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# taz.de -- Rechtsstreit nach Fußballspiel: BVB-Fan gewinnt Marathonprozess
> Fast zehn Jahre nach dem Stadionbesuch: Eine spanische Strafe gegen einen
> Dortmund-Fan muss aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
Bild: Ein Dortmund-Fan bekommt Recht, sein Eintrag im Bundeszentralregister mus…
Das Bundeszentralregister muss die spanische Freiheitsstrafe eines
Dortmunder Fußballfans löschen. Das hat das Berliner Kammergericht in einem
Piloturteil entschieden. Das spanische Eilverfahren gegen den Fan habe wohl
gegen rechtsstaatliche Standards verstoßen.
Im Dezember 2010 hatte Borussia Dortmund ein Auswärtsspiel der
Europa-League beim FC Sevilla in Spanien. Die Stimmung war schon vor dem
Spiel gereizt. [1][Aggressiven Polizisten] standen teilweise gewalttätige
Dortmunder Fans gegenüber, so damalige Presseberichte. Im Stadion setzte
die spanische Polizei Schlagstöcke ein. Einige Dortmund-Fans warfen
Plastik-Sitzschalen Richtung Polizisten.
Nach dem Spiel zog die Polizei 15 BVB-Fans im Alter von damals 20 bis 26
Jahren aus der Menge heraus und nahm sie fest. Sie mussten sich rund zwei
Stunden in der Kälte an eine Mauer stellen. Wer sich bewegte, sei
geschlagen worden, so die Betroffenen. Anschließend wurden sie in
Untersuchungshaft genommen.
Zwei Dolmetscher drängten sie am nächsten Tag, Geständnisse zu
unterschreiben, dann kämen sie sofort frei. Ansonsten drohten normale
Verfahren mit wochenlanger Untersuchungshaft. Die Verurteilung in Spanien
habe in Deutschland keine Folgen, so einer der Dolmetscher, tauche
insbesondere nicht in einem deutschen Führungszeugnis auf. Ein anwesender
Verteidiger sprach kein Deutsch und zeigte sich desinteressiert. Die Fans,
die nur noch nach Hause wollten, unterschrieben und wurden entsprechend
wegen Gewalt und Nötigung gegen Polizeibeamte zu einer einjährigen
Bewährungsstrafe verurteilt – ohne dass sie bei der Gerichtsverhandlung
anwesend waren.
## Spanische Willkür
Tatsächlich tauchte die spanische Verurteilung dann aber doch in deutschen
Führungszeugnissen auf. Der Widerspruch beim Bundesamt für Justiz und dem
Bundesjustizministerium blieb erfolglos. Auch das Kammergericht Berlin (das
einem Oberlandesgericht entspricht) lehnte dann im Jahr 2012 den Antrag auf
Löschung der spanischen Strafe ab.
Erst beim [2][Bundesverfassungsgericht hatte der Fan, der die Sache klären
wollte, Anfang 2017 Erfolg]. Karlsruhe forderte eine neue Verhandlung des
Kammergerichts. Das Berliner Gericht habe das Grundrecht des Borussen auf
effektiven Rechtschutz verletzt, weil es seine Vorwürfe gegen die spanische
Justiz nicht näher überprüfte. Es habe außerdem gegen das Willkürverbot
verstoßen, weil es die Schilderung des Fans als in sich widersprüchlich
darstellte, obwohl sie klar und eindeutig war.
Nun hat das Kammergericht den Vorgang gründlich geprüft und gab dem Fan
Recht. Es sei „ausnahmsweise“ davon auzusgehen, dass die Eintragung der
spanischen Entscheidung ins deutsche Bundeszentralregister unzulässig war.
Es sei anzunehmen, dass das spanische Eilverfahren sowohl der
EU-Grundrechtecharta als auch Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung
widersprochen hat.
Konkret sahen die Berliner Richter die „Gewährung von rechtlichem Gehör“
verletzt. Die spanische Justiz konnte den Vorwurf des Fans, er habe an
keiner Gerichtsverhandlung teilnehmen können, ebensowenig widerlegen, wie
den Vorwurf, er habe die konkrete Anklage nicht gekannt und sich nicht dazu
äußern können. Die von Spanien vorgelegten Protokolle hätten dem Vorwurf
nicht widersprochen, so das Kammergericht, die Unterlagen wurden dem
Berliner Gericht „trotz mehrfacher Aufforderung“ nicht zur Verfügung
gestellt.
Der emeritierte Kriminologie-Professor Thomas Feltes, der den Borussen
vertrat, will nun prüfen, ob auch bei den übrigen Fans der Eintrag noch
gelöscht werden kann.
9 Jun 2020
## LINKS
[1] /Polizeigewalt-gegen-Fans-im-Fussball/!5687419
[2] /Bundesverfassungsgericht-hebt-Urteil-auf/!5383465
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Fußballfans
Polizei
Gericht
Fußball
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Hessen
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