wache. Manchmal kommen Freunde vorbei. | |
Bild: Bier geht gut. Ob vorm Kiosk oder zuhause in der Küche | |
Überall Einbruch: Einbruch auf dem Arbeitsmarkt, Steuereinnahmeneinbruch, | |
Passagierzahleneinbruch. Auch das: Einbruch bei Einbruch, weniger | |
Diebstähle also, so heißt es. Das trifft aber nicht auf einen | |
Gewerbekomplex in der Nähe des Mehringdamms in Kreuzberg zu. Dort wurde in | |
den letzten paar Wochen vier Mal eingebrochen. | |
Insgesamt haben die Diebe dabei nicht viel entwendet. Einmal haben sie | |
einen Zigarettenautomaten geplündert, ein anderes Mal einen kaputten | |
Bildschirm mitgenommen und dann noch eine Whiskeyflasche geleert. Waren das | |
immer dieselben Diebe? | |
Jedenfalls ist der Sachschaden, den sie mit ihrem Werkzeug verursachten, | |
groß, es geht um mehrere tausend Euro. Aus diesem Grund haben sich die | |
Mieter des Gewerbehofs zusammengetan, einen Schichtplan aufgestellt: Du | |
kommst morgen, die anderen übermorgen – jetzt gibt es eine Nachtwache. Um | |
die Einbrecher abzuschrecken, sitzen die Nachtwächter an einem langen Tisch | |
mit Bier, Wein und Chips. Sie sitzen da, damit die Diebe nicht kommen. | |
Manchmal kommen Freunde vorbei. | |
Weiter oben am Platz der Luftbrücke ist alles fast so wie immer, bloß dass | |
die drei, vier Kneipen, die es hier in der Ecke gibt, immer noch | |
geschlossen sind. Das ist schade, weil das Hygienekonzept ging hier meiner | |
Einschätzung nach bereits vor Corona auf. Obwohl in den Kneipen hier das | |
Bier viel besser gezapft und die Gläser viel besser gespült sind als in den | |
benachbarten Kiezen, ist hier weniger los. | |
Vielleicht liegt es an der Musik, sie ist in diesem Kiez meistens leiser: | |
Wenn sich hier in den Kneipen einer seine Zigarette abascht oder tief | |
einatmet, dann kann man das hören. Vielleicht sind es die Spielautomaten, | |
die manchmal aufheulen und lauter sind, als alles andere zusammen. | |
Vielleicht schreckt das alles die Menschen davon ab, hierherzukommen. Oder | |
auch der Teppichboden, der hier und da ausgerollt wird. | |
## Schals zählen nicht | |
Zu fortgeschrittener Stunde saßen hier vor der Krise nicht mehr als fünf, | |
sechs Stammgäste versprengt herum. Nun ist es aber so: Die Kneipen haben | |
immer noch zu, die Restaurants wiederum auf, was zur Folge hat, dass dort | |
dann ein paar Menschen mehr sitzen – mit Bier und ohne Essen. | |
Schlange vorm Kiosk. Der Kioskbesitzer hat einiges zu tun. Das Bier geht | |
gut. Jeden ohne Maske schickt er ohne Wenn und Aber raus, auch Schals | |
zählen nicht. Denjenigen, die keinen Mundschutz haben, bringt er viel | |
lieber alles selber raus. | |
Weil er bereits Strafe zahlen musste, hat er diesen Coronaservice | |
eingerichtet, sagt er. Und das kommt gut an. Neben den unterschiedlichen | |
Einbrüchen durch Corona gibt es aber auch mehr: mehr Vogelgezwitscher. Mehr | |
Mäuse auf den U-Bahnsteigen. Mehr Spam-Mails. Und hier und da auch mehr | |
Coronafrust. | |
So wie in dem Haus, in dem ich wohne. Dort gibt es bereits seit mehreren | |
Monaten eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Parteien, der auf | |
angeklebten Briefen ausgetragen wird. Dabei fing alles gut an, am Anfang | |
von Corona. „Wem kann ich beim Einkaufen helfen?“ Herzchen, Namen, | |
Telefonnummern. | |
Jetzt geht es beispielsweise um kleine Kartons, in die Anwohner CDs und | |
Bücher zum Verschenken legen. Auf den angeklebten Korrespondenzen werden | |
Verordnungen zitiert, andere wiederum kritzeln ihre Kommentare drunter, ein | |
neuer Zettel wird angeklebt, erneut wird kommentiert und auf | |
Hausverordnungen verwiesen. | |
Ich lese das alles sehr gerne. Als ich gestern nach Hause kam, lag ein | |
penibel zertrümmertes Waffeleisen auf dem Boden. Auf den Resten des Geräts | |
klebte ein Zettel: „Zum Verschenken – funktioniert gut.“ | |
28 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Aleksandar Zivanovic | |
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