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# taz.de -- Streit zwischen Grünen und Tübingens OB: Sarrazin springt Palmer …
> Die Südwest-Grünen haben ihr seit Jahren umstrittenes Mitglied
> aufgefordert, die Partei freiwillig zu verlassen. Boris Palmer will ihnen
> diesen Gefallen nicht tun.
Stuttgart dpa/taz/afp | Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen den
Grünen und ihrem umstrittenen Mitglied Boris Palmer hat sich verschärft.
Der Vorstand der Südwest-Grünen forderte den Tübinger Oberbürgermeister zum
Parteiaustritt auf. „Der Landesvorstand erwartet, dass Boris Palmer unsere
Partei verlässt“, teilte die Partei am Freitagabend in Stuttgart mit.
Palmer fällt seit Jahren mit provokanten Äußerungen auf. Zuletzt sorgte er
mit einer [1][Wortwahl zum Umgang mit älteren Corona-Patienten] für
Empörung. Palmer will aber bei den Grünen bleiben. Damit droht der Konflikt
zu eskalieren.
Unklar ist, was auf Palmer jetzt zukommt. Die Satzung der Landespartei
listet mögliche Ordnungsmaßnahmen gegen Parteimitglieder auf: Verwarnungen,
Aberkennung der Leitungsfunktion, zeitweiliges Ruhen der Mitgliedsrechte
bis zu zwei Jahren, Ausschluss aus der Partei. Auf der Bundesebene strebt
man derzeit jedoch kein Ausschlussverfahren an.
„Die kursorische Prüfung hat gezeigt, wie schwer die Erfolgsaussichten
einzuschätzen sind“, sagte eine Parteisprecherin am Samstag in Berlin. „Wir
legen deswegen unser gemeinsames Augenmerk auf die politischen Maßnahmen.“
Der Bundesvorstand habe Anfang der Woche deutlich gemacht, dass er Palmer
politisch nicht mehr unterstützen werde.
Gegenüber der Presseagentur dpa sagte Palmer: „Ich bin aus ökologischer
Überzeugung Grüner. Deswegen bleibe ich Mitglied.“ Er forderte die Grünen
zu einer öffentlichen, argumentativen Auseinandersetzung mit ihm auf. Er
werde verurteilt für etwas, was er nicht gesagt habe. Die Grünen
beteiligten sich daran, die Demokratie zu einer „Empörungsarena“
umzugestalten, meinte er.
Palmer hatte in einem Interview zur Conona-Pandemie gesagt: „Wir retten in
Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot
wären.“ Er erklärte seine Aussage mit der Sorge um armutsbedrohte Kinder
vor allem in Entwicklungsländern, deren Leben durch die wirtschaftlichen
Folgen des Lockdowns bedroht sei. Palmer räumte nach Kritik aber ein, dass
sein Satz ohne den Kontext und wegen seiner scharfen Formulierung Anlass
zum Missverständnis gegeben habe. Das bedauere er. Er habe nicht davon
gesprochen, alte und kranke Menschen aufzugeben. „Ich erwarte
selbstverständlich, dass jeder Mensch die bestmögliche medizinische
Versorgung erhält.“ In einem [2][Gespräch mit der taz] hatte er sich für
eine temporäre Quarantäne von Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen
ausgesprochen.
## Sarrazin: gröbere Form der Äußerungen Schäubles
Unterstützung bekam Palmer von dem früheren SPD-Politiker Thilo Sarrazin,
der ebenfalls seit Jahren mit seiner Partei im Streit liegt. Offensichtlich
sei, dass die Grünen Palmer mehrheitlich schon länger nicht mehr mögen
würden, sagte Sarrazin am Samstag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Jetzt sehen viele einen willkommenen Anlass, in Bezug auf Boris Palmer
‚reinen Tisch‘ zu machen.“
Palmers Äußerungen zu den Corona-Kranken entsprächen „in etwas gröberer
Form etwa dem, was Wolfgang Schäuble etwas abstrakter geäußert hatte“,
sagte Sarrazin. Die SPD versucht seit Jahren, Sarrazin wegen
islamkritischer Bücher und Thesen aus der Partei auszuschließen.
Schon am Montag hatten Bundes- und Landesspitze erklärt, Palmer nicht mehr
unterstützen zu wollen. Der Landesvorstand bekräftigte nun: „Boris Palmer
spricht nicht für die Grünen und die Grünen stehen nicht hinter Boris
Palmer.“ Für einen Parteiausschluss gibt es hohe Hürden. Führende Grünen
hatten sich deshalb bislang gegen die Einleitung eines solchen Verfahrens
ausgesprochen.
In einem vor der Entscheidung des Landesverbandes geführten Interview mit
dem Spiegel sagte die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock über Palmer: „Wir
sind ein freies Land, da kann jeder sagen, was er will. Aber wir haben die
Freiheit, deutlich zu machen, dass wir eine weitere Kandidatur und seinen
Wahlkampf nicht unterstützen werden. Boris stellt sich immer wieder bewusst
provokativ gegen die Werte unserer Partei und schadet ihr.“
9 May 2020
## LINKS
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[2] /Boris-Palmer-ueber-Corona-Quarantaene/!5676475
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