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# taz.de -- Die Maske als Mode-Accessoire: Mit Stil überleben
> Nicht auf personalisierte Werbung hereinzufallen, kann eine
> Herausforderung sein. Da hilft kein rationales Wissen, sondern bloß
> eisenharter Wille.
Bild: Wenn schon Maske, dann aber bitte mit Stil
Newsletter klingen seit einiger Zeit zunehmend persönlich, sogar die von
fremden Punk- und Mod-Ikonen. Meine Freunde von The Who beginnen ihre
wichtigen Updates stets mit einem jovialen „Hi Jenni“, und sie gratulieren
mir regelmäßig zum Geburtstag, meist noch vor meiner Familie.
Gestern hat Lydia Lunch mir geschrieben. „If the end is near“, so lautete
der Betreff, „you might as well enjoy it“. (Mich hat das an die kühne
Aussage eines Bekannten erinnert, der behauptete, wenn er je in einem
abstürzenden Flugzeug säße, würde er die Arme gen Himmel strecken und
„Yeaaaaahhhhhh!!!“ rufen, bis es aufschlägt. Makaber, aber nachprüfen kann
man es eh nicht.)
Jedenfalls kumpelte Lydia ebenfalls mit „Hi Jenni“ los, sie wollte, dass
ich eine ihrer schwarzen, mit dem Lydia-Lunch-Logo versehenen
Mund-und-Nase-Masken kaufe, „to survive in style“. Was mir natürlich
gelegen kommt.
Ich neige nämlich dazu, auf personalisierten Spam – sei es ein Newsletter,
sei es eine Anzeige – reinzufallen. Jedes Mal, wenn ein vestimentärer
Onlinestore mich mit dem etwas moralinsauren Betreff „Haben Sie nicht
etwas in ihrem Warenkorb vergessen, Jenni?“ anstupst, schaue ich peinlich
berührt nach und kann mich nur schwer davon abhalten, doch noch alles zu
kaufen, um den Warenkorb wieder frei zu machen.
## „Sie haben es sich verdient!“
Falls die Leute aus dem Laden ihn noch brauchen. Manchmal beginnt so ein
Koberbrief mit Suggestivschleimereien wie: „Sie haben es sich verdient!“,
oder – ein recht neuer Trick – mit ungefragt eingeräumten, angeblichen
Fehlern: „Jenni, wir entschuldigen uns!“ Dann will ich sofort wissen,
wofür, und habe, schwups, wieder eine Kiste Crémant bestellt, weil es ihnen
so leidtut, dass die Homepage angeblich vorgestern drei Stunden lang nicht
zu erreichen war.
Dabei weiß ich doch aus der Kommunikationstheorie und aus dem Umgang mit
US-Amerikaner*innen, dass die namentliche Ansprache der älteste Hut in
Sachen vorgetäuschtes Interesse ist.
Aber das geht so nicht weiter. Zwar verstehe ich, dass der Einzelhandel und
die kleineren Versandhändler*innen kämpfen, dennoch habe ich in einem
langwierigen Prozess sämtliche für personalisierte Werbung zuständige
Cookies abgeschaltet und mich bei fast allen Newslettern (außer The Who und
einem, höchstens zwei Onlinestores) ausgetragen. Mein Surfverhalten wird
also nicht mehr individuell analysiert und ausgewertet.
Allerdings sind die Anzeigen, die stattdessen nun virtuelle Ausflüge
rahmen, fast noch suspekter. Es handelt sich ausnahmslos um
Klamottenreklame für nicht Tragbares: T-Shirts mit gezeichneten Katzen oder
Eselsköpfen drauf, die den/die Betrachter*in anschauen; zipfelige Kleider
aus Filz; flache Schuhe.
## Katzen- und Eselsköpfe
Entweder sind die Katzen- und Eselskopf-T-Shirts der kleinste gemeinsame
Nenner, oder die Suchmaschinenoptimierungsagenturen schicken bewusst
hässliche Kleider in die Welt, damit aufrechte Menschen wie ich einknicken
und sich wieder mit personalisierter Werbung zuballern lassen.
Wieso die Algorithmen noch keine Masken anbieten, ist mir schleierhaft –
das ist momentan das einzige Kleidungsstück, das weltweit und unabhängig
von Geschlecht, Geschmack oder Empfänglichkeit für Modetorheiten getragen
wird.
Die Lydia-Lunch-Maske habe ich darum für alle Fälle gekauft,
prophylaktisch, denn davon seien, so schreibt sie, „only very few left“...
Vielleicht hatte sie im Ganzen eh nur drei Stück zustande gebracht auf
ihrer New Yorker 80er-Jahre-Punk-Nähmaschine. Aber es ist schön, sich
vorzustellen, wie Lydia für mich näht. Falls Pete Townshend auch noch
anbietet, mir eine zu nähen, sage ich nicht Nein. Man hat schließlich
verschiedene Outfits zu bestücken.
14 Jul 2020
## AUTOREN
Jenni Zylka
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