# taz.de -- Jean Asselborn über die USA und Israel: „Ein Raub von Territoriu… | |
> Der US-Präsident darf die Kluft in der Gesellschaft nicht weiter | |
> vergrößern, sagt Luxemburgs Außenminister Asselborn. Auch Trumps | |
> Israelpolitik kritisiert er. | |
Bild: Trump nach seiner Stipvisite in der Kirche unter Polizeischutz | |
taz: Herr Asselborn, die Welt ist in Aufruhr. [1][China bedrängt Hongkong], | |
[2][in den USA gibt es Massendemonstrationen], Trump droht dem eigenen | |
Volk [3][mit dem Militär]. Doch von der EU hört man wenig. | |
Jean Asselborn: Das würde ich so nicht sagen. Bei unserer letzten | |
Videokonferenz am vergangenen Freitag haben wir als EU-Außenminister sehr | |
ausführlich über die Lage in Hongkong und China gesprochen. | |
Warum haben Sie zu den Vorgängen in den USA nach dem Tod von George Floyd | |
geschwiegen? | |
Bei dem Treffen waren die Konsequenzen noch nicht abzusehen. Das hat sich | |
erst am Wochenende in seiner ganzen Dramatik gezeigt. Das heißt jedoch | |
nicht, dass wir schweigen. Aus meiner Sicht wäre es sehr gut, wenn | |
US-Präsident Trump jenseits von Twitter verstehen würde, dass Amerika nur | |
dann wieder „great“ werden kann, wenn der Rassismus klar verurteilt wird. | |
Das Recht auf friedlichen Protest muss hundertprozentig garantiert werden. | |
Ein Präsident ist nicht dafür da, die Kluft in der Gesellschaft zu | |
vergrößern. Und er sollte auch endlich einsehen, dass die soziale | |
Ungerechtigkeit in den USA eine tragende Ursache für den Aufstand ist. Die | |
Situation ist sehr explosiv, sie kann nicht entschärft werden, wenn der | |
Präsident die Kluft noch vergrößert. | |
Warum hat es solange gedauert, bis sich die EU zu der Krise in den USA | |
geäußert hat? | |
Wir sind nicht Russland, China oder die USA. In Brüssel gibt es keinen | |
Knopf, den man einfach drücken kann, damit eine Erklärung herauskommt. | |
Alles muss durch die europäischen Mühlen gehen … | |
… und die mahlen sehr langsam. Ein weiteres Beispiel ist die Nahostkrise. | |
Israel bereitet die [4][Annexion von Teilen des Westjordanlands] vor, doch | |
die EU schaut zu. | |
Nein, die EU-Außenminister haben schon am 15. Mai vier Stunden über die | |
Nahostkrise beraten. Danach haben wir eine ganz klare Position formuliert – | |
die Annexion wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht – und Israel vor diesem | |
Schritt gewarnt. Dass dem 25 von 27 EU-Staaten zugestimmt haben, ist schon | |
ein Erfolg. | |
Ungarn und Österreich tragen die EU-Position nicht mit. Und Deutschland ist | |
gegen Sanktionen. Ärgert Sie das? | |
Außenminister Heiko Maas hat sich klar gegen eine Annexion ausgesprochen. | |
Das Problem ist vor allem Ungarn, das systematisch jede Stellungnahme zum | |
Friedensprozess blockiert. Es ist höchst bedauerlich, dass wir nicht mit | |
einer Stimme sprechen können. | |
Haben Sie Verständnis für die deutsche Haltung zu Israel? | |
Deutschland trägt immer noch schwer an seiner historischen Last, ich kann | |
die deutsche Haltung nicht kritisieren. Allerdings möchte ich festhalten: | |
Wenn man Italiens Ex-Innenminister Matteo Salvini kritisiert, wie ich es | |
getan habe, dann ist man kein Anti-Italiener. Und wenn man Benjamin | |
Netanjahu kritisiert, dann ist man noch lange nicht gegen Israel oder gar | |
ein Antisemit. Viele Israelis wollen eine Zweistaatenlösung, genau wie wir. | |
Sind Sie für Sanktionen gegen Israel, falls es zur Annexion kommt? | |
Wir sollten jetzt nicht über Sanktionen reden, sondern alles tun, damit es | |
nicht so weit kommt. Mir geht es auch darum, die EU zusammenzuhalten. Bis | |
2016 hatten wir in der Nahostpolitik noch eine klare Position, dann kam | |
Trump und hat alles infrage gestellt. Er übt auch negativen Einfluss auf | |
einige EU-Staaten aus. | |
Heute sind wir nicht mehr in der Lage, unsere Haltung auf ein Blatt Papier | |
zu schreiben – dabei ist das Völkerrecht klar: Es geht um eine | |
[5][Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967] mit Jerusalem als Hauptstadt | |
der zwei Staaten. Die EU hat die Pflicht, das internationale Recht zu | |
verteidigen, das ist unser Kerngeschäft! | |
War es das, was Sie mit Ihrem umstrittenen [6][Vergleich mit der Krim] | |
meinten? | |
Ja. Eine Annexion ist ein Raub von Territorium, das einem anderen Land | |
gehört. Ich sehe da im Prinzip überhaupt keinen Unterschied zwischen der | |
Krim und dem Westjordanland. | |
Also müsste man auch über EU-Sanktionen gegen Israel sprechen? | |
Der Krim-Vergleich sagt alles. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. | |
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell fordert, die EU müsse die „Sprache | |
der Macht“ lernen. Erleben wir nicht gerade Europas Ohnmacht? | |
Wir sind keine Militärmacht, und werden es in absehbarer Zeit – in den | |
nächsten Jahrzehnten – auch nicht werden. Aber wir können uns durchaus | |
verteidigen, wie das Atomabkommen mit Iran gezeigt hat. Deshalb hat Iran | |
keine Atombombe bauen können! Dasselbe gilt für Israel und Palästina: | |
Unsere Macht beruht auf der Stärke des Völkerrechts. Die können wir | |
allerdings nur ausüben, wenn wir eine gemeinsame Position haben – darum | |
geht es. | |
4 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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