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# taz.de -- Corona in der Fleischindustrie: Niedersachsen wacht spät auf
> Aufgeschreckt durch die Masseninfektionen will jetzt auch Niedersachsen
> seine Schlachthöfe kontrollieren – aber nur ein bisschen.
Bild: Niedersachsen testet Schlachthof-Arbeiter
Hannover taz | Seit Wochen und Monaten mahnen Branchenkenner zur Vorsicht:
Die Arbeits- und Wohnverhältnisse in der Fleischindustrie machen die
Branche zum Corona-Hotspot. Doch erst die massenhaften Infektionen im
benachbarten Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen brachten die
niedersächsische Landesregierung zum Handeln.
Regelrecht empört äußerte sich Ministerpräsident Stephan Weil am Wochenende
gegenüber dem NDR und am Dienstag im Landtag über eine gängige Praxis der
Schlachthöfe. Offenbar waren nämlich auch Werkvertragsarbeiter, die sonst
in Niedersachsen wohnen und arbeiten, in den Corona-Schlachthöfen
eingesetzt – sie werden busladungsweise zwischen den einzelnen Standorten
des gleichen Unternehmens hin- und hergeschoben.
Nun ist man allerdings alarmiert. Noch am Dienstag sollten Reihentests
unter den Beschäftigten der Fleischindustrie anlaufen. Zunächst bei denen,
die unmittelbaren Kontakt zu den betroffenen Betrieben hatten oder
Symptome zeigen. Von mehreren Tausend sprach die stellvertretende Leiterin
des Corona-Krisenstabes, Claudia Schröder, am Montag. Insgesamt beschäftigt
die Fleischindustrie in Niedersachsen in 183 Betrieben mehr als 20.000
Mitarbeiter.
## Landkreise müssen die Unterkünfte kontrollieren
Die Schlachtbetriebe seien außerdem schon in der vergangenen Woche über die
Gewerbeaufsichtsämter aufgefordert worden, eine Gefährdungsbetrachtung
abzugeben, sagte Schröder weiter. Die Abgabefrist sei angesichts des akuten
Infektionsgeschehens noch einmal verkürzt worden, die Betriebe müssten nun
unverzüglich einen Plan vorlegen, wie sie die Infektionsrisiken in ihrer
Produktion zu minimieren gedenken.
Und die Landkreise und Kommunen wurden per Erlass angewiesen, die
Sammelunterkünfte auf Einhaltung der Hygienevorschriften zu kontrollieren.
Theoretisch müssten sie diese ohnehin im Blick haben, immerhin waren sie in
den vergangenen Wochen ja auch schon zu ähnlichen Überprüfungen für die
Erntearbeiter in der Landwirtschaft angehalten.
Praktisch könnten sich diese Kontrollen allerdings als der entscheidende
Schwachpunkt erweisen. Denn zum einen arbeiten die Gesundheitsämter
vielerorts ohnehin schon am Limit. Und zum anderen gibt es offenbar
unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, welche Unterkünfte sie
kontrollieren können und dürfen.
## Private Wohnungen werden nicht kontrolliert
So erklärte etwa der Sprecher des Landkreises Cloppenburg, Frank Beumker,
gegenüber der taz, die Arbeitnehmer seien hier ja kaum in
Sammelunterkünften im Sinne der Landesverordnung untergebracht, sondern in
privat angemieteten Wohnungen. Die werden nicht kontrolliert.
Und auch in den wenigen darüber hinaus verbleibenden Sammelunterkünfte sei
die geforderte Unterbringung in Einzelzimmern häufig nicht möglich. Man
habe in diesen Fällen die Eigentümer der Unterkünfte und die Arbeitgeber,
die in größerem Umfang Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigen, schriftlich
darauf hingewiesen, dass sie ein entsprechendes Hygienekonzept erstellen
müssten.
Gewerkschafter weisen immer wieder darauf hin, dass es in dieser Branche
gängige Praxis ist, dass Subunternehmer Mehrfamilienhäuser oder Wohnungen
anmieten, mit mehreren Arbeitern pro Zimmer belegen und dann Wucherpreise
für die einzelnen Schlafstätten berechnen, um die Löhne zu drücken.
Der Landkreis Cloppenburg war erst 2018/2019 in die Schlagzeilen geraten,
weil sich in zwei Schlachthöfen die Tuberkulosefälle unter den meist
osteuropäischen Arbeitern häuften. Die strukturschwache Region lebt vor
allem von der Massentierhaltung und -verarbeitung.
13 May 2020
## AUTOREN
Nadine Conti
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