# taz.de -- Reaktionen auf Seehofer-Ankündigung: „Angriff auf die Pressefrei… | |
> Nach der Ankündigung von Innenminister Horst Seehofer, Anzeige gegen die | |
> taz zu stellen, hagelt es Kritik aus der Politik – aber nicht nur. | |
Bild: „Ein Angriff auf die Pressefreiheit“: breite Kritik aus der Politik a… | |
BERLIN taz | Die Empörung erfolgt über Parteigrenzen hinweg. Die | |
Ankündigung von Bundesinnenminister Horst Seehofer, [1][eine Anzeige gegen | |
die taz wegen einer Kolumne über die Polizei zu erstatten], verurteilten | |
mehrere PolitikerInnen als Angriff auf die Pressefreiheit. | |
Der Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner twitterte: „Ein Innenminister, | |
der eine Journalistin anzeigt, klingt nach Orbán oder Kaczyński. Das ist | |
ein Angriff auf die Pressefreiheit, unabhängig, ob man den Meinungsbeitrag | |
gut oder schlecht findet.“ Sein Parteikollege Konstantin von Notz sprach | |
von einer Grenzüberschreitung. „Seit Jahren nehmen die rassistischen, | |
völkischen, geschichtsrevisionistischen, menschenfeindlichen, | |
beleidigenden, demokratieverachtenden, aufhetzenden, spalterischen | |
öffentlichen Aussagen und Kommentare in unserem Land zu. Wo waren all die | |
Strafanzeigen von Horst Seehofer?“ Die Grüne Rechtspolitikerin Renate | |
Künast nannte die Anzeige „ungeheuerlich“. Seehofer sei „am Ende“. | |
Die Linke-Innenexpertin Martina Renner kritisierte, Seehofer solle als | |
Innenminister die Verfassung schützen, „nicht die Pressefreiheit in diesem | |
Land angreifen“. „Seine Anzeige dient ausschließlich propagandistischen | |
Zwecken, da er selbst genau weiß, dass diese keine Aussicht auf Erfolg | |
haben kann.“ | |
Auch der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle sprach von einer „völlig | |
verkorksten Polizei-Debatte“. Seehofer setze „lieber auf wirkungslose | |
Politik-Folklore statt auf Taten“. | |
## Kritik auch aus der SPD | |
Kritik kommt auch aus den Reihen der mitregierenden SPD. Dirk Wiese, | |
Vizevorsitzender der Bundestagsfraktion, erinnerte Medien an ihre | |
„besondere Verantwortung“. Formulierungen, PolizistInnen auf der | |
Mülldeponie zu entsorgen, seien „nichts als geschmacklos und abstoßend“. | |
Die Ankündigung von Seehofer, eine taz-Journalistin anzuzeigen, habe | |
dennoch „irritiert“. „Die Pressefreiheit muss leider auch geschmacklose u… | |
unsägliche Beiträge aushalten.“ Klara Geywitz, zuletzt Anwärterin auf den | |
SPD-Vorsitz, twitterte, man dürfe sich über Journalisten ärgern. „Sollten | |
wir sie deswegen anzeigen? Definitiv nein.“ Auch der SPD-Innnexperte und | |
Polizist Uli Grötsch sagte, er finde die taz-Kolumne „total daneben. | |
Trotzdem wäre eine Strafanzeige sicherlich der falsche Weg und | |
kontraproduktiv.“ | |
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) stellte sich dagegen | |
hinter Seehofer. Er unterstütze den Bundesinnenminister und auch, dass | |
dieser sich vor die PolizistInnen stelle. „Wer dazu aufruft, Menschen auf | |
den Müll zu schmeißen, der muss sich schon hinterfragen lassen.“ Mit der | |
Diskreditierung der Polizei „muss „Schluss sein“. | |
Indirekt äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu dem | |
Vorgang. „Wer Polizisten angreife, wer sie verächtlich macht oder den | |
Eindruck erweckt, sie gehörten ‚entsorgt‘, dem müssen wir uns entschieden | |
entgegenstellen“, sagte er am Montag in Berlin. Diejenigen, „die auf den | |
Straßen und Plätzen Tag für Tag unser friedliches Miteinander schützen und | |
das Gewaltmonopol des Staates verteidigen“, verdienten Respekt und | |
Unterstützung, „wenn sie brutal attackiert werden“. | |
## Noch hat Seehofer die Anzeige nicht gestellt | |
Die taz hatte vergangene Woche eine Kolumne veröffentlicht, [2][in der in | |
einem Gedankenspiel über die Verwendung von PolizistInnen jenseits ihres | |
Berufsstands nachgedacht wird], darunter auch ein Einsatz auf der | |
„Müllhalde“. Darauf war es zu Kritik und angekündigten Anzeigen von | |
Polizeigewerkschaften gekommen. | |
Am Sonntagabend hatte nun auch Horst Seehofer (CSU) über die Bild-Zeitung | |
erklärt, er werde Strafanzeige „wegen des unsäglichen Artikels in der taz“ | |
stellen. „Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung | |
der Taten und zu Gewaltexzessen.“ | |
Am Montag erklärten Seehofer und sein Sprecher dann allerdings, der Schritt | |
werde noch geprüft. Seehofer sagte, er müsse die Anzeige noch im | |
Ministerium besprechen und werde am Montagnachmittag endgültig entscheiden. | |
[3][Gefragt, welche Paragrafen er für die Anzeige heranziehen wolle], sagte | |
Seehofer, Volksverhetzung oder Beleidigung seien denkbar. | |
Laut Teilnehmern des nichtöffentlich tagenden Innenausschusses im Bundestag | |
hatte sich Seehofer dort bereits am vergangenen Mittwoch zu der taz-Kolumne | |
geäußert. Auf rechtliche Schritte angesprochen, soll der Innenminister dort | |
ausweichend geantwortet und auf die unklare Rechtslage verwiesen haben. | |
22 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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