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# taz.de -- Rechte in den USA: Auf der Schulter das Sturmgewehr
> Bewaffnete Gegner der Corona-Maßnahmen laufen im Bundesstaat Michigan
> auf. Sie bedrohen die demokratische Gouverneurin mit dem Tod.
Bild: Einsamer Protest: eine Unterstützerin der Gouverneurin Whitmer vor dem P…
New York taz | Eine nackte Barbiepuppe mit langen braunen Haaren ist an
einer Schlinge aufgehängt. Sie baumelt an einer US-Fahne, die ein Mann
trägt. Ein anderer Mann – auch er ohne Maske – stolziert mit einer Axt
durch die Menschenmenge. Dutzende weitere weiße Männer haben Sturmgewehre
geschultert. Manche tragen rote „Trump 2020“-Mützen.
Szenen aus einer Demonstration vor dem Kapitol in Lansing, der Hauptstadt
von Michigan: Mehrere radikal rechte Organisationen sowie die üblichen
SchusswaffenfreundInnen haben am Donnerstag, den 14. Mai, zum „Judgement
Day“ deklariert – zum Tag des Jüngsten Gerichts. Sie sind gegen die
[1][Verlängerung der Pandemie-Ausnahmeregeln]. Und sie sagen, dass sie die
„Freiheit“ verteidigen und die „Tyrannei“ bekämpfen.
Bei ihrem dritten Aufmarsch an dem Ort, an dem sonst die gewählten
PolitikerInnen des 10-Millionen-EinwohnerInnen-Bundesstaats arbeiten,
wollen sie zur blutigen Tat schreiten. Auf mehreren „privaten“
Facebookgruppen mit Zigtausenden von Mitgliedern bedrohen Leute aus ihren
Kreisen die Gouverneurin Gretchen Whitmer. Sie wünschen der Demokratin mit
den langen braunen Haaren den Tod. Ungehemmt diskutieren sie Mordfantasien,
die von Lynchen über Erschießen bis zur Guillotine reichen.
Zuletzt sind die Rechten in dieser Sache am 30. April aufmarschiert. An dem
Tag kamen schwer bewaffnete Männern auf die Galerie im ersten Stock,
während unten die ParlamentarierInnen debattierten. „Es war eine
Einschüchterung“, beschreibt Senatorin Mallory McMorrow die Szene, bei der
vier Männer mit Gewehren direkt hinter und über ihr saßen. Die Polizei ließ
die rechten Demonstranten gewähren. Im Kapitol von Michigan ist das Tragen
von Schusswaffen erlaubt. Die Schusswaffenlobby in dem Bundesstaat ist
stark.
## Kapitol geschlossen
Dieser Donnerstag ist anders. Das Kapitol bleibt geschlossen. Angesichts
der Gewaltdrohungen haben sich die GesetzgeberInnen vertagt. „Die
Terroristen haben gesiegt“, seufzen manche Linke.
Michigan ist ein Versuchslabor für die Rechten. Im Jahr 2016 hat Trump den
Bundesstaat mit einem Viertelprozentpunkt Vorsprung knapp gewonnen. Aber
2018 rücken die Michigander wieder von den Republikanern ab. Sie wählen die
Demokratin Whitmer mit zehn Prozentpunkten Vorsprung zu ihrer Gouverneurin.
Sie ist 48, eine Hoffnungsträgerin der Demokratischen Partei, gelegentlich
als potenzielle Vizepräsidentin im Gespräch und angetreten mit einem
Programm zu Verteidigung der Krankenversicherung und zur Verbesserung der
Infrastruktur. Einer ihrer Slogans lautet: Lasst uns die verdammten Straßen
reparieren. Zusätzlich steht sie für eine – wenngleich zaghafte –
Schusswaffenkontrolle.
Whitmer ist schon lange im Visier der Rechten. Aber seit sie zu Beginn der
Pandemie das Gegenteil von Trump getan, per Dekret alle nichtessenziellen
Betriebe geschlossen und das Maskentragen zur Pflicht gemacht hat,
konzentrieren sich ihre GegnerInnen auf die Stay-at-home-Regeln.
## Unterstützung von Trump
Aus Washington bekommen die Whitmer-GegnerInnen Unterstützung von
[2][Trump]. „Befreit Michigan“, twitterte er Mitte April. Dieselben Parolen
gibt er auch in Richtung anderer demokratisch regierter Bundesstaaten aus,
die er im November gewinnen will, darunter Nevada, Minnesota, North
Carolina und Virginia. „Diese Frau in Michigan“ nennt er die populäre
Gouverneurin Whitmer, als könne er sich nicht an ihren Namen erinnern.
Whitmer lässt sich weder von dem Präsidenten noch von Demonstrationen von
Gruppen wie „Michigan United for Liberty“ und „Michigan Freedom Fund“ o…
von den anhängigen Klagen gegen ihre Pandemie-Politik beeindrucken.
Die Covid-19-Zahlen geben ihr recht. Ihr Bundesstaat steht bei der
Bevölkerung zwar erst an zehnter Stelle in den USA, belegt mit 4.787
Covid-19-Toten aber Platz vier in der Sterbeliste. 79 der 83 Counties von
Michigan haben Infizierte. Am schwersten betroffen ist Detroit. Sie hat
eine der höchsten Infektionsraten aller US-amerikanischen Städte.
Zwei Drittel der Michigander unterstützen die Pandemie-Politik ihrer
Gouverneurin. Aber die DemonstrantInnen, die sich am Donnerstag in Lansing
versammeln, wollen nicht nur die Stay-at-home-Regeln, sondern gleich auch
die Gouverneurin loswerden. Manche von ihnen laufen mit NS-Symbolen und
Fahnen der Konföderierten herum, die im Bürgerkrieg für die Beibehaltung
der Sklaverei gekämpft haben.
## „Blei fressen“
Auf einer „privaten“ Facebookseite droht ein gewisser James Greena, die
Gouverneurin solle „Blei fressen, damit andere Demokraten verstehen, dass
sie die Nächsten sein werden“. Erst nachdem die Detroit Metro Times über
die zahlreichen Gewaltdrohungen berichtet hatte, schloss Facebook die Seite
Anfang dieser Woche.
Die DemonstrantInnen vor dem Kapitol – unter ihnen auch Frauen und Kinder –
stehen dicht an dicht. Sie wollen die Geschäfte und Betriebe sofort wieder
aufmachen und sie wollen sich weder an Sicherheitsabstände noch
Maskenregeln halten. In einem Wahljahr, in dem die Angst vor bewaffneten
Zusammenstößen wächst, demonstrieren sie Stärke.
An diesem Donnerstag, als das Kapitol in Lansing geschlossen ist, sind die
Whitmer-GegnerInnen nicht ganz allein. Ein paar UnterstützerInnen der
Gouverneurin tummeln sich in ihrer Mitte. „Ich stehe zu ihr“, hat eine
Krankenschwester auf ihren nackten Unterarm geschrieben. Am Hosenbund trägt
sie eine Pistole.
Die Gouverneurin will Michigan wegen der hohen Infektionsraten nicht vor
dem 11. Juni aufmachen. Die Demonstrationen, so mahnt sie in einem
Interview am Donnerstag, könnten das Virus noch weiter verbreiten: „Auf
eine perverse Art machen sie es wahrscheinlicher, dass wir die
Bleibt-zu-Hause-Regel verlängern müssen.“
15 May 2020
## LINKS
[1] /Coronakrise-in-USA/!5670798
[2] /Donald-Trump-in-der-Coronakrise/!5674814
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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