# taz.de -- Keine selbstgenähte Maske fürs Kind: Mama ist zu cool für Schnic… | |
> Mal wieder unsichtbar troubleshooten und nähen Mamas an allen Ecken und | |
> Enden. Alle Mamas? Nein, diese nicht. | |
Bild: Viele Mamas nähen Masken. Mama kann es aber auch lassen | |
In meinem Freundeskreis mehren sich die von Mamas genähten Masken. | |
Geschlechtliche Arbeitsteilung überall. Darüber haben nun schon einige | |
geschrieben, wie eine Gesundheitskrise eine [1][Mehrbelastung] für Frauen | |
bedeutet. Mal wieder unsichtbar und wie selbstverständlich eingefordert, | |
troubleshooten sie an allen Ecken und Enden. | |
Das Maskennähen ist ein kleiner, aber feiner [2][Wurmfortsatz dieses | |
Phänomens]. Mama macht das schon. Ich muss gestehen, da schlagen zwei | |
Herzen in meiner Brust: blanker Neid darüber, dass die anderen Mamas meinen | |
Freunden was Schönes zum Überleben nähen. Und Stolz darüber, dass meine | |
Mama ihrem wohlverdienten Slackertum nachkommt und denkt: Liebe Kinder, | |
macht doch euren Scheiß allein. Die Blagen sind schließlich aus dem Haus | |
und wurden mühsam zur Eigenständigkeit erzogen. | |
Ich gratuliere meiner Mama für ihre Abgrenzung und Selbstbehauptung und | |
lupsche gleichzeitig eifersüchtig auf den Mundschutz der anderen. Während | |
ich meinen Schal mehr schlecht als recht um das untere Drittel meines | |
Kopfes wickele, erzählen sie mir mit gerührtem Blick, wer den für sie | |
gemacht hat. Meine Mama ist viel zu cool für so einen Schnickschnack, sage | |
ich mir. Nicht das unsere Beziehung generell von sorglosem Pragmatismus | |
geprägt wäre. Ganz und gar nicht. | |
Meine Mutter schickt mir immer noch Carepakete zum Geburtstag in einem | |
umfunktionierten Schuhkarton. Neben Süßigkeiten befinden sich darin auch | |
Unterhosen und Socken. Auch noch mit 41. Ich glaube, ich habe mir mit 28 | |
zum ersten Mal selbst eine Unterhose gekauft. | |
In einem Carepaket zu meinem 25. Geburtstag fand ich unter einem Gewühl von | |
Aldischokolade („Masse statt Klasse“, lacht da meine Mama immer) einmal | |
mein altes Kuscheltier Dorle, benannt nach dem Nachbarshund, der mich als | |
Fünfjährige in den Bauch gebissen hat. Meine Mama weiß nämlich auch mit | |
einem Trauma umzugehen. Sich den Feind ins Bett holen und ihn zähmen. | |
Die Re-Infantilisierung, dass sie mir mein Kuscheltier in meinen | |
Studentenjahren hinterherschickt, hat jedenfalls bestens funktioniert: | |
Dorle liegt immer noch in meinem Bett, nun neben einem Kuscheltier in Form | |
eines Hais, den sie mir schenkte, als ich anfing zu tauchen. Erwähnte ich | |
schon? 41. | |
Und dann das: eines Morgens eine WhatsApp-Nachricht, ich solle mal in den | |
Briefkasten schauen. Nervös erwarte ich die Sendung. Mit zittrigen Fingern | |
öffne ich das Kuvert. Fünf Masken fallen heraus. Nicht selbst genäht mit | |
Spitzen und Schleifchen, sondern schnöde, graublaue Einmalmasken. Stibitzt | |
vom Rathaus ihres Dorfes, wo diese Woche an alle Dorfbewohner fünf Stück | |
vergeben wurden. | |
Meine Mutter hat einfach behauptet, dass ihre beiden Töchter gerade zu | |
Hause wohnen. „Typisch“, hat sie an der Ausgabe gesagt, „in der Krise | |
kommen alle heim ins Hotel Mama.“ Ich bin gerührt von der kriminellen | |
Energie, die sie entwickelt, um ihre Brut in Sicherheit zu wissen. Viel | |
cooler, als wenn sie daheim über der ollen Nähmaschine selbst gebrütet | |
hätte. Beim Reden über Privilegien in Coronazeiten fehlt mir oft eine | |
Perspektive. Was es für ein Riesenprivileg ist, dass man Eltern hat, die | |
einen lieben und die man selbst liebt. | |
22 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Diehl | |
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