# taz.de -- Ein Jahr nach den Kommunalwahlen: Sachsen-AfD schleicht sich hoch | |
> Das Kulturbüro Sachsen beleuchtet neue kommunale Mitte-Rechts-Allianzen: | |
> die Arbeit von Initiativen und Vereinen gegen Rassismus wird erschwert. | |
Bild: Fahne vorm Kopf – Die sächsische AfD treibt mittlerweile vor allem auf… | |
Dresden taz | Alarmierende Entwicklungen vollziehen sich oft im Schatten | |
der medial meistbeachteten Großereignisse. So könnte eine Zusammenfassung | |
des sechsten Jahresberichts „Sachsen rechts unten“ des Kulturbüros Sachsen | |
lauten. Das seit vielen Jahren in der Stärkung der Zivilgesellschaft und | |
bei der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus engagierte Büro weist in | |
der am 8. Mai erschienenen Broschüre auf die Folgen der [1][Kommunalwahlen | |
2019] hin. | |
Sie fanden am 26. Mai 2019 zeitgleich mit den [2][Europawahlen] statt und | |
standen außerdem im Schatten der drei ostdeutschen Landtagswahlen des | |
Vorjahres. Die AfD aber wurde vor allem in Kommunalparlamenten Ostsachsens | |
stärkste Kraft, holte in ganz Sachsen fast ein Viertel der | |
Kreistagsmandate. Zusammen mit den Freien Wählern und rechtsextremen | |
Wählergruppen kann sie vielerorts traditionelle Mehrheiten kippen. | |
Die sogenannte „Alternative für Deutschland“ wurde von ihrem Wahlerfolg | |
selbst überrascht und konnte ein Fünftel ihrer Mandate in Stadt- und | |
Gemeinderäten nicht einmal besetzen. Dieser Erfolg der in Sachsen besonders | |
„Flügel“-orientieren AfD marginalisiert einerseits rechtsextreme | |
Randparteien wie die NPD. Auf der anderen Seite stehen neue Allianzen auch | |
mit der CDU, die auf kommunaler Ebene eine Zusammenarbeit nicht so | |
ausschließt wie auf Landesebene. Das [3][erschwere die Arbeit von | |
Initiativen und Vereinen weiter], die sich gegen Rassismus und | |
Rechtspopulismus wenden, konstatieren die Autoren des Kulturbüros und vor | |
allem Fachreferent Michael Nattke. | |
Vor exemplarischen Einzelbeiträgen fasst ein Beitrag Fälle zusammen, wo in | |
der Jugendhilfe, der Soziokultur und der freien Kulturszene Förderung durch | |
die Macht der AfD und ihrer Vasallen in Gefahr gerät. Eine Austrocknung | |
dieser ihr missliebigen Milieus hatte die Landtagsfraktion schon vor den | |
Wahlen zum Ziel erklärt. Als Beispiele werden Mittelkürzungen im Dresdner | |
Stadtrat, das „Dorf der Jugend“ in Grimma oder das „Treibhaus“ in Döbe… | |
genannt. Es bleibe abzuwarten, wann im Gegenzug neue kommunale Mehrheiten | |
damit begännen, gezielt rechte Vereine zu fördern, heißt es sorgenvoll in | |
der Jahrespublikation. | |
## Rechtes Mobbing in Arnsdorf | |
Im ersten detaillierten Beitrag aus Radebeul wird einerseits die Passivität | |
der AfD aufgrund ihrer Unerfahrenheit, aber auch die schleichende | |
Annäherung an bürgerliche Kreise geschildert. Die CDU kenne keine | |
Berührungsängste mehr. Ähnliche Vorgänge werden aus dem Chemnitzer | |
Jugendhilfeausschuss berichtet. Der Rechtsruck in der Zusammensetzung des | |
Stadtrates führte dazu, dass die Vertretung der freien Träger der | |
Jugendhilfe einseitiger geworden ist. Andererseits gelang es der AfD und | |
der rechtsextremen Initiative „Pro Chemnitz“ nicht, die Förderung des | |
„Alternativen Jugendzentrums“ zu kippen, das auf der Hauptabschussliste der | |
Landes-AfD steht. | |
Als „Präzendenzfall“ werden Vorgänge im mittelsächsischen Döbeln | |
geschildert. Unter dem Vorwurf von Linksextremismus und | |
Gewaltverherrlichung versucht die AfD, dem „Treibhaus“-Verein das Wasser | |
abzugraben. Im Stadtrat erzielte sie nur einen Teilerfolg, aber bei den CDU | |
Landräten im Konvent des Kulturraumes eine größere Wirkung. Letztlich blieb | |
aber ein Schulterschluss von CDU und AfD aus. Als exemplarisch werten die | |
Autoren die von rechten Ideologen angestrebte Bindung von Fördermitteln an | |
strikte politische Neutralität. | |
## Alarmierender Schritt zur Machteroberung | |
Parallelen zu Thüringer Verhältnissen zieht ein Beitrag über | |
Südwestsachsen. Der Plauener Oberbürgermeister Ralf Oberdorfer ließ sich | |
quasi auf der Liste der AfD in den regionalen Planungsverband des | |
Vogtlandkreises wählen. Während die Vorgänge um die Bürgermeisterwahl in | |
Gohrisch in der Sächsischen Schweiz noch kuriose Züge tragen, muss man die | |
Resignation der Arnsdorfer Bürgermeisterin Martina Angermann nach rechtem | |
Mobbing sehr ernst nehmen. Ausgangspunkt waren die Schikanen einer | |
Bürgerwehr gegen einen im Supermarkt auffällig geworden Flüchtling 2016, in | |
deren Folge die aufrechte Bürgermeisterin ins Burn Out getrieben wurde. | |
Hinter diesen Geschichten steht die wiederholt zitierte Äußerung des | |
CDU-Kandidaten für den Parteivorsitz Friedrich Merz, man könne kommunal mit | |
der AfD doch über Zebrastreifen entscheiden. Das Kulturbüro wertet diese | |
schleichende Mitte-Rechts-Akzeptanz in Sachsens Kommunen als alarmierenden | |
Schritt zur Machteroberung der AfD von unten. | |
8 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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