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# taz.de -- Innenminister vs taz: Wo ist Seehofer?
> Nach der angekündigten Anzeige gegen die taz taucht der
> Bundesinnenminister ab. Offenbar schwelt ein Konflikt mit Kanzlerin
> Merkel.
Bild: Vorerst verstummt: Horst Seehofer
BERLIN taz | Und dann ist Horst Seehofer verschwunden. In Berlin sollte der
Bundesinnenminister am Dienstag den Jahresbericht des Verfassungsschutzes
vorstellen, später in Neustrelitz die Gründung der Deutschen Stiftung
Ehrenamt mit Familienministerin Franziska Giffey und
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner mitfeiern. Aber Seehofer sagt
alles ab. „Aus Termingründen“, wie sein Sprecher nur mitteilt. Seehofer ist
weg.
Dabei hatte der CSU-Mann am Sonntagabend noch eine Lawine losgetreten.
[1][Über die Bild hatte er eine Anzeige gegen taz-Autor*in Hengameh
Yaghoobifarah angekündigt]. Sie hatte in einer Kolumne in einem
[2][Gedankenspiel über den Einsatz von PolizistInnen jenseits ihres
Berufsstands sinniert und war letztlich auf der „Mülldeponie“ gelandet].
Für Seehofer eine „Enthemmung der Worte“. [3][Journalistenverbände
kritisierten dagegen einen Angriff auf die Pressefreiheit], auch
[4][Opposition und Teile der SPD].
Schon am Montag hatte Seehofer daraufhin bekundet, er müsse sich noch mal
mit seinen Juristen besprechen. Regierungssprecher Steffen Seibert wiederum
bekundete, es gebe ein „vertrauliches Gespräch“ über die Anzeige zwischen
Angela Merkel und Seehofer. Das spricht dafür, dass die Kanzlerin die Sache
für eher keine gute Idee hält. Jedenfalls: Eine Anzeige gegen die taz gab
Seehofer auch bis zum Redaktionsschluss am Dienstag nicht bekannt.
## Seehofer zögert die Entscheidung über die Anzeige hinaus
Dafür tauchte der Innenminister ab. Bereits am späten Montagabend hatte er
die [5][Pressekonferenz mit dem Verfassungsschutz mit einem dürren Satz
absagen lassen] – ohne jede Begründung. Dazu nachgefragt, führte sein
Sprecher die „Termingründe“ an. Und welche? Die Frage sei „abschließend
beantwortet“. Und was ist nun mit der Anzeige? Der Sprecher: „Die
Öffentlichkeit wird über etwaige Entscheidungen in angemessener Weise
informiert werden.“ Ach so.
Aus dem Kanzleramt hieß es zu der Anzeige derweil nur, das müsse das
Innenministerium beantworten. Ansonsten gelte das Gesagte vom Montag. Also
der Verweis auf das vertrauliche Merkel-Seehofer-Gespräch.
All das klingt, als rumore es hinter den Kulissen. Und es weckt
Erinnerungen an 2018. Schon da hatte es massiven Streit zwischen Seehofer
und Merkel gegeben, [6][damals ging es um die Zurückweisung von
Geflüchteten an der deutschen Grenze]. Seehofer wollte dies unbedingt,
Merkel nicht. Der Streit führte zu einem heftigen Krach zwischen beiden,
schließlich auch innerhalb der Union. Und schon damals sagte Seehofer
kurzfristig eine Pressekonferenz ab, zur Vorstellung seines „Masterplanes
Migration“.
## Rechtlich war für den Verfassungsschutzbericht alles klar
Wiederholt sich das nun? Es sieht langsam so aus. Ein zwischenzeitlich
kursierender anderer Grund für die Absage, ein rechtlicher, ist jedenfalls
nicht plausibel. So hatten sowohl die Identitären als auch die AfD für den
Flügel und ihre Parteijugend gegen ihre Erwähnung im diesjährigen
Verfassungsschutzbericht geklagt. Beide waren indes am Freitag vor dem
Berliner Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht unterlegen. Der
Verfassungsschutz habe ja gerade die Funktion eines Frühwarnsystems und das
Innenministerium dürfe über Bestrebungen gegen die Verfassung berichten,
entschieden die Richter. Zudem gebe es eben Hinweise, dass alle drei
Gruppen gegen die Menschenwürde verstießen, weil sie Migranten und Muslime
verächtlich machten.
Der Weg für den Verfassungsschutzbericht war also frei. Auch frühere
Einwände von Seehofer, ob der Flügel und die AfD-Jugend im Bericht
auftauchen sollen, waren damit abgeräumt. Tatsächlich soll
Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang bis Montagabend noch mit der
Pressekonferenz gerechnet haben. Es kam anders.
## SPD verschärft Kritik
Inzwischen erhöht auch der Koalitionspartner den Druck auf Seehofer.
SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte den Innenminister am Dienstag deutlich.
Der Staat dürfe den Beschuss der taz-Autor*in „keinesfalls befördern“. Sie
selbst habe die Kolumne „auch nicht lustig“ gefunden, so Esken. „Aber das
ist kein Grund, Anzeige zu erstatten. Und schon gar nicht von staatlicher
Seite.“ Zuvor schon hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)
gen Seehofer klargestellt: „Die Pressefreiheit ist ein ganz, ganz hohes Gut
und wir alle sollten sehr, sehr verantwortungsbewusst damit umgehen.“
Unterstützung für Seehofer kommt dagegen aus der Unions-Fraktion. Dort wird
gelobt, dass Seehofer sich vor die Polizei stelle. Jeder müsse sich an
rechtsstaatliche Regeln halten, auch die Presse. Die Anzeige sei ein
„starkes Signal“. Auffällig ist aber das Schweigen der Großkopferten in d…
Union zu der Causa – der CDU-Chefin, des CDU-Generalsekretärs, des
CSU-Chefs.
Der weitere Fortgang? Offen.
23 Jun 2020
## LINKS
[1] /Innenminister-droht-der-taz-mit-Anzeige/!5696702
[2] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584
[3] /Medienreaktionen-auf-Seehofer/!5691089
[4] /Reaktionen-auf-Seehofer-Ankuendigung/!5696703
[5] /Verfassungsschutzbericht-2019/!5696773
[6] /Geheim-Papier-Masterplan-Migration/!5514377
## AUTOREN
Konrad Litschko
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