# taz.de -- Wahl der VerfassungsrichterInnen: Neue Frau für Karlsruhe | |
> Der Bundesrat wählt Astrid Wallrabenstein auf Vorschlag der Grünen, | |
> Stephan Harbarth wird neuer Präsident. Um einen dritten Posten gibt es | |
> Streit. | |
Bild: Astrid Wallrabenstein bei einer Pressekonferenz im Jahr 2014 | |
BERLIN taz | Auf Vorschlag der Grünen wurde am Freitag im Bundesrat die | |
Frankfurter Rechtsprofessorin Astrid Wallrabenstein zur | |
Verfassungsrichterin gewählt. Sie ersetzt Andreas Voßkuhle am Zweiten | |
Senat. Dessen Posten als Präsident des Bundesverfassungsgerichts übernimmt | |
auf Vorschlag der CDU/CSU [1][Stephan Harbarth, der bisherige | |
Vizepräsident]. Vertagt wurde hingegen die Wahl eines Nachfolgers für | |
Richter Johannes Masing. Hier konnte sich die SPD nicht auf einen | |
Kandidaten einigen. | |
Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte von | |
Bundestag und Bundesrat gewählt. Für die Wahl ist eine Zweidrittelmehrheit | |
erforderlich. Voßkuhle war vor zwölf Jahren von der SPD vorgeschlagen | |
worden. Da die Grünen inzwischen jedoch an 11 von 16 Landesregierungen | |
beteiligt sind, wechselte das Vorschlagsrecht für die Nachfolge Voßkuhles | |
nun zu ihnen. Sie konnten damit erstmals eine Richterin für den Zweiten | |
Senat vorschlagen. Bisher sitzt auf Vorschlag der Grünen die | |
Rechtsprofessorin Susanne Baer im Ersten Senat. | |
Die 50-jährige Wallrabenstein ist schon lange als potenzielle | |
Verfassungsrichterin im Gespräch. Sie ist Expertin für | |
Staatsangehörigkeitsrecht und für Sozialversicherungen. Schon 2008 vertrat | |
sie die Bundesregierung im Streit mit den privaten Krankenversicherungen | |
als Prozessvertreterin in Karlsruhe. Am Zweiten Senat sind nun fünf der | |
acht Richterposten mit Frauen besetzt. | |
Das Präsidentenamt am Bundesverfassungsgericht übernimmt wie erwartet der | |
bisherige Vize Stephan Harbarth. Auch er wird heute im Bundesrat in das | |
neue Amt gewählt. Harbarth ist seit Ende 2018 Verfassungsrichter am Ersten | |
Senat, zuvor war er CDU-Bundestagsabgeordneter und Fraktionsvize. Dass mit | |
Harbarth ausgerechnet ein ehemaliger Politiker zum neuen Gesicht des | |
Bundesverfassungsgerichts wird, gilt als heikel. Er ist aber nicht der | |
erste Ex-Politiker an der Spitze des Gerichts. Jutta Limbach, Roman Herzog | |
und Ernst Benda haben dort eine gute und unabhängige Rolle gespielt. | |
Eigentlich sollte im Bundesrat am Freitag auch noch eine dritte Wahl | |
stattfinden, denn die Amtszeit des Verfassungsrichters Johannes Masing ist | |
bereits am 1. April abgelaufen. Masing war am Ersten Senat für | |
Meinungsfreiheit und Datenschutz zuständig und hatte damit den vielleicht | |
wichtigsten Richterposten in Karlsruhe. Als sein Nachfolger ist der | |
Berliner Rechtsprofessor Martin Eifert im Gespräch, der als Experte für | |
Medien- und Internetrecht ein logischer Nachfolger wäre. | |
## Erster Verfassungsrichter mit Ost-Biographie? | |
Die SPD, die bei diesem Posten das Vorschlagsrecht behalten hat, konnte | |
sich aber noch nicht einigen, da noch zwei weitere Kandidaten mit | |
regionalem Hintergrund im Spiel sind. Für den Potsdamer Sozialrichter Jes | |
Möller spricht, dass er der erste Bundesverfassungsrichter mit reiner | |
Ostbiografie wäre. Für Lars Brocker, den Präsidenten des | |
Landesverfassungsgerichts Rheinland-Pfalz, macht sich Ministerpräsidentin | |
Malu Dreyer (SPD) stark. | |
Fast hätten die Querelen in der SPD auch eine schnelle Wahl von | |
Wallrabenstein und Harbarth blockiert, weil die drei Entscheidungen bisher | |
als Paket behandelt wurden. Erst am Donnerstagabend um 21 Uhr kamen die | |
beiden Wahlen doch noch auf die Tagesordnung im Bundesrat. Die Wahl eines | |
Masing-Nachfolgers kann dann bei der nächsten Bundesratssitzung in drei | |
Wochen erfolgen. | |
Andreas Voßkuhle, der ab 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts war, | |
bleibt noch im Amt, bis ihm Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier die | |
Entlassungsurkunde aushändigt. Dann kehrt er als Rechtsprofessor an die Uni | |
Freiburg zurück. Voßkuhle hatte sich als souveräner und sympathischer | |
Kommunikator des Gerichts einen Ruf gemacht und war deshalb 2012 und 2016 | |
als Bundespräsident im Gespräch. | |
15 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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