Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gegen die Illegalisierung von Cannabis: Richter Müller will Kiffer…
> Ist die Kriminalisierung von Cannabis verfassungswidrig? Bernauer
> Strafrichter wendet sich an das Bundesverfassungsgericht.
Bild: Dass Cannabis illegal ist, hält Richter Müller für unverhältnismäßig
Freiburg taz | Die Kriminalisierung von Cannabis ist verfassungswidrig. Zu
diesem Schluss kam der Strafrichter Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau
(bei Berlin). Seine Ansicht begründete er vorige Woche in einem
141-seitigen Vorlagebeschluss, über den nun das Bundesverfassungsgericht
entscheiden muss.
Im konkreten Fall hatte ein 24-jähriger Maschinenbau-Student im
Görlitzer-Park (Berlin-Kreuzberg) 2,6 Gramm Marihuana gekauft und geriet
anschließend in eine Polizeikontrolle. Da der junge Mann schon mal mit
Marihuana erwischt worden war, lehnte die Staatsanwaltschaft eine
Einstellung des Verfahrens ab und forderte eine Geldstrafe von 150 Euro.
Müller legte das Verfahren in Karlsruhe vor. Doch ihm geht es nicht nur um
den Studenten, sondern um geschätzt vier Millionen Cannabis-Konsumenten in
Deutschland, denen jederzeit Ärger mit Polizei und Justiz droht.
Dass Cannabis und seine Produkte Marihuana und Haschisch im
Betäubungsmittelgesetz noch auf der Liste der illegalen Drogen stehen, hält
Müller für unverhältnismäßig. Beim „moderaten Gebrauch“ durch
Normalbenutzer sei Cannabis „relativ ungefährlich“ und deutlich harmloser
als der legale Alkohol. Während Alkohol pro Jahr zehntausende Tote
verursache, sei es bei Cannabis kein einziger, so Müller. Deshalb müsse
zumindest der Besitz von geringen Mengen straflos sein.
Müller nutzte bei seinem Vorlagebeschluss als erster Richter ein Muster,
das der Deutsche Hanfverband (DHV) Ende 2019 veröffentlichte. Der DHV will
damit im Rahmen seiner „Justizoffensive“ die Anrufung des
Bundesverfassungsgerichts erleichtern.
## Legalisierung in anderen Ländern könnte helfen
Doch Müller ist selbst Überzeugungstäter. 2015 veröffentlichte er das Buch
„Kiffen und Kriminalität“. Freimütig räumt der Richter auch eigene
(frühere) Cannabis-Erfahrungen ein. Müller gilt als Deutschlands
bekanntester Jugendrichter. Einen Namen machte er sich, als er
straffälligen Jungnazis verbot, weiter Springerstiefel zu tragen.
Das Bundesverfassungsgericht muss sich nicht zum ersten Mal mit der
Kifferfrage befassen. 1994 entschieden die Richter, dass es kein „Recht auf
Rausch“ gebe und der Gesetzgeber bei der Einstufung von Drogen einen
„Beurteilungsspielraum“ habe. Es gebe keine Pflicht, Alkohol und Cannabis
gleich zu behandeln. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit genüge es, wenn
Verfahren bei geringen Mengen in der Regel eingestellt werden.
Doch Müller findet, dass sich die von Karlsruhe vorgegebene
Einstellungslösung nicht bewährt hat. Denn zunächst müsse sich jeder Kiffer
gegenüber der Polizei rechtfertigen, es seien Festnahmen und
Hausdurchsuchungen möglich.
Was eine „geringe Menge“ ist, werde zudem im Bundesvergleich
unterschiedlich definiert. In Bayern und Baden-Württemberg sind es bis zu 6
Gramm, in Berlin und Bremen 15 Gramm. Unter dem Strich würden nur rund zwei
Drittel aller Cannabis-Verfahren eingestellt. Jährlich gebe es deshalb bis
zu 30.000 Verurteilungen.
Damit eine erneute Vorlage an das Verfassungsgericht zulässig ist, muss
Richter Müller belegen, dass es seit 1994 „neue Tatsachen“ gibt.
Erfolgversprechend ist vor allem der Hinweis auf die geregelte
Legalisierung von Cannabis in Portugal, Uruguay, Kanada und zehn
US-Bundesstaaten, die nicht zu Chaos und Kontrollverlust führte. Dies
zeige, so Müller, dass das Strafrecht „nicht erforderlich“ ist, um Ziele
wie den Jugendschutz zu erreichen.
Wann und wie sich das Bundesverfassungsgericht mit der Vorlage befasst, ist
völlig offen. Bis dahin gilt das Cannabis-Verbot weiter. Nur die Karlsruher
Verfassungsrichter können Gesetze für verfassungswidrig erklären.
26 Apr 2020
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Cannabis
Haschisch
Bundesverfassungsgericht
Bremen
Drogen
Verfassungsgericht
Schwerpunkt Urheberrecht
Cannabis
Uruguay
Cannabis
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kiffer in Bremen häufiger in Behandlung: Macht nicht nur breit
Die Zahl der Cannabis-Konsument:innen mit Psychosen nahm in der Hansestadt
zu. Ein kausaler Zusammenhang ist aber nicht bewiesen.
Vorstoß zur Cannabis-Legalisierung: Kiffer bleiben unerforscht
Bremens Koalition setzt sich für ein wissenschaftliches Modellprojekt zur
kontrollierten Abgabe von Cannabis ein – die Aussichten sind aber schlecht.
Wahl der VerfassungsrichterInnen: Neue Frau für Karlsruhe
Der Bundesrat wählt Astrid Wallrabenstein auf Vorschlag der Grünen, Stephan
Harbarth wird neuer Präsident. Um einen dritten Posten gibt es Streit.
BGH zu Afghanistan-Papieren: Kein „Zensurheberrecht“
Die Bundesregierung wollte Afghanistan-Berichte zurückhalten. Auf das
Urheberrecht kann sie sich aber nicht stützen, so der Bundesgerichtshof.
Internationaler Kiffertag am 20. April: Hilft gegen den Lagerkoller
Letztes Jahr trafen sich am Welt-Kiffertag Menschen im Görlitzer Park, um
zu kiffen. Geht diesmal nicht. Es lässt sich aber auch in Isolation
rauchen.
Machtwechsel in Uruguay: Konservativer Hardliner am Ruder
Nach 15 Jahren linker Regierung wird Luis Lacalle Pou neuer Präsident von
Uruguay. Konflikte sind schon jetzt absehbar.
Klischeefreies Kiffen in Groningen: Das besondere Küstengefühl
Die Niederländer*innen haben einen entspannten Umgang mit Cannabis. Für
viele Studierende aus Oldenburg ist das ein Grund für einen Besuch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.